Goldmann Lexikon, Bd. 10 München (1998) s.v. "Indogermanistik"

Indogermanistik, Wissenschaft. die der Erforschung der -> indogerman. Sprachen dient. Nachdem schon im 18. Jh. (W. Jones, 1786) die Verwandtschaft des -> Sanskrit mit den europ. Sprachen erkannt worden war, begründeten R. Rask (1814). F. -> Bopp (1816) und J. ->Grimm (1819) die Indogermanistik, Rask und bes. Grimm (> Dt. Grammatik <, 19 ff.) erforschten die hist. Stufen der -> german. Sprachen ( ->Lautverschiebung). Während F. Bopp > Vergleichende Grammatik <. 33 ff.) Formen verglich und analysierte, fundierte A. F. Pott durch genauen Vergleich der lautl. Entsprechungen die ->Etymologie (> Ety- r molog. Forschungen < 33-36). Über feste Regeln der Lautentwicklung \ versuchte als erster A. Schleicher 7.11 einer indogerman. Ursprache vorzudringen (> Compendium der vergleichenden Gramm. der indogerman. Sprachen <, 61/62); er berücksichtigte auch als erster das Slawi- sche und bes. das Litauische. Man präzisierte nun die Methoden und die -> Lautgesetze 63 H. G. Grassmanns Gesetz (Hauchdissimilation), 1877 K. Verners Gesetz ( -> grammatischer Wechsel), 76-78 Ausnahmslosigkeit der Lautgesetze (A. Leskien, H. Osthoff und F. K. Brugmann; ->Junggrammatiker). Amelung und Brugmann, H. Collitz, F. de -> Saussure, J. Schmidt klärten in den 70er Jahren des 19. Jh. das Problem des ind. >a< (europ. a. e, o): G. I. Ascoli entdeckte die zwei indogerman. Gutturalreihen, Brugmann (>Nasalis sonans in der indogerman. Grundsprache < 76) die silbischen m und n; de Saussure ( Mémoire sur le système primitif des voyelles dans les langues indoeuropéennes <, 78/79) formte die Vokaltheorie des Indogermanischen aus durch systemat. Darstellung der Ablautstufen von Kurz- und Langvokalen, Entdeckung des 3 und der zweisilbigen -> Wurzeln. H. Paul (> Prinzipien der Sprachge-schichte <, 80) brachte die Theorie der Analogie, deren Wirkung Brugmann und Osthoff in ihren > Morpholog. Untersuchungen (78 ff.) darstellten. H. Hübschmann erkannte die -> armenische Sprache als eigene Sprachgruppe. K. G. G. Delbrück lieferte zu Brugmanns >Grundriß der vergleichenden Grammatik der indogermanischen Sprachen < (86 ff.) die Syntax (1893-1900).

Bed. Untersuchungen zu den Einzelphilologien lieferten Ch. Bartholomae (Indo-Iranisch). J. Wackernagel, W. Schulze, später P. Kretschmer (Griechisch), F. Kluge, H. Paul, E. Sievers. später W. Streitberg (Germanisch), R. Thurneysen (Keltisch); H. Hirt zu -> Akzent (1895) und -Ablaut (1900) sowie zu Urheimat und Ursprache der Indogermanen (»Die Indogermanen, 05-07; >Indogerman. Grammatik<, 23-37). Anf. des 20. Jh. wurden das Tocharische und Hethitische entdeckt; bearbeitet von W. Schulze, E. Sieg, W. Siegling, W. Krause (Tocharisch) bzw. F. Hrozny, F. Sommer, J. Friedrich (Hethitisch), H. Pedersen (beide). Mit dem Hethitischen kamen auch Luwisch und Palaiisch zutage, auch das Phrygische, Lykische und Lydische wurden erforscht. Krahe erschloß die Reste der -> illyr. Sprache. Die I. ging nun mehr und mehr in Detailfragen und Einzelphilologien auf. Seit F. de Saussures Forderung nach einer >synchronischen<. systembezogenen Sprachwissenschaft (>Cours de de linguistique générale<, 16) wurde die hist. (>diachronisch<) ausgerichtete I. bes. im Ausland (Genf, Prag, Kopenhagen, USA) von versch. Richtungen der modernen ->Sprachwissenschaft (->Strukturalismus) abgelöst.

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