Professor Thieme was, as I do not need to say, a giant of indological studies. His elegant, scholarly, and insightful writings have given us all enormous pleasure and benefit over the years. One of my personal favourite pieces by Prof. Thieme is his amazing interpretation of the Isa Upanisad, but I am sure that everyone has their own favourite article or book. His seminal study, Panini and the Veda, launched modern Paninian studies. He always managed, as only great scholars do, to surprise and enlighten in his writings; he always revealed something new and interesting, rising above mere narration of facts, although his detailed and scientific knowledge of classical Indian culture was of course unrivalled.Dominik Wujastyk via e-mail, 27.4.2001
Paul Thieme was one of the few surviving great scholars of a generation that still encompasses all aspects of Sanskrit philology, from linguistics to literature and grammar. He was equally well specialized in Paninean grammar (he studied 1935-7 with Kamalakanta Mishra at Allahabad), in the Vedas, in classical Sanskrit texts, as well as in Avestan/Old Iranian and in Indo-European linguistics.
Due to his early studies in India, he was fluent in Sanskrit and gave one of the main speeches in Sanskrit at the first World Sanskrit Conference at Delhi in the early Seventies.
He taught at Yale, Frankfurt, Halle, Breslau and Tübingen (until his retirement 1972) and was a member of many scholarly socities and academies. In 1989 he received the Kyoto Prize.
Well loved by all his students, - who like to tell many anecdotes about him - they insisted that he teach well after retirement - which he did. During the last years he lived with his wife, Renate Söhnen, at London. He is survived by her and his only son, Konrad, from an earlier marriage, who also lives in England.Michael Witzel via e-mail, 27.4.2001
Sanskrit in freier RedeZum Tod des Indologen Paul Thieme
Am 24. April verstarb der Indologe Paul Thieme in London im Alter von 96 Jahren. Wie kein anderer hat Thieme weltweit die philologisch und sprachwissenschaftlich ausgerichtete Indologie bestimmt und geprägt. Er wurde 1989 mit dem hochdotierten Kyoto-Preis geehrt. Einem Thüringer Pfarrhaus entstammend erhielt er eine gediegene humanistische Ausbildung, die, bis ins hohe Alter lebendig erhalten, seine wissenschaftliche Arbeit in vielfacher Weise befruchtete.
In Berlin und Göttingen wurde er von den bedeutendsten Vertretern dieser Fächer in die Indologie und die Indogermanistik eingeführt. Schon früh trat er mit Arbeiten auf den Spezialgebieten hervor, denen er zeitlebens treu geblieben ist: der vedischen Philologie und der Erforschung der indischen einheimischen Grammatik, als deren Beginn das im 5. Jh. v. Chr. entstandene Werk des Pânini zu gelten hat, eine algebra-artige Beschreibung des Sanskrit, also der altindischen Sprache. Nach indischer Vorstellung ist die Tatsache, daß eine solche Darstellung möglich ist, der Beweis für die Regelhaftigkeit des Sanskrit. Dies ist wiederum die Voraussetzung für die Opferreinheit dieser Sprache, die im Ritual die entscheidende Rolle spielt.
Zu seinen bahnbrechenden Arbeiten, die auch heute noch zum Rüstzeug jedes Indologen gehören, zählen eine Darstellung des vedischen Plusquamperfekts, eine Studie zum „Thema Pânini und der Veda“ sowie eine Untersuchung der Rolle der Gastfreundschaft in der Kultur des Rigveda, in deren Verlauf er den Begriff „Arier“ klärte, die Selbstbezeichnung der ältesten Inder und Iraner als der „Gastfreie“. In einer Zeit, in der die indogermanischen Eroberer weit verstreut über die Vorbevölkerung lebten, war es wichtig, daß sich jeder Fremdling durch sein Verhalten als Stammesgenosse ausweisen konnte.
Vom 1931-1934 lehrte Thieme als Deutsch- und Französisch-Lektor an der Universität Allahabad. Dort gelang ihm, was kaum einem Europäer gelang: Er wurde von einem bedeutenden traditionellen indischen Gelehrten auf dem Gebiet der altindischen Grammatik als Schüler angenommen. Er saß mit der Textausgabe in der Hand zwischen indischen Knaben, die in jahrelangem Training den gesamten Text auswendig gelernt hatten, und lauschte wie sie den – natürlich in Sanskrit gegebenen – Erklärungen des Pandit. Damals hat Thieme nicht nur eine intime Vertrautheit mit der gesamten, bis ins fünfzehnte Jahrhundert reichenden, grammatischen Tradition erworben, sondern auch die Fähigkeit, sich mühelos in der alten Kultursprache auszudrücken, so daß er 1972, als ihm in Benares das Ehrendoktorat der Universität verliehen wurde, von den einheimischen Gelehrten bejubelt, sich in freier Rede für die Ehre bedanken konnte. Nach seiner Rückkehr aus Indien wurde Thieme im Jahre 1940 nach Halle berufen. Seine allgemein bekannte Ablehnung des Nationalsozialismus hatte einen früheren Ruf zunichte gemacht. 1954 führte ihn sein Weg über den Lehrstuhl für Indogermanische Sprachwissenschaft in Frankfurt am Main ein Jahr später an die Yale University. Trotz zahlreicher guter Studenten und anregender Kollegen aber kehrte Thieme Ende 1960 nach Deutschland zurück, und zwar nach Tübingen.
Er übte große Anziehungskraft aus. Von nah und fern kamen promovierte Indologen oder fortgeschrittene Studenten zum Studium nach Tübingen, angezogen u.a. durch die Begeisterungsfähigkeit Thiemes, die sich auch dem Leser seiner zahlreichen Publikationen, vor allem aber dem Hörer seiner Vorträge und Diskussionsbeiträge auf Kongressen unmittelbar mitteilte. Die Basis seiner Arbeiten war unerbittliche methodische Strenge, absolut sichere Sprachbeherrschung und die genaue Analyse des Wortlautes der Texte, das alles freilich verbunden mit Witz, Schlagfertigkeit und großer menschlicher Wärme.
Bernfried Schlerath via e-mail, 30.7.2001
4.6.2003