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Achtung: Dies ist eine Internet-Sonderausgabe von Gippert (1991c).
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Attention: This is a special edition of Gippert (1991c).
for the internet. It should not be quoted. For quotations, please refer to the
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Mitteliranische Lehnw”rter im Altgeorgischen
Jost Gippert
Die sogenannten sdkaukasischen oder kartvelischen Sprachen, unter denen das Georgische
mit seiner seit etwa 1500 Jahren reich flieáenden literarischen Bezeugung im Mittelpunkt
der Forschung steht, sind bekanntlich in besonderem Maáe von Einflssen ihrer indogermanischen
Nachbarsprachen durchdrungen. Das betrifft nicht so sehr den seit der Annexion
Georgiens an das Russische Reich im Jahre 1801 zu verzeichnenden slavischen
Einfluá; es betrifft vielmehr zwei Strata, die schon seit Beginn der georg.
šberlieferung im 5. Jh. n.Chr. deutlich zutage treten, und die auf eine besonders
intensive kulturelle Beeinflussung weisen. Es handelt sich zum einen um die zahlreichen
griechischen Elemente, die im Zuge der Christianisierung der Georgier
seit dem 4. Jh. n.Chr. in ihre Sprache eingedrungen sind und weniger auf direkten
sprachlichen Kontakt als auf eine literarische Einfluánahme zurckzufhren sind.
Zum anderen betrifft es eine stattliche Anzahl von Lexemen, deren lautliche Struktur
sich als iranisch erweisen l„át und die ihrerseits zwei geschichtlich
differenzierte Strata bilden: Ein „lteres, das im Zusammenhang mit der historisch
verbrgten Machtausbung iranischer Herrscher ber das sdliche Kaukasusgebiet in
arsakidischer und sasanidischer Zeit zu sehen ist, und ein jngeres, das die neuerliche
Orientierung Ostgeorgiens nach dem Iran seit dem Beginn der sog. "klassischen Periode"
im 12. Jh. reflektiert.
Angesichts der Bedeutung, die diese Lehnwortschichten in der Sprachgeschichte des
Georgischen (und seiner Schwestersprachen) erlangt haben, ist es verwunderlich,
daá sie in der iranistischen und indogermanistischen Fachliteratur kaum je intensiver
behandelt worden sind. Im Zusammenhang mit der jetzt von Gamçreliýe-Ivanov
in extenso behandelten Frage eines direkten Entlehnungsweges von der urindogermanischen
in die urkartvelische Grundsprache erweist es sich sogar als ein methodologisches
Dilemma, da die Feststellung einer pr„historischen Lehnwortschicht
eine klare Scheidung von historischen Lehnwortschichten verlangt, diese aber bei
weitem noch nicht herausgearbeitet sind.
Eine Beurteilung der „lteren, d.h. vorklassischen iranischen Elemente im Georgischen
kann nicht ohne Heranziehung einer weiteren indogermanischen Sprache, n„mlich des
Armenischen erfolgen, das als unmittelbarer Nachbar des Georgischen seinerseits
einen deutlichen Einfluá auf dieses ausgebt hat. Seitdem durch Heinrich Hbschmanns
Armenische Grammatik1 die groáe Zahl von Lexemen,
die diese Sprache mit dem Iranischen teilt, ebenfalls als Lehnelemente erkl„rt wurden,
dient das Armenische nicht nur als Vergleichsbasis bei der Annahme von Iranismen
im Georgischen. Vielmehr hat sich in der iranistischen Literatur die Auffassung
durchgesetzt, daá Iranismen prinzipiell weniger auf direktem Wege ins Georgische
gedrungen sind als "via armeniaca". Diese Auffassung hat sich z.B. in dem Armenischen
Wurzelw”rterbuch von Hr. AÄaéyan niedergeschlagen, wo einschl„gige
georg. Wortformen generell als "Entlehnungen" ihrer armen. Entsprechungen aufgefhrt
sind2, und sie ist jngst noch einmal als ein
"methodological process that appears valid" bezeichnet worden3.
Angesichts der Tatsache, daá fr das Altarmenische eine weitaus gr”áere Anzahl von
Iranismen zu proklamieren ist als fr das Altgeorgische und diese in beiden Sprachen
h„ufig in identischer Lautgestalt vorliegen, erscheint die Annahme berechtigt.
Dennoch ist die einseitige šbernahme aus dem Armenischen schon frhzeitig in Frage
gestellt worden. In einem Aufsatz, der dem entlehnten Wortgut des Georgischen gewidmet
war und der zeitgleich mit Hbschmanns Armenischer Grammatik
erschien, „uáerte sich bereits Michel Riabinin skeptisch, der
darauf hinwies, daá die (nahezu) identische "phonetische Struktur des armen. und
georg. Alphabets" bei Lehnw”rtern a priori identische Formen erwarten lieáe4.
Žhnliche Bedenken formulierte auch der englische Gelehrte Oliver Wardrop
im Vorwort zu seiner šbersetzung der aus dem 12. Jh. stammenden georg. Version des
persischen Romans VÒs u RÀmÒn5. Ausfhrlicher
argumentierte dann Michel Tarchniêvili, der auf das Dilemma
hinwies, daá bei der ausschlieálichen Annahme einer "via armeniaca" fr Iranismen
im Georgischen auch echt-armenische Lehnw”rter in gr”áerer Zahl nachweisbar sein
máten, was aber nicht der Fall zu sein scheint6.
Eine andere Sichtweise hatte sich zwischenzeitlich auch innerhalb Georgiens durchgesetzt.
In einer Studie ber die literarischen Beziehungen zwischen dem Georgischen und
dem Armenischen im 9. und 10. Jh. lieá zun„chst Ilia Abulaýe den
hier interessierenden W”rtern eine ausfhrlichere Behandlung zuteil werden, in der er sich eindeutig gegen die Annahme einer
ausschlieálichen Entlehnung "via armeniaca" aussprach7.
Abulaýe bernahm zwar den von N. Marr eingefhrten
Terminus einer Kategorie von "W”rtern gemeinsamen Gebrauchs im Armenischen und Georgischen",
den Marr selbst noch ausdrcklich mit "lexikalischen Armenismen"
gleichgesetzt hatte8, wertete aber gewisse lautliche
Divergenzen als Anzeichen einer direkten Entlehnung aus dem PahlavÒ ins
Altgeorgische.
Im Gefolge von Abulaýe legte dann Mzia AndroniÖaêvili
eine monographische Abhandlung der altgeorg. Iranismen vor, die die Problematik
der Entlehnungswege auf eine neue Grundlage stellte. Es handelt sich um ihre "Untersuchungen
zu den iranisch-georgischen Sprachbeziehungen"9,
wo ca. 300 altgeorg. Lexeme als iranische Entlehnungen gedeutet und durch textuale
Belege einer Beurteilung zug„nglich gemacht wurden. Dieses Buch hat in der Iranistik
einen Umdenkprozeá in Gang gebracht, nach dem eine selbst„ndige Entlehnung aus dem
Mitteliranischen ins Georgische v.a. unter zwei Bedingungen akzeptiert wird: Zum
einen, wenn das georg. Lehnwort im Armenischen selbst nicht nachweisbar ist, und
zum anderen, wenn es lautliche Divergenzen zwischen einer georg. und armen. Entlehnung
gibt, die auf unterschiedliche iran. Quellen deuten. Umgekehrt wird auch fr den
Nachweis einer armen. Priorit„t v.a. eine lautliche Bedingung bemht, n„mlich die
als "typisch" aufgefaáte Substitution eines miran. spirantischen *-d- durch
-r- wie im Falle des Wortes
ambor-i "Kuá", das ber arm. hamboyr aus einem parth. *hamb©Ú
hergeleitet werden kann10.
Daá jedoch auch diese Kriterien nicht ausreichen, um das georg. Material insgesamt
eindeutig zu beurteilen, stellte zuletzt Roland Bielmeier heraus,
der festhielt: "Der georgische Lehnwortschatz ist sowohl hinsichtlich der gebenden
und vermittelnden Sprachen als auch hinsichtlich des Alters der einzelnen Entlehnungen
nicht weniger vielschichtig als der des Armenischen. .. Erforderlich w„re eine umfassende
Untersuchung des gesamten georgischen, armenischen und iranischen Materials unter
Bercksichtigung des Griechischen und der relevanten semitischen Sprachen."11.
Tats„chlich k”nnen die Ausfhrungen Mzia AndroniÖaêvilis nicht
als abschlieáend gewertet werden. Der Grund ist weniger in einer nicht immer dem
Stand der Forschung entsprechenden Beurteilung der auáergeorg. Gegebenheiten zu
suchen, die sich leicht korrigieren lieáe, sondern betrifft v.a. die innergeorg.
Verh„ltnisse. Die Autorin sttzte ihre Untersuchung zum gr”áten Teil auf Belege
aus hagiographischen Texten, die als im Original altgeorgisch gelten. Eine solche
Vorgehensweise ist legitim, wenn es darum geht, die Verankerung eines entlehnten
Wortes in der aufnehmenden Sprache zu dokumentieren. Fr die Frage nach dem Entlehnungsweg
sind gerade solche Belege jedoch ohne Belang. Aussagekr„ftig kann hingegen die Verwendung
eines Lehnwortes in bersetzten Texten sein, und zwar v.a. dann, wenn sich nachweisen
l„át, daá ein Wort im Zusammenhang mit der šbersetzung bestimmter Texte entlehnt
worden ist. Dies trifft nun gerade im Falle des Georgischen und des Armenischen
zu, da das letztere von Anbeginn der šberlieferung an eine der beiden
Sprachen ist, die dem Altgeorgischen die meisten šbersetzungsvorlagen geliefert
haben; als gleichrangig ist nur das Griechische zu werten. Es ist also prinzipiell
zu erwarten, daá eine durchgreifende Untersuchung der altgeorg. šbersetzungsliteratur
entscheidende Erkenntnisse fr die Bewertung entlehnter Wortformen abgeben kann.
Auf der Grundlage einer umfassenden Untersuchung von ca. 50 Lexemen, die innerhalb
der „ltesten Periode der georg. šberlieferung, zwischen dem 5. und dem 11. Jh.,
in Erscheinung treten und die sich auf eine mitteliranische, d.h. parthisch-arsakidische
oder mittelpersisch-sasanidische Quelle zurckfhren lassen, habe ich in den letzten
Jahren versucht, die Stichhaltigkeit der "via armeniaca" iranischer Entlehnungen
ins Georgische in sprachwissenschaftlicher und philologischer Hinsicht zu berprfen12.
Die bisherige Lehrmeinung hatte ja die methodische Implikation, daá, wer fr eine
direkte šbernahme aus dem Mitteliran. argumentieren wollte, Kriterien heranziehen
muáte, die gegen eine armen. Vermittlung sprachen. Akzeptiert wurden
in diesem Sinne, wie gesagt, v.a. W”rter, die im Armen. selbst nicht bezeugt waren,
ferner aber auch solche, deren Lautstand im Georg. und Armen. Differenzen aufwies.
Dies trifft z.B. auf ein Paar wie arm. apizar und georg. abezar-
zu, die sich unter einem gemeinsamen Bedeutungsansatz "abgewandt, abtrnnig von;
verlassen von" mit mpers. ab§z¦r "abseits von, geschtzt vor"13
und npers. b§z¦r "id." identifizieren lassen, wobei das arm. und das georg.
Wort zwei verschiedenen miran. Strata zuweisen lassen: arm. apizar muá
wegen des erhaltenen p eine frheres, vermutlich arsakidisches *ap§z¦r
reflektieren, w„hrend georg. abezar- mit seinem b, das nicht auf
einen innergeorg. Lautwandel zurckgefhrt werden kann, aus der sasanidisch-mittelpersischen
Form stammen drfte.Keine entscheidende Aussagekraft hat demgegenber der Unterschied im Vokalismus,
der eine Folge der innerarm. Vokalschw„chung von § > i in vortoniger
Silbe darstellt. Das gilt auch in zahlreichen anderen F„llen wie z.B. bei einem
Wort fr "Drachen, Ungeheuer", das im Arm. viøap und Georg. veøaå-
lautet, und dem ein miran. *v§ø¦p- zugrunde liegen drfte, dessen avest.
Kognatum m”glicherweise in N. 48 und Y. 9,30 verbaut vorliegt. In allen solchen
F„llen kann das Georgische n„mlich den frheren
Lautstand des armen. Wortes bewahrt haben; die betreffenden F„lle w„ren dann als
Entlehnungen aus einem vorhistorischen Zustand des Armenischen
aufzufassen, was auch N. Marr sowie Giancarlo Bolognesi
bereits erwogen14.
Die gleiche Annahme kann, zumindest im Falle parth. Entlehnungen, auch gegen das
erstgenannte Kriterium ins Feld gefhrt werden, da das Fehlen eines Wortes im Armenischen
immer durch seinen Verlust in vorhistorischer Zeit erkl„rbar ist.
Ein solcher Fall k”nnte z.B. bei dem georg. Substantiv Öaran-
gegeben sein, das etwa die Funktion eines "Statthalters, Verwalters" bezeichnet,
und das auf ein miran. *k¦r(a)d¦r- zurckgefhrt werden kann, wobei fr
die anzunehmenden Umgestaltungen auf maüaÖaran- "Ober(fleisch)koch"
= arm. matakarar < miran. *m¦takaÚ¦r-
sowie auf maran- "Weinhaus" < miran. *maÚ(u)Ú¦n-
zu verweisen w„re. Wenn man die vorgeschlagene iran. Etymologie akzeptiert, w„re
ohne weiteres eine "vorarm." Zwischenstufe *kar(ar)ar ansetzbar, bei der
das Wort wieder die "typisch arm." Vertretung von miran. -Ú-
durch -r- aufweisen wrde.
Letztlich darf nicht vergessen werden, daá das Fehlen eines iran. Etymons im Armen.
prinzipiell auch auf einer zuf„lligen Nichtbezeugung beruhen kann.
Gegenber der so als unzureichend erweisbaren „lteren Methode legen meine jetzt
vorliegenden Untersuchungen ein umgekehrtes Vorgehen nahe. Sie gipfeln in der methodologischen
Forderung, ein mitteliran. Wort im
Altgeorgischen prinzipiell als eigenst„ndige Entlehnung anzusehen,
wenn nicht spezifische Kriterien fr eine šbernahme
aus dem Armen. sprechen.
Ein solches Kriterium bildet zun„chst die Beleglage. Aufgrund ihrer Verwendung l„át
sich fr alle behandelten W”rter der Grad ihrer Affinit„t zur armen. šberlieferung
mit gewisser Sicherheit ermitteln. Der h”chste Affinit„tsgrad ist bei einer Gruppe
von W”rtern zu erkennen, die lediglich in einem klar umrissenen Konvolut hagiographischer
Texte auftreten, deren Abh„ngigkeit von armen. šbersetzungsvorlagen von Ilia Abulaýe
herausgearbeitet wurde; diese W”rter sind im Georg. armen. Fremdw”rter
geblieben. Hierzu geh”rt z.B. der Terminus dahÅaåeü-,
der den Anfhrer einer kleinen milit„rischen Einheit bezeichnet und exakt das arm.
dahØapet, selbst Kompositum aus dahiØ "Scherge" und pet
"Anfhrer", repr„sentiert (in dem Vorderglied dahiØ sehe ich brigens eine
Ableitung des iran. Zahlworts fr "zehn", also etwa "Zehnerschar", so daá der dahØapet
dem z.B. bei Xenophon erw„hnten ÚÛà×Úÿèío@ entsprechen mag). Ein
„hnlicher Fall ist weiter das Wort avan- "Dorf, Weiler", das berall das
gleichlautende und gleichbedeutende arm. awan wiedergibt, in dem gemeinhin
das in apers. ¦vahana- "Wohnplatz" vorliegende Etymon gesehen wird; auch
avan- ist im Georg. aufgrund seiner Beleglage eindeutig als Armenismus
zu werten. Es steht damit in scharfem Gegensatz zu dem in lautlicher Hinsicht v”llig
gleich zu beurteilenden van-, das als Bezeichnung einer "Herberge" oder
einer "M”nchsklause" sein Pendant in arm. van-× findet und wie
dieses auf ein iran. *vahana- zurckgehen wird; dieses Wort nimmt eine
viel festere Position im georg. Lexikon ein, wofr nicht zuletzt die von ihm gebildeten
Ableitungen mo-van-e- "M”nch", sa-van-e- "Unterkunft" sowie da-van-eb-a-
"bernachten, einkehren" sprechen, und es l„át gleichzeitig eine viel geringere
Affinit„t zur armen. šberlieferung erkennen, so daá eine Vermittlung des - zudem
nur als plurale tantum bezeugten - armen. van× kaum wahrscheinlich
zu machen ist.
Auf der Basis der von mir untersuchten Wortformen l„át sich der Katalog der fr
eine armen. Provenienz in Frage kommenden Texte ber die besagten Heiligenlegenden hinaus bereits deutlich erweitern. Er umfaát zun„chst mit
Sicherheit die georgische Version des "Physiologus" sowie mit groáer Wahrscheinlichkeit
auch die anderen šbersetzungstexte, die im sog. Codex von ¸aïberd enthalten sind;
hierzu sind die bereits von Marr gemachten Beobachtungen zu
vergleichen. In der Bibelbersetzung ist ein armen. Original zun„chst fr das Tetraevangelium
der Hs. von Adiêi (AD 897) anzunehmen, was ebenfalls bereits seit langem bekannt
ist. Innerhalb des NT zeichnen sich deutliche armen. Zge auáerdem in der „lteren
Redaktion der Apostelgeschichte ab, innerhalb des AT v.a. in den apokryphen Texten
(z.B. 3.Esra oder Judith). Im Bereich des AT gibt es darber hinaus deutliche Indizien,
daá die vorhandenen georg. Redaktionen zumindest in einzelnen Teilen auf armen.
Textzeugen beruhen, die nicht unbedingt mit der Vulgata identisch zu sein brauchen.
Dies gilt - mit absteigender Wahrscheinlichkeit - fr die Bcher Esra und Nehemia,
Esther und Daniel, die Bcher der K”nige und Chroniken, Richter und Josua, und evtl.
passagenweise noch fr die fnf Bcher Mose sowie die Propheten Jesaia und Jeremia.
Um mit der Beleglage in der AT-šbersetzung zu argumentieren, sind allerdings noch
umfangreiche weiterfhrende Untersuchungen vonn”ten.
Weiter bietet sich auch im Hinblick auf das jetzt vorgeschlagene methodische Vorgehen
zus„tzlich ein lautliches Kriterium an: Immer dann, wenn ein iran.
Lehnwort im Georg. einen verbrgten innerarm. Lautwandel reflektiert,
ist die šbernahme des Wortes aus dem Armen. wahrscheinlich. Das gilt nicht unbedingt
fr die vielfach beschworene Substituierung eines miran. -Ú-
durch -r-, da das Georg., das ein spirantisches d ebenso wie das
Armen. nie besessen haben drfte, prinzipiell dieselbe Substitution durchgefhrt
haben kann; den Gegenbeweis k”nnte erst ein Lehnwort erbringen, das bei ansonsten
sicherem parth. Lautstand im Georg. eine andere Vertretung fr iran. *-Ú-
zeigen wrde.
Ein sicheres Kriterium drfte demgegenber z.B. die armen. Vokalprothese vor anlautendem
*r- darstellen, wie sie sich etwa in eramak "Herde" manifestiert,
das auf ein miran. *ramak- zurckzufhren ist und dabei mit
georg. remaÖ- kontrastiert. Da das Georg. keinen Vokalvorschlag
vor r- kennt, máte ein iran. Lehnwort mit durchgefhrter Prothese mit
groáer Wahrscheinlichkeit eine armen. Quelle haben; ein solches Lehnwort kann bisher
aber noch nicht beigebracht werden.
Ein bereits anwendbares Kriterium ist hingegen der wohl bedeutendste Ver„nderungsfaktor
innerhalb der armen. Lautgeschichte, der auch die iran. Lehnw”rter betroffen hat,
n„mlich eben die Vokalschw„chung. Dabei ist zu gew„rtigen, daá das Produkt der Schw„chung
von „lteren -u- und -i- ursprnglich nicht, wie es die "klassische"
Schreibung suggeriert, *?* gewesen sein drfte, sondern ein schwa-„hnlicher Laut,
etwa -Æ-. Unter dieser Bedingung l„át sich z.B. ein Wort wie georg. uüevan-
"Stadie" als Entlehnung aus dem Armen. erkl„ren, wo es in dem als vtevan
(neben vtawan) erscheinenden Entfernungsmaá sein Gegenstck findet, dessen
iran. Etymon in der Form vit¦van in der HÀjjiÀbÀd-Inschrift gefunden wurde15.
Da das Georg. eine Lautfolge vi- ohne weiteres duldet, w„re das hier anlautende
u- als direkte Substitution eines miran. *vi- nicht zu erwarten,
wohl aber als Reflex eines arm. "vokalgeschw„chten" *vÆ-.
Ein noch deutlicheres Kriterium ergibt sich aus solchen Lautver„nderungen, die sich
im Armen. erst innerhalb des historischen Zeitraums entwickelt
haben. Solch ein Kriterium zeichnet sich etwa mit der im AT auftretenden Wortform
naxåeü- als Bezeichnung eines "Anfhrers oder Sippenoberhaupts"
ab, die nicht das "klassische" arm. nahapet "Patriarch" reflektieren drfte,
sondern eine jngere Form, die sich durch die - in armen. Handschriften selbst bezeugte
- analogische Substitution des ursprnglichen -h- durch -x- unterscheidet
und darber hinaus m”glicherweise bereits die gemeinhin als "mittelarm." erachtete
Synkope des mittelsilbigen -a- zeigt.
Im Idealfall sollten beide Kriterien, das lautliche und das der Beleglage, bereinstimmen.
Unter der Bedingung, daá die oben aufgestellte Reihung der alttestamentarischen
Texte zutrifft, stellt naxåeü- einen solchen Fall dar.
Eingangs dieser Ausfhrungen habe ich Michel Tarchniêvili zitiert,
der im Hinblick auf die allzu leichtfertige Annahme einer "via armeniaca" fr iran.
Entlehnungen ins Georg. auf das Dilemma hinwies, daá sich die Georgier in diesem
Fall "befleiáigt haben máten, von den Armeniern nur solche W”rter zu bernehmen,
die selbst fremder Herkunft sind". Tats„chlich ist der Grad der Durchdringung des
Georg. mit autochthonem armen. Wortgut bisher noch weitgehend unbekannt. Hier muá
die weitere Forschung ansetzen, wenn es darum geht, die lautlichen Kriterien fr
oder gegen eine "via armeniaca" „lterer iran. Entlehnungen zu berprfen. Erst wenn
es gelingt, autochthone armen. W”rter im Georg. nachzuweisen, die noch nicht die
Vokalschw„chung durchgemacht haben, k”nnen auch parth. Entlehnungen wie das Wort
fr den "Drachen", veøaå-, einer Beantwortung n„her gebracht werden.
Die Herausarbeitung autochthonen armen. Wortmaterials im Georg. bleibt also ein
dringendes Desiderat fr die Zukunft. Als ein Zeuge mitteliranischen Sprachgutes
verdient das Altgeorgische aber schon jetzt grӇere Aufmerksamkeit, als ihm bisher
zuteil geworden ist.
1. Heinrich Hbschmann: Armenische Grammatik,
I. Theil: Armenische Etymologie, Leipzig 1897. [zurck]
2. Hr. AÄaéyan: Hayeren Armatakan Baéaran,
Erevan: 1. Aufl. 1926-1935 (7 Vols.), 2. Aufl. 1971-1979 (4 Vols.). [zurck]
3. "It has long been known that, at an early date, Iranian
loans entered Georgian through the medium of Armenian. And though this law applied
only to the earliest transfusion of Iranian terminology .. it did establish a methodological
process that appears valid". (John Greppin, Abstract zu dem
Vortrag "On the Theory of Armenian Loans in the Caucasian Languages" anl„álich des
"Vth Caucasian Colloquium" der Societas Caucaslogica Europ‘a in London, 25.-30.6.1990).
[zurck]
4. "Bien que la plupart des mots emprunt‚s au phlevi (!)
soient communs au g‚orgien et … l'arm‚nien et se montrent souvent sous des formes
parfaitement semblables, on n'a pas … admettre n‚cessairement l'‚change r‚ciproque
entre les deux langages, parce qu'il est ais‚ d'expliquer tous les cas par l'identit‚
de la composition phon‚tique des deux alphabets." (Michel Riabinin:
Notes de lexicographie g‚orgienne. Examen du mat‚riel emprunt‚: MSL 10, 1897,
S. 16). [zurck]
5. ".. it would be rash to suppose that in every case where
a Georgian word is identical with a word in another language it is necessarily borrowed
therefrom." (Oliver Wardrop: Visramiani. The Story of The Loves
of Vis and Ramin. London 1914, VII f.). [zurck]
6. "Que les G‚orgiens aient traduit de l'arm‚nien cela est
hors de doute. .. Dans son ‚dition de l'oeuvre d'piphane De Gemmis, Blake a dress‚
une liste de 67 mots "arm‚niens" sans se demander pourquoi tous ces mots, ou peu
s'en faut, ‚taient d'origine iranienne. Si nous en croyons Blake, force nous est
d'admettre que les G‚orgiens se sont ing‚nies … n'emprunter aux Arm‚niens que des
mots de provenance ‚trangŠre, et d'‚carter toute possibilit‚ d'emprunts communs
… l'iranien." (Michel Tarchniêvili: A propos de la plus ancienne
version g‚orgienne des Actes des Ap“tres: Le Mus‚on 69, 1956, 365 f.). [zurck]
7. Ilia Abulaýe: Kartuli da somxuri
liïeraïuruli urtiertoba IX-X ss-êi / Gruzino-armjanskie literaturnye svjazi v IX-X
vv. / Georgian and Armenian Literary Relations of the Ninth and Tenth Centuries,
Tbilisi 1944 [lithogr.], S. 082 ff.: "somxur-kartuli saerto xmarebis siüçvebi"
= "W”rter gemeinsamen Gebrauchs im Armenischen und Georgischen". [zurck]
8. Nikolaj JakovleviÄ Marr: Fiziolog.
Armjano-gruzinskij izvod. Sanktpeterburg 1904, XXXIII: "æØñi÷
×èä÷åæ-ÚèëÞßåéi÷ éãæÙ×" = "gemeinsame armenisch-georgische
W”rter"; "ãÜéßïÜéiÜ ×èäÜåßÞäó"
= "lexikalische Armenismen". [zurck]
9. Mzia AndroniÖaêvili: NarÖvevebi iranul-kartuli
enobrivi urtiertobidan / OÄerki po iransko-gruzinskim jazykovym vzaimootnoêenijam
/ Studies in Iranian-Georgian Linguistic Contacts, I, Tbilisi 1966. [zurck]
10. "Clear evidence is afforded by the typical Arm[enian]
r for Ir[anian] *d or Parth. Ú:
Georgian ambori "kiss" from Arm. hamboyr "kiss, affection, love"
from Parthian *hamb©Ú .."
(R. Schmitt: Iranian Influences in Armenian; in: Encyclopaedia
Iranica, A, 450 b). [zurck]
11. Roland Bielmeier: Zu iranischen
Lehnw”rtern im Georgischen und Armenischen. In: Sprachwissenschaftliche Forschungen.
Festschrift fr Johann Knobloch. Innsbruck 1985, S. 33) [zurck]
12. Die Arbeit ist inzwischen unter dem Titel "Iranica Armeno-Iberica.
Studien zu den iranischen Lehnw”rtern im Armenischen und Georgischen" erschienen
(Wien 1993). [zurck]
13. Das Wort ist z.B. bei R.C. Zaehner,
NÀmak-nipÉsiênÒh, BSOS 9, 94: 16., 3 belegt. [zurck]
14. N. Marr, Fiziolog .. XXXIII; Giancarlo
Bolognesi, Ricerche sulla fonetica armena. Ric.Ling. 3, 1954,
132. [zurck]
15. Die gleiche Erkl„rung kann auch fr das bei Bielmeier,
l.c. strapazierte huria- "Jude" angewendet werden: Wenn das aus
syr. yhuÚiy¦- entlehnte Wort im
Armen. nach der Vokalschw„chung hÆreay lautete, kann das georg. -u-
auch hier ein arm. -Æ- vertreten. [zurck]
Copyright Jost Gippert
Frankfurt a/M 1996. No parts of this document may be republished in any form
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