TITUS
Old-Latvian Corpus
Part No. 24
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Text: Fragm.  
KLEINERE ALTLETTISCHE TEXTE
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Das lettische Vaterunser in der Chronik von Simon Grunau



Zu den ältesten lettischen Sprachdenkmälern gehört ein Vaterunser in der Preußischen Chronik des Dominikanersmönches Simon Grunau von (1517 - 1526) neben einem altpreußischen Vokabular mit 100 Lexemen und einem kurzen prußischen Ausruf der Waidelotten, ein vermeintlich ebenfalls prußischer, in Wirklichkeit aber lettischer Text mit prußischen Einsprengseln. Erwartungsgemäß gibt es hierzu nur wenig Sekundärliteratur. Einige Bemerkungen bietet A. Bezzenberger in der Sammelausgabe "Litauische und lettische Drucke des 16. Jahrhunderts", Bd. II, Göttingen 1875, 47 - 57; speziell diesem Vaterunser widmen sich die Erörtungen von E. Hermann, Ist S. Grunaus Vaterunser lettisch? Nachrichten d. Akademie d. Wissenschaften in Göttingen, Phil.-hist. Klasse 1, 1948, 19 - 29 und von W.P. Schmid, Zu Simon Grunaus Vaterunser, Indogermanische Forschungen, Bd. 67, 1962, 261 - 273, der zu Recht mehrere Fehlinterpretationen Hermanns (als vermeintlich prußische Lexeme) aufzeigt.

Obwohl das Vaterunser mehrfach in altlettischen Fassungen vorliegt (darunter bei Hâzentêter um 1550), soll dieses Vaterunser aufgrund seines eigenständigen Charakters an dieser Stelle vorgeführt werden.


Paragraph: 1   Link to aprdt Link to apreuss Link to vilentasLink to lysius
Page: _  
Line: 1       
Noſſen Thewes
Line: 2    
Cur thu es delbas Sweytz giſcher tho wes wardes Penag munis Thol,
Line: 3    
be myſtlaſtilbi Tholpes prahes Girkade delbeſziſne tade ſymmes Semmes
Line: 4    
Worſunij dodi mommys An noſſe igdemas mayſe, vnde Gaytkas Pames
Line: 5    
mumys Nuſʒe nozeginu Cademes Pametam muſen Prettaune kans.
Line: 6    
Newede munis lawnâ Padomâ ſwalbadi munis No wuſſe Loyne Jheſus.
Line: 7    
amê.


Es handelt sich hier um einen stark verderbten Text. Die prußischen Lexeme sind rasch aufgezählt: das Personalpronomen im Genitiv Noſſen, Nuſʒe (Zeile 1 bzw. 5, vgl. apr. noûſon im Enchiridion) gegenüber von echtlettischem muſen (Z. 5) sowie Gaytkas als Paraphrase neben lettischem mayſe "Brot" (vgl. apr. geitin im Enchiridion und geytko im Elbinger Vokabular).

Sofern Sweytz und igdemas mit Hermann in ſwentz bzw. igdeinas zu korrigieren sind, lägen auch hier prußische Einflüsse vor, vgl. apr. swînts "heilig" (mit erhaltenem n) und deina "Tag" (mit ursprünglichem ei-Diphthong.

Weitere Textverderbnisse lassen sich nur innerlettisch erklären. Die Schreibungen delbas, delbeſziſne und ſwalbadi sind in debbas, debbeſziſne bzw. ſwabbadi abzuändern, ebenso tho wes, Thol be und Tholpes in thowes, thowe, thowes (vgl. das Possessiv im Schriftlett. tavs, tava). Das Substantiv myſtlaſtilbi interpretiert Schmid als mylaſtibe "Liebe" (semantisch wenig überzeugend), den Dativ Plural Prettaune kans vergleicht er dagegen überzeugend mit schriftlett. preteniekams "den Widersachern".

Dieses Vaterunser findet sich ferner in einer Paternoster-Sammlung (neun Fassungen in allen drei baltischen Sprachen) von Lorenzo Hervás y Ponduro von 1787 mit etwas veränderter Schreibung (als "Prussiana") wieder, s. dazu den Artikel von P. U. Dini, Der Werdegang der Auffassung über die baltische Sprachdomäne bei Lorenzo Hervás y Panduro. Ein Beitrag zur Historiographie der baltischen Linguistik, Indogermanische Forschungen 102, 1997, 288ff.:




Paragraph: 2   Link to aprdt Link to apreuss Link to vilentasLink to lysius
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Line: 1    
Nossen Thevves, kurtu es delbes sehvviz gesger thovves vvardes:
Line: 2    
penag myns thovve mystlalstibe: toppes pratres gircad delbeszisne tade tymnes sennes vvorsinny.
Line: 3    
Dodi nomimes an nosse igdenas magse:
Line: 4    
unde geitkas pamas numas musse nozegun, kademas pametam nusson pirtainékans: novvede numus panam padomam: svvalbadi mumes ne vvuse laine.


Der Text dieses lettischen Vaterunsers wäre etwa wie folgt zu konizieren:


Line: 5    
Nossen Thewes cur tu es debbas Sweytz gischer Thowes wardes
Line: 6    
Penag munis Thowe mystlastibbi Thowes prates gir kade debbeszisne tade symmes semmes worsunij
Line: 7    
Dodi mommys an nosse igdenas mayse
Line: 8    
vnde gaytkas Pames mumys nuſʒe nozeginu cade mes pametam musen prettaunekans Newede munis lawnâ padomâ swabbadi munis no wusse lowne Theſaj.
Line: 9    
amê.


München, Januar 1998      Wolfram Euler



This text is part of the TITUS edition of Old-Latvian Corpus.

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