TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 136

Chapter / Strophe: 15 
   15.
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   VON DEM HIRZ.



Line: 14    Cervus haizt ain hirz. von dem spricht Aristotiles,
Line: 15    daz kain tier seineu hörner werf ân den hirz. alliu hör\ner   15
Line: 16    sint inwendig hol ân des hirzen hörner. der hirz
Line: 17    dunket sich seiner hörner gar gemait. Plinius der spricht,
Line: 18    wenne der hirz enpfinde, daz er beswært ist von siehtum
Line: 19    oder von alter, sô zeuht er mit seinen naslöchern slangen
Line: 20    auz den hölrn und izzet die, und wenn er si gezzen hât, sô   20
Line: 21    wirt in dürstend von der vergift, dar umb lauft er zehant
Line: 22    zuo einem prunn und trinket. dâ von jüngt er sich und
Line: 23    pringt sein kraft wider. man spricht, daz der hirz verr
Line: 24    smeck den rauch ainer gepranten pfâwenfedern oder sust
Line: 25    ainer federn und daz er kainen kraiz übergê, der umb\füert   25
Line: 26    sei mit ainer angezünten pfâwenfedern. Solînus
Line: 27    spricht, daz nie ervarn sei, daz der hirz gefebriert hab
Line: 28    oder sühtig sei gewesen. dar umb waz man salben macht
Line: 29    auz seinem mark, diu sänftigt der siechen hitz. diu hin\den
Line: 30    schaident sich von den hirzen, sô diu zeit irs zuo\vâhens   30
Line: 31    ist komen. si fürbent sich mit ainem kraut vor
Line: 32    der gepurt, daz si dester leihticleicher mügen gepern.
Line: 33    Solînus spricht, daz die hinden gepern kälbel, der hüetent

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Line: 1    si gar vleizicleichen und verpergent si in die stauden und
Line: 2    maisternt si mit den klâen, daz si dar under beleiben unz si
Line: 3    zeitig werden. des kälbleins flaisch, daz in der muoter leib
Line: 4    getœt ist, ist guot für vergift und hailt der slangen piz
Line: 5    an dem menschen. wenne si die hund jagent, sô wundert   5
Line: 6    si der hund lautlaufen, und dar umb rihtent si sich nâch
Line: 7    dem wind, daz der hund stimm mit in lauf. wer täg\leichs
Line: 8    ir flaisch izzt des morgens gar fruo, der ist behuot
Line: 9    vor haizen sühten, die ze latein febres haizent. wenn si
Line: 10    ir hörner habent geworfen und in jungeu hörner her wider   10
Line: 11    wahsent, sô stênt si an die sunnen, sam Aristotiles und
Line: 12    Plinius sprechent, dar umb, daz iriu hörner trücken und
Line: 13    zeitigen und starken von der sunnen hitz. dar nâch
Line: 14    gênt si zuo den paumen und reibent diu hörner dar an
Line: 15    und versuochent si. sô si dann starch sint, sô gênt si   15
Line: 16    sicherleich, wan si habent wâpen, dâ mit si sich wernt.
Line: 17    des getorsten si vor niht vor den wolfen, wan dô muosten
Line: 18    si sich verpergen und des nahts ir waid suochen. si
Line: 19    werfent iriu hörner in den wazzern, dar umb, daz si den
Line: 20    läuten iht ze nutz werden, wann si wizzent von nâtûr   20
Line: 21    wol, daz si den läuten gar nütz sint, und allermaist daz
Line: 22    reht horn ist guot für die slangen. sô der smack von
Line: 23    seiner prünst gêt, sô vliehent die natern, ez sei daz lenk
Line: 24    oder daz reht. Platearius spricht, daz in des hirzen herz
Line: 25    ain pain sei, reht sam des herzen gruntvest; sô man daz   25
Line: 26    her auz gezeuht und ez hert læzt werden und ez danne
Line: 27    pulvert und gibt ez dem siechen, daz ist guot für den
Line: 28    herzriten und für daz swindeln. man spricht auch, daz
Line: 29    etleich hirz gallen haben in dem sterz und etleich in den
Line: 30    ôrn, alsô spricht Aristotiles. der hirz ingewaid stinkt gar   30
Line: 31    sêr, und wænt Plinius, daz ez dâ von sei, daz si gallen
Line: 32    habent in dem ingewaid und dar umb ezzent ez die hund
Line: 33    niht, si sein denn gar hungerig. in des hirzs haupt ist
Line: 34    ain wurm, der in oft müet; aber ain iegleich tier und
Line: 35    auch der mensch hât ainen wurm under der zungen, und   35
Line: 36    spricht unser puoch ze latein, daz an der stat, dâ diu

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Line: 1    runstâdern gesellet werdent des rucksdorn, dâ er sich
Line: 2    veraint mit dem haupt, sein zwainzig würm. wærleich
Line: 3    daz dunket mich gar wunderleich und gelaub sein niht,
Line: 4    man sprech dann, daz die würmel mäusel wæren, als wir
Line: 5    in dem êrsten stuck von den mäuslein haben gesagt;   5
Line: 6    dannoch wær dâ zweivel. die hirz fürhtent des fuchss
Line: 7    stimm. die hirz streitent under anander und welher ge\sigt
Line: 8    under den andern, der ist ir aller herr und die an\dern
Line: 9    sint im gehôrsam und habent vrid gegen enander
Line: 10    under dem ainen herren. des hirzs kälbel, sô daz ge\vangen   10
Line: 11    wirt von ainem menschen und wirt ain klain ge\füert
Line: 12    in panden, sô volgt ez dâ nâch dem menschen un\gepunden.
Line: 13    des hirzes flaisch ist melancolischer nâtûr und
Line: 14    ist hart ze kochen in dem magen. hinnulus ze latein
Line: 15    ist des hirzs sünl. des kälbleins flaisch ist pezzer wan   15
Line: 16    des hirzes, und wirt ez gekappaunt, sô ist ez noch pez\zer,
Line: 17    wan sô ist sein hitz und auch sein fäuht sänftiger
Line: 18    dann ê. den hirzen liebet süez gedœn alsô sêr, daz si
Line: 19    wider zuo den lautlaufenden hunden koment in selber ze
Line: 20    schaden, sô si in vor verr entloffen sint.   20






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