TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 191

Book: IIIB 

   III.
Line: 12
   
Line: 13
   B.
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   VON DEM GEFÜGEL IN AINER GEMAIN.



Line: 15    Nu schüll wir sagen von allem gefügel und des êr\sten   15
Line: 16    in ainer gemain. ain iegleich vogel, der guot flügel
Line: 17    hât, daz ist der snell fleugt, der hât pœs und kranch
Line: 18    füez, sam die swalben und den geleich. iegleich vogel
Line: 19    klaines leibes singet mêr wan der grôzes leibs ist in der
Line: 20    zeit irr unkäusch. ain iegleich gefügel, daz krum klâen   20
Line: 21    hât, daz ist guotes fluges, und ain iegleich vogel, der an
Line: 22    dem pain ain klâen hât, sam der han, der ist pœses flu\ges
Line: 23    und krankes. ain iegleich vogel, der krump klâen
Line: 24    hât, der lebt des flaisches. aber die andern die lebent
Line: 25    der früht und der würm und der slangen. Aristotiles   25
Line: 26    spricht, daz die vögel, die flaisch ezzent, niht mêr aiern
Line: 27    denne ains mâls in dem jâr, ân die swalben, die aiert
Line: 28    zwier. er spricht auch, daz man der vogel siechtum
Line: 29    erkenne an der flügel geprechen. er spricht auch, daz
Line: 30    under allem gefügel gemaincleich der er lenger leb danne   30
Line: 31    diu si. er spricht auch, wenne die vogel mit enander
Line: 32    streiten, sô legent si auf die wunden ain ackerwurz, diu
Line: 33    haizt origanun, aber von den würzen werd wir her nâch

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Line: 1    sagend. er spricht auch, daz die vâhenden vogel haizer
Line: 2    nâtûr sein und trückner. diu nâtûr haizt ze latein cole\rica.
Line: 3    er spricht auch, daz all vogel krummer klâen wer\fent
Line: 4    iriu kint auz den nesten wenn si nu gevliegen mügent,
Line: 5    und wenne si volkumen sint, sô besorgent si sich nümmer,   5
Line: 6    ân die krâen, diu betracht iriu kint etswie vil zeit. ain
Line: 7    iegleich vogel, der vinger hât an den klâen, der izt
Line: 8    flaisch, und ain iegleich vogel, der væht oder raubt, der
Line: 9    væht anderlai vogel wan seines geslähtes, und mit dem
Line: 10    sint si underschaiden von den vischen, wan der hecht   10
Line: 11    væht den hecht. aber der spärwær darbt der sänftikait.
Line: 12    der vogel flaisch, die ander vogel ezzent, ist pezzer und
Line: 13    paz smeckend wan ander flaisch, ez sei denn ain sunder\leich
Line: 14    dinch. aller vogel hüenel wenne si gar junk sint
Line: 15    sô habent si langeu päuchel; wenne aber si gewahsent,   15
Line: 16    sô werdent si in kurz. die vogel vallent niht auf ain âs,
Line: 17    daz stinkend ist, ez hab denn guoten smack. diu si lebt
Line: 18    dar umb kürzer wan der er, daz si gekrenkt wirt unz in
Line: 19    den tôt von irn gezüchiden. kain vogel hât ain plâsen,
Line: 20    dar umb, daz si wênig trinkent, aber allermaist dar umb,   20
Line: 21    daz sich ir wäzzrig fäuhten verkêrt in ir federn. ain
Line: 22    iegleich vogel, der langeu pain hât, der hât ainen langen
Line: 23    hals, und der kurzeu pain hât, der hât ainen kurzen hals,
Line: 24    ân die vögel, die leder habent zwischen den vingern, sam
Line: 25    diu gans hât. ez ist grœzereu fruhtbærihait an den   25
Line: 26    klainen vogeln wan an den grôzen. Isidorus spricht, daz
Line: 27    der vogel air sô grôz kraft haben, sei daz man ain holz
Line: 28    dâ mit bestreîch, ez prinne niht, und daz auch daz gewant
Line: 29    dar wider niht prinne. ist auch, daz man kalch dar zuo
Line: 30    mischt, sô leimt man dâ mit ain stuck an daz ander.   30
Line: 31    diu zwai sint zweiflig mit uns. die vogel, die vil hüenl
Line: 32    pringent mit ainander, die gepernt oder prüetent gar haim\leich.
Line: 33    sô daz tier ie grœzer ist, sô ez ie lenger geschickt
Line: 34    wirt in der muoter leib. all vogel, die krump klâen
Line: 35    habent, die habent ain scharpf prust und die bedäut zorn   35
Line: 36    behalten an in. die selben vogel tailnt den luft snell.

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Line: 1    alsô tuont die grimmen wüetreich, die mordent und tai\lent
Line: 2    gotes freunt auf ertreich. iedoch mügent si si niht
Line: 3    ertœten an der sêle, ob si si tœten an dem leib.



Chapter / Strophe: 1 
   1.
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Line: 5
   VON DEM ADELARN



Line: 6    Aquila haizt ain adelar, und spricht Augustînus, daz
Line: 7    er der edelst vogel sei und sei ain küng aller vogel. er
Line: 8    ist ain grôzer rauber und lebt neur des flaisches. er hât
Line: 9    gar ain starch scharpf gesiht, alsô daz er die sunnen in
Line: 10    ir clârhait angesehen mag. dar umb sitzet er gern gegen   10
Line: 11    der sunnen. der adlar hât die art, daz er seineu kint
Line: 12    auf hengt mit den klâen gegen der sunnen anplik. wel\hez
Line: 13    dann die sunnen ân wankel ansiht, daz behelt er
Line: 14    sam ainen wirdigen vogel seins geslähtes und fuort ez.
Line: 15    welhez aber diu augen von der sunnen kêrt, daz wirft er   15
Line: 16    hin sam ain unedelz kint. Adelînus spricht, wenne der
Line: 17    adelar beswært wirt von seinem alter, sô merket er gar
Line: 18    ainen kalten prunnen und fleugt ob dem auf über alliu
Line: 19    wolken. sô wirt diu vinster seiner augen verzert von der
Line: 20    sunnen hitz. dâ nâch vellt er zehant nider mit der hitz   20
Line: 21    in den vor geprüeften prunnen und tauchet sich dreistunt
Line: 22    dar inne und fleugt danne in sein nest under seineu star\ken
Line: 23    kinder, diu nu wol gerauben mügent, und mauset
Line: 24    sich dann reht als in ainer küelen zwischen haiz und
Line: 25    kalt nâch ainem fieber. sô speisent in diu kint und nerent   25
Line: 26    in in dem nest, unz er sein federn vernewt und wider ge\wint.
Line: 27    wenn im der snabel sô lang wirt, daz er daz ezzen
Line: 28    niht wol dar mit gevâhen mag, sô sleht er in an ainen
Line: 29    stain und reibt in dar an and kürzt den hâken seins sna\bels,
Line: 30    unz er im eben wirt. des adelars hüenl sint in dem   30
Line: 31    nest ân winseln und ân rüefen. Jacobus spricht, daz der
Line: 32    adlar ainen stain hab in dem nest, der haizt echides oder
Line: 33    gagates. der hât inwendig ain andern stain in im. den
Line: 34    stain hât er in im wider sein grôze hitz. iedoch werd

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Line: 1    wir her nâch sagen von den stainen. hiet er des stains
Line: 2    niht, sô prieten seineu air von grôzer hitz in dem nest.
Line: 3    ander maister sprechent, daz der adlar zwên stain in seim
Line: 4    nest hab, die haizent nides, und ân der kraft müg er niht
Line: 5    geprüeten. der adlar tailt andern vögeln seinen raup mit,   5
Line: 6    aber die gest schüllent sich hüeten vor dem wirt, wan hât
Line: 7    er niht genuog, sô daz ezzen verzert ist, sô greift er die
Line: 8    gest an und frizt si. diu krâ volgt dem adlarn etswenne,
Line: 9    und sô er daz lang vertregt, sô begreift er si ze letzt mit
Line: 10    den klâen. Plinius spricht, des adelarn federn gemischt   10
Line: 11    mit anderr vogel federn unwirdischent von nâtur dar ab
Line: 12    und frezzent si und leident ir gesellschaft niht. aber des
Line: 13    gelaub ich niht. der adlar hât den rehten fuoz grœzer
Line: 14    wan der tenken. er hebt seineu kint auf sein ahseln und
Line: 15    lêrt si fliegen. alle edel vogel erschreckent, wenne si   15
Line: 16    den adlar sehent, und getürrent den tag niht wol ge\rauben,
Line: 17    wan si verliesent ir küenhait, ân den greiffalken,
Line: 18    der væht den adlarn. Alexander spricht, daz der adlar
Line: 19    mit seinem kaiserleichen geschrai den flug anderr vogel
Line: 20    hinder. wenn er ainen tage vast, daz widerpringt er mit   20
Line: 21    vil ezzens an dem andern tag. Gamaliel spricht, daz der
Line: 22    adlar gar vleizig sei, wie er seineu kint lêr vliegen, und
Line: 23    wenn er der schützen lâg fürht, sô tregt er seineu kint
Line: 24    auf dem ruck und setzt alsô seinen leib zwischen den
Line: 25    kinden und dem schützen, ob sein nôt gescheh, daz er   25
Line: 26    den schuz vâhe sam ain schilt vor den kinden.






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