TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 191
Book: IIIB
III.
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B.
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VON DEM GEFÜGEL IN AINER GEMAIN.
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Nu schüll wir sagen von allem gefügel und des êr\sten 15
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in ainer gemain. ain iegleich vogel, der guot flügel
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hât, daz ist der snell fleugt, der hât pœs und kranch
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füez, sam die swalben und den geleich. iegleich vogel
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klaines leibes singet mêr wan der grôzes leibs ist in der
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zeit irr unkäusch. ain iegleich gefügel, daz krum klâen 20
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hât, daz ist guotes fluges, und ain iegleich vogel, der an
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dem pain ain klâen hât, sam der han, der ist pœses flu\ges
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und krankes. ain iegleich vogel, der krump klâen
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hât, der lebt des flaisches. aber die andern die lebent
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der früht und der würm und der slangen. Aristotiles 25
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spricht, daz die vögel, die flaisch ezzent, niht mêr aiern
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denne ains mâls in dem jâr, ân die swalben, die aiert
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zwier. er spricht auch, daz man der vogel siechtum
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erkenne an der flügel geprechen. er spricht auch, daz
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under allem gefügel gemaincleich der er lenger leb danne 30
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diu si. er spricht auch, wenne die vogel mit enander
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streiten, sô legent si auf die wunden ain ackerwurz, diu
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haizt origanun, aber von den würzen werd wir her nâch
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sagend. er spricht auch, daz die vâhenden vogel haizer
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nâtûr sein und trückner. diu nâtûr haizt ze latein cole\rica. Line: 3
er spricht auch, daz all vogel krummer klâen wer\fent
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iriu kint auz den nesten wenn si nu gevliegen mügent,
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und wenne si volkumen sint, sô besorgent si sich nümmer, 5
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ân die krâen, diu betracht iriu kint etswie vil zeit. ain
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iegleich vogel, der vinger hât an den klâen, der izt
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flaisch, und ain iegleich vogel, der væht oder raubt, der
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væht anderlai vogel wan seines geslähtes, und mit dem
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sint si underschaiden von den vischen, wan der hecht 10
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væht den hecht. aber der spärwær darbt der sänftikait.
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der vogel flaisch, die ander vogel ezzent, ist pezzer und
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paz smeckend wan ander flaisch, ez sei denn ain sunder\leich
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dinch. aller vogel hüenel wenne si gar junk sint
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sô habent si langeu päuchel; wenne aber si gewahsent, 15
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sô werdent si in kurz. die vogel vallent niht auf ain âs,
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daz stinkend ist, ez hab denn guoten smack. diu si lebt
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dar umb kürzer wan der er, daz si gekrenkt wirt unz in
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den tôt von irn gezüchiden. kain vogel hât ain plâsen,
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dar umb, daz si wênig trinkent, aber allermaist dar umb, 20
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daz sich ir wäzzrig fäuhten verkêrt in ir federn. ain
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iegleich vogel, der langeu pain hât, der hât ainen langen
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hals, und der kurzeu pain hât, der hât ainen kurzen hals,
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ân die vögel, die leder habent zwischen den vingern, sam
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diu gans hât. ez ist grœzereu fruhtbærihait an den 25
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klainen vogeln wan an den grôzen. Isidorus spricht, daz
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der vogel air sô grôz kraft haben, sei daz man ain holz
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dâ mit bestreîch, ez prinne niht, und daz auch daz gewant
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dar wider niht prinne. ist auch, daz man kalch dar zuo
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mischt, sô leimt man dâ mit ain stuck an daz ander. 30
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diu zwai sint zweiflig mit uns. die vogel, die vil hüenl
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pringent mit ainander, die gepernt oder prüetent gar haim\leich.
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sô daz tier ie grœzer ist, sô ez ie lenger geschickt
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wirt in der muoter leib. all vogel, die krump klâen
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habent, die habent ain scharpf prust und die bedäut zorn 35
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behalten an in. die selben vogel tailnt den luft snell.
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alsô tuont die grimmen wüetreich, die mordent und tai\lent
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gotes freunt auf ertreich. iedoch mügent si si niht
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ertœten an der sêle, ob si si tœten an dem leib.
Chapter / Strophe: 1
1.
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VON DEM ADELARN
Line: 6Aquila haizt ain adelar, und spricht Augustînus, daz
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er der edelst vogel sei und sei ain küng aller vogel. er
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ist ain grôzer rauber und lebt neur des flaisches. er hât
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gar ain starch scharpf gesiht, alsô daz er die sunnen in
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ir clârhait angesehen mag. dar umb sitzet er gern gegen 10
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der sunnen. der adlar hât die art, daz er seineu kint
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auf hengt mit den klâen gegen der sunnen anplik. wel\hez
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dann die sunnen ân wankel ansiht, daz behelt er
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sam ainen wirdigen vogel seins geslähtes und fuort ez.
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welhez aber diu augen von der sunnen kêrt, daz wirft er 15
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hin sam ain unedelz kint. Adelînus spricht, wenne der
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adelar beswært wirt von seinem alter, sô merket er gar
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ainen kalten prunnen und fleugt ob dem auf über alliu
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wolken. sô wirt diu vinster seiner augen verzert von der
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sunnen hitz. dâ nâch vellt er zehant nider mit der hitz 20
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in den vor geprüeften prunnen und tauchet sich dreistunt
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dar inne und fleugt danne in sein nest under seineu star\ken
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kinder, diu nu wol gerauben mügent, und mauset
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sich dann reht als in ainer küelen zwischen haiz und
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kalt nâch ainem fieber. sô speisent in diu kint und nerent 25
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in in dem nest, unz er sein federn vernewt und wider ge\wint.
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wenn im der snabel sô lang wirt, daz er daz ezzen
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niht wol dar mit gevâhen mag, sô sleht er in an ainen
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stain und reibt in dar an and kürzt den hâken seins sna\bels,
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unz er im eben wirt. des adelars hüenl sint in dem 30
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nest ân winseln und ân rüefen. Jacobus spricht, daz der
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adlar ainen stain hab in dem nest, der haizt echides oder
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gagates. der hât inwendig ain andern stain in im. den
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stain hât er in im wider sein grôze hitz. iedoch werd
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wir her nâch sagen von den stainen. hiet er des stains
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niht, sô prieten seineu air von grôzer hitz in dem nest.
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ander maister sprechent, daz der adlar zwên stain in seim
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nest hab, die haizent nides, und ân der kraft müg er niht
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geprüeten. der adlar tailt andern vögeln seinen raup mit, 5
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aber die gest schüllent sich hüeten vor dem wirt, wan hât
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er niht genuog, sô daz ezzen verzert ist, sô greift er die
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gest an und frizt si. diu krâ volgt dem adlarn etswenne,
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und sô er daz lang vertregt, sô begreift er si ze letzt mit
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den klâen. Plinius spricht, des adelarn federn gemischt 10
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mit anderr vogel federn unwirdischent von nâtur dar ab
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und frezzent si und leident ir gesellschaft niht. aber des
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gelaub ich niht. der adlar hât den rehten fuoz grœzer
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wan der tenken. er hebt seineu kint auf sein ahseln und
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lêrt si fliegen. alle edel vogel erschreckent, wenne si 15
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den adlar sehent, und getürrent den tag niht wol ge\rauben,
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wan si verliesent ir küenhait, ân den greiffalken,
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der væht den adlarn. Alexander spricht, daz der adlar
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mit seinem kaiserleichen geschrai den flug anderr vogel
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hinder. wenn er ainen tage vast, daz widerpringt er mit 20
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vil ezzens an dem andern tag. Gamaliel spricht, daz der
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adlar gar vleizig sei, wie er seineu kint lêr vliegen, und
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wenn er der schützen lâg fürht, sô tregt er seineu kint
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auf dem ruck und setzt alsô seinen leib zwischen den
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kinden und dem schützen, ob sein nôt gescheh, daz er 25
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den schuz vâhe sam ain schilt vor den kinden.
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