TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 312

Book: IIIE 

   III.
Line: 23
   
Line: 24
   E.

Line: 25
   VON DEN SLANGEN
Line: 26
   UND DES ÊRSTEN IN AINER GEMAIN.



Line: 27    Wir schüllen nu sagen von den slangen und des
Line: 28    êrsten in ainer gemain. Aristotiles spricht, der slangen

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Line: 1    zung ist behend, lang, swarz und gespalten und dar umb
Line: 2    gêt si verr her auz auz dem mund. der slangen herz ist
Line: 3    ze næhst nâch dem hals und ist geleich aim niern. die
Line: 4    grôzen slangen habent ir vergift an der lebern, aber die
Line: 5    klainen habent ir vergift in dem ingewaid. verplendet   5
Line: 6    man ain slangen, si wirt wider gesehend. sleht man ir
Line: 7    den swanz ab, er wehset ir wider von nâtûr, sam der
Line: 8    egdehsen. diu slang hât dreizig rippe. die slangen ko\ment
Line: 9    sô nâh zuo enander in irr unkäusch, daz ainen
Line: 10    menschen dunket, si sein neur ain leip und hab der leip   10
Line: 11    zwai haupt. ain iegleich slang izt ân underschaid kraut
Line: 12    und auch flaisch. diu slang trinkt wênig, aber si begert
Line: 13    sêr weins und dar umb zement und lockent si die slangen\vâher
Line: 14    mit wein. wenn diu slang den menschen getœtt
Line: 15    hât mit irm hecken, sô nimt si daz ertreich niht mêr noch   15
Line: 16    haimet si mêr: si muoz ir sünd püezen, wan si stirbt
Line: 17    kürzleich dar nâch, sam Plinius spricht. diu slang mag
Line: 18    niht mêr denn neur ains ertœten, neur ze aim mâl und
Line: 19    niht mêr, denn neur allain der salamander der ertœtt mêr
Line: 20    denn ains. Plinius spricht, daz diu vergift niht anderz   20
Line: 21    sei denn der slangen fäuht in der gallen und diu fäuht
Line: 22    gêt von der gallen under dem ruck in den âdern zuo
Line: 23    dem mund und zuo dem zagel oder zuo dem swanz, als
Line: 24    man auch siht an dem schorpen. die slangen in der
Line: 25    Syren lant laidigent niemant und dar umb tœtent si die   25
Line: 26    läut in dem land niht. alsô spricht auch Aristotiles, daz
Line: 27    in dem land Lacedonia ain perg sei, dâ kain schorp die
Line: 28    gest laidig, aber si laidigen die wirt und die in dem land
Line: 29    wonent. die slangen sint von nâtûr hitzig und dar umb,
Line: 30    wenn si erkaltent, sô schadent si wênig oder gar niht.   30
Line: 31    si schadent des nahtes minner denn an dem tag, wan si
Line: 32    werdent des nahtes kalt von dem taw. die von vergift
Line: 33    sterbent die erstarrent des êrsten, aber sô diu vergift er\hitzt,
Line: 34    sô tœtt si den menschen mit derren und mit dürr
Line: 35    machen. aber man spricht, daz diu vergift dem menschen   35
Line: 36    niht geschaden müg, si rüer denn sein pluot des êrsten.

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Line: 1    man spricht auch, daz die slangen den nakenden men\schen
Line: 2    förhten und vliehen und getürren in niht gelai\digen.
Line: 3    Ambrosius spricht, daz ains nüehtarn menschen
Line: 4    spaichel die slangen ertœt, wan ist daz diu slang der
Line: 5    spaicheln ain klain berüert, sô stirbt si zehant. eyâ,   5
Line: 6    mensch, nu sich, wie grôze kraft diu vaste hât, daz si
Line: 7    mit der spaicheln ain erdisch slangen ertœt! treun, sô ist
Line: 8    daz pilleich, daz diu vast auch wider die gaistleichen
Line: 9    slangen helf, daz ist wider die pœsen gaist. ez ist als
Line: 10    mangerlai vergift, diu von den slangen kümt, als man\gerlai   10
Line: 11    slangen sint. ez sint sô vil pôshait merkleicher an
Line: 12    in, als vil ir nâtûr gezwaiet ist. si tuont sô vil smerzen
Line: 13    den läuten, als vil varb an in gezwaiet ist. der slangen
Line: 14    milz ist clain und sinbel. diu slang pirgt ir haupt und
Line: 15    slingt den ganzen leip dar umb und wirft sich alsô gegen   15
Line: 16    dem veind, wan sô si daz haupt beschirmt, sô beleibt si
Line: 17    lebendig ân daz ander tail des leibs. wenn diu slang in
Line: 18    daz wazzer wil, sô læzt si vor die vergift, und wenn si
Line: 19    wider auz dem wazzer kümt, sô nimt si die vergift wider,
Line: 20    und vermisset si der vergift, alsô daz si ir niht vindet,   20
Line: 21    sô sleht si daz haupt oft auf die erd, unz daz si vor lait
Line: 22    stirbt. diu slang fleuht allen guoten smack und stirbt
Line: 23    oft dâ von. man spricht auch, daz auz des menschen
Line: 24    mark slangen werden und allermaist auz des ruks dorn.
Line: 25    Rabanus spricht, daz ze latein vergift als vil gesprochen   25
Line: 26    sei als ain æderling, dar umb, daz diu vergift in die âdern
Line: 27    gêt, wan vena ze latein haizt âder, dannen kümt daz
Line: 28    wort venenum ze latein, daz haizt vergift, wan als vor
Line: 29    gesprochen ist, diu vergift schadt niht, ê si daz pluot
Line: 30    berüert. all vergift ist kalt von nâtûr und dâ von fleuht   30
Line: 31    daz leben die vergift, wan daz leben stêt an wirm und
Line: 32    an fäuhten. Aristotiles spricht, daz der slangen aigenchait
Line: 33    sei, daz si daz haupt gewegen müg ân den leichnamen.
Line: 34    Rabanus spricht, all slangen habent trüebz gesiht und
Line: 35    dar umb siht si daz ir widerwârtig ist selten, wan die   35
Line: 36    slangen habent ir augen niht an der stirn, si habent si

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Line: 1    an dem slâf und dar umb hœrent si ê daz si sehen.
Line: 2    Alexander spricht, diu slang vertreibet ir plinthait mit
Line: 3    fenchel ezzen, und dar umb, wenn si enpfindet, daz ir
Line: 4    augen vinster sint, sô kan si ir selber erzneien mit kunst,
Line: 5    diu si niht betreuget. Aristotiles spricht, daz kain ander   5
Line: 6    tier sein zungen sô snell weg sam die slang, wan si wegt
Line: 7    ir zungen sô snell, daz ainz dunket, si hab drei zungen,
Line: 8    und hât doch neur ain. Augustînus spricht, diu vergift
Line: 9    ist des menschen tôt und der slangen leben.



Chapter / Strophe: 1 
   1.
Line: 10
   
Line: 11
   VON DER ASPEN.



Line: 12    Aspis haizt ain asp. daz ist ain slang wahsvar oder
Line: 13    gel. diu læzt vergift in irm piz und zesträwet ir gift mit
Line: 14    irm peizen und dâ von hât si den namen, wan aspis in
Line: 15    kriechisch ist als vil gesprochen als vergift. Jacobus der   15
Line: 16    maister spricht, daz diu slang von etleicher wort kraft
Line: 17    gepunden werd, alsô daz si mit irr gift niht geschaden
Line: 18    müg, und wirt auch dar umb mit den selben worten an\gesprochen,
Line: 19    daz man si dester fridleicher vâh und daz
Line: 20    man auz ir stirn genemen müg ainen edeln stain, der   20
Line: 21    von nâtûr dâ wehset. aber si hât ain kündichait wider
Line: 22    daz ansprechen, wan si druket ain ôr auf die erden und
Line: 23    verschoppet daz ander ôr mit dem zagel, daz si des an\sprechers
Line: 24    stimm iht hœr. Lucânus haizt die slangen ain
Line: 25    slâfpringerinne, wan wer von ir verwunt wirt, der slæft   25
Line: 26    unz in den tôt. Solînus spricht, daz diu asp ir leben
Line: 27    vertreib neur mit irem geleichen und dar umb, wenn ir
Line: 28    gemahel ertœt wirt, sô sleicht si dem tœter ümmer mêr
Line: 29    nâch, dar umb, daz si ir liep rech, und wâ si in vindet,
Line: 30    wie mit grôzem volk ez sei, auf wazzer oder auf erd,   30
Line: 31    sô ertœtt si irs liebes morder, dâ mag niht vor gesein.
Line: 32    als ain vorschær spricht, diu asp schadet den läuten von
Line: 33    dem land Africa niht noch schadet den läuten von Syria,
Line: 34    und dar umb legent die läut iriu kint für derlai slangen.

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Line: 1    ist dan daz si die slangen laidigent, sô habent si si niht
Line: 2    für ireu kint und mainent, diu kindel sein pankhärtel.
Line: 3    ist aber, daz si diu kindel niht laidigent, sô ziehent si
Line: 4    die läut als ir aigeneu kint.






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