TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 312
Book: IIIE
III.
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E.
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VON DEN SLANGEN
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UND DES ÊRSTEN IN AINER GEMAIN.
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Wir schüllen nu sagen von den slangen und des
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êrsten in ainer gemain. Aristotiles spricht, der slangen
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zung ist behend, lang, swarz und gespalten und dar umb
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gêt si verr her auz auz dem mund. der slangen herz ist
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ze næhst nâch dem hals und ist geleich aim niern. die
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grôzen slangen habent ir vergift an der lebern, aber die
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klainen habent ir vergift in dem ingewaid. verplendet 5
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man ain slangen, si wirt wider gesehend. sleht man ir
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den swanz ab, er wehset ir wider von nâtûr, sam der
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egdehsen. diu slang hât dreizig rippe. die slangen ko\ment
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sô nâh zuo enander in irr unkäusch, daz ainen
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menschen dunket, si sein neur ain leip und hab der leip 10
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zwai haupt. ain iegleich slang izt ân underschaid kraut
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und auch flaisch. diu slang trinkt wênig, aber si begert
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sêr weins und dar umb zement und lockent si die slangen\vâher
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mit wein. wenn diu slang den menschen getœtt
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hât mit irm hecken, sô nimt si daz ertreich niht mêr noch 15
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haimet si mêr: si muoz ir sünd püezen, wan si stirbt
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kürzleich dar nâch, sam Plinius spricht. diu slang mag
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niht mêr denn neur ains ertœten, neur ze aim mâl und
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niht mêr, denn neur allain der salamander der ertœtt mêr
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denn ains. Plinius spricht, daz diu vergift niht anderz 20
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sei denn der slangen fäuht in der gallen und diu fäuht
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gêt von der gallen under dem ruck in den âdern zuo
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dem mund und zuo dem zagel oder zuo dem swanz, als
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man auch siht an dem schorpen. die slangen in der
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Syren lant laidigent niemant und dar umb tœtent si die 25
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läut in dem land niht. alsô spricht auch Aristotiles, daz
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in dem land Lacedonia ain perg sei, dâ kain schorp die
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gest laidig, aber si laidigen die wirt und die in dem land
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wonent. die slangen sint von nâtûr hitzig und dar umb,
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wenn si erkaltent, sô schadent si wênig oder gar niht. 30
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si schadent des nahtes minner denn an dem tag, wan si
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werdent des nahtes kalt von dem taw. die von vergift
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sterbent die erstarrent des êrsten, aber sô diu vergift er\hitzt,
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sô tœtt si den menschen mit derren und mit dürr
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machen. aber man spricht, daz diu vergift dem menschen 35
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niht geschaden müg, si rüer denn sein pluot des êrsten.
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man spricht auch, daz die slangen den nakenden men\schen
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förhten und vliehen und getürren in niht gelai\digen.
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Ambrosius spricht, daz ains nüehtarn menschen
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spaichel die slangen ertœt, wan ist daz diu slang der
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spaicheln ain klain berüert, sô stirbt si zehant. eyâ, 5
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mensch, nu sich, wie grôze kraft diu vaste hât, daz si
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mit der spaicheln ain erdisch slangen ertœt! treun, sô ist
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daz pilleich, daz diu vast auch wider die gaistleichen
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slangen helf, daz ist wider die pœsen gaist. ez ist als
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mangerlai vergift, diu von den slangen kümt, als man\gerlai 10
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slangen sint. ez sint sô vil pôshait merkleicher an
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in, als vil ir nâtûr gezwaiet ist. si tuont sô vil smerzen
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den läuten, als vil varb an in gezwaiet ist. der slangen
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milz ist clain und sinbel. diu slang pirgt ir haupt und
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slingt den ganzen leip dar umb und wirft sich alsô gegen 15
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dem veind, wan sô si daz haupt beschirmt, sô beleibt si
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lebendig ân daz ander tail des leibs. wenn diu slang in
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daz wazzer wil, sô læzt si vor die vergift, und wenn si
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wider auz dem wazzer kümt, sô nimt si die vergift wider,
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und vermisset si der vergift, alsô daz si ir niht vindet, 20
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sô sleht si daz haupt oft auf die erd, unz daz si vor lait
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stirbt. diu slang fleuht allen guoten smack und stirbt
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oft dâ von. man spricht auch, daz auz des menschen
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mark slangen werden und allermaist auz des ruks dorn.
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Rabanus spricht, daz ze latein vergift als vil gesprochen 25
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sei als ain æderling, dar umb, daz diu vergift in die âdern
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gêt, wan vena ze latein haizt âder, dannen kümt daz
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wort venenum ze latein, daz haizt vergift, wan als vor
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gesprochen ist, diu vergift schadt niht, ê si daz pluot
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berüert. all vergift ist kalt von nâtûr und dâ von fleuht 30
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daz leben die vergift, wan daz leben stêt an wirm und
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an fäuhten. Aristotiles spricht, daz der slangen aigenchait
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sei, daz si daz haupt gewegen müg ân den leichnamen.
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Rabanus spricht, all slangen habent trüebz gesiht und
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dar umb siht si daz ir widerwârtig ist selten, wan die 35
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slangen habent ir augen niht an der stirn, si habent si
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an dem slâf und dar umb hœrent si ê daz si sehen.
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Alexander spricht, diu slang vertreibet ir plinthait mit
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fenchel ezzen, und dar umb, wenn si enpfindet, daz ir
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augen vinster sint, sô kan si ir selber erzneien mit kunst,
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diu si niht betreuget. Aristotiles spricht, daz kain ander 5
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tier sein zungen sô snell weg sam die slang, wan si wegt
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ir zungen sô snell, daz ainz dunket, si hab drei zungen,
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und hât doch neur ain. Augustînus spricht, diu vergift
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ist des menschen tôt und der slangen leben.
Chapter / Strophe: 1
1.
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VON DER ASPEN.
Line: 12Aspis haizt ain asp. daz ist ain slang wahsvar oder
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gel. diu læzt vergift in irm piz und zesträwet ir gift mit
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irm peizen und dâ von hât si den namen, wan aspis in
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kriechisch ist als vil gesprochen als vergift. Jacobus der 15
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maister spricht, daz diu slang von etleicher wort kraft
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gepunden werd, alsô daz si mit irr gift niht geschaden
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müg, und wirt auch dar umb mit den selben worten an\gesprochen,
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daz man si dester fridleicher vâh und daz
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man auz ir stirn genemen müg ainen edeln stain, der 20
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von nâtûr dâ wehset. aber si hât ain kündichait wider
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daz ansprechen, wan si druket ain ôr auf die erden und
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verschoppet daz ander ôr mit dem zagel, daz si des an\sprechers
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stimm iht hœr. Lucânus haizt die slangen ain
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slâfpringerinne, wan wer von ir verwunt wirt, der slæft 25
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unz in den tôt. Solînus spricht, daz diu asp ir leben
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vertreib neur mit irem geleichen und dar umb, wenn ir
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gemahel ertœt wirt, sô sleicht si dem tœter ümmer mêr
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nâch, dar umb, daz si ir liep rech, und wâ si in vindet,
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wie mit grôzem volk ez sei, auf wazzer oder auf erd, 30
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sô ertœtt si irs liebes morder, dâ mag niht vor gesein.
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als ain vorschær spricht, diu asp schadet den läuten von
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dem land Africa niht noch schadet den läuten von Syria,
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und dar umb legent die läut iriu kint für derlai slangen.
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ist dan daz si die slangen laidigent, sô habent si si niht
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für ireu kint und mainent, diu kindel sein pankhärtel.
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ist aber, daz si diu kindel niht laidigent, sô ziehent si
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die läut als ir aigeneu kint.
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