TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 422
Chapter / Strophe: 44
44.
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VON DEM ROSENPAUM.
Line: 13Rosarius haizt ain rôsenpaum, aber ez ist aigenleicher
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ain staud wan ain paum. rosa haizt ain rôs, diu auf der
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stauden wechst, diu ist kalt in dem êrsten grâd und 15
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trucken in dem andern grâd. diu rôs paideu dürr und
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grüen ist guot zuo erznei. man schol die rôsen pre\chen,
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wenn si sich zemâl habent auf getân und die ze\mâl
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rôt sint under den rôten rôsen, aber die plaichen
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oder die underplaichen schol man hin werfen. wenn 20
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man die rôsen derrt an der sunnen, sô mag man si
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dreu jâr behalten, daz si nütz sint. wer rôsenhonig
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well machen, daz ze latein haizt mel rosaceum, der würk
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alsô. er schol daz honig des êrsten wol vaimen von dem
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schaum, und schol ez dar nâch schôn seihen durch ain 25
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tuoch und schol dann diu rôsenpleter dar zuo tuon, alsô
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daz man in die zipfel niden abprech mit ainer vaizten,
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diu dar an ist, und schol diu rôsenpleter gar klain snei\den
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und si zuo dem honig mischen. daz schol man dann
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sô lang sieden mit enander, unz ez sich verb und dick 30
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werd. daz honig hât die kraft, daz ez rainigt von des
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honigs art und sterket von dem edeln rôsensmack, wan
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der smack kreftigt wol. daz honig alsô gemacht rainigt
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den magen von pœser fäuhten. zukkerrôsât macht man
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alsô. rœst rôsenpleter wol mit zukker pei dem feur und
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tuo daz dar nâch in ain glas und setz ez an die sunnen
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dreizich tag und rüer ez wol all tag mit ainem löffel und
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misch ez vast under einander, alsô daz dû daz glas oben
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vermachest an der sunnen. daz beleibt guot dreu jâr, 5
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tuost dû im reht. ez überhebt dich vil pfenning in der
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apotêken. daz zukkerrôsât hât ain kraft ze kreftigen und
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ze sänftigen wider den rôten fluz und wider daz wüllen,
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daz von colera kümt, und wider den swintel und wider
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die âkraft, diu von der krankhait kümt der gaistleichen 10
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gelider, dâ ist ez gar guot für, wenn man ez in rôsen\wazzer
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nimt und trinket. mach rôsensyrop alsô. seud
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rôsen in wazzer und tuo zukker dar ein, sô wirt der\lai
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syropl. iedoch sô würd er pezzer von dem saff grüe\ner
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rôsen. der syrop hât die art, daz er des êrsten ent\lœst 15
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oder waichet die gäng, und dar nâch widerhelt er
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die gäng und ist guot wider des leibes hinlauf und wider
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daz wüllen und wider die âkraft; aber man schol in den
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niht geben, die ir stuol swærleichen habent. rôsenöl mach
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alsô. zerstôz die grüenen rôsen gar wol und tuo si in ain 20
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glas mit öl und setz daz glas oben vermacht vierzig tag
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in die sunnen, und wem diu leber erhitzt ist, daz haizt
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calefactio epatis, der salb die stat, dâ diu leber ligt, dâ
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mit und nem ez in ezzen und an anders öls stat, dem
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wirt paz. wem daz haupt wê tuo von haizen sachen, der 25
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salb die stirn und die slæf pei den ôren dâ mit. rôsen\wazzer
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hât die art, daz ez kreftigt und zesamen zeucht
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und labet wider die hitz und ist guot wider den hitzigen
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auzlauf des leibs, der von colera kümt. wem swintelt und
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âmacht her gêt, dem geuzt man rôsenwazzer ein und be\sprengt 30
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im die stirn dâ mit. wer dürr rôsen zuo der
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nasen habt, daz sterket daz hirn und daz herz und er\lüftigt
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die lebleichen gaist. daz tuont auch die grüenen
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rôsen, der si mæzicleichen smeckt, aber ze vil pringt den
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fluz und tuot dem haupt wê. der rôsen pluom inwendig, 35
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diu dâ gel ist sam der saffrân, diu haizt anthos und ist
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guot für daz wüllen. wer frisch rôsen ab dem paum well
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haben ze weihnähten, der verpint den rôsenpaum in des
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maien anvanch gar wol den stam von grunt auf und ies\leichz
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ästel unz an daz end, sô beleibt diu fäuht und diu
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wirm inwendig, und dann drei wochen oder ain mônet 5
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vor weihnähten, sô tuo diu pant ab, sô schiezent schœn
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rôsen auz. daz wæn ich wâr sein in den haizen landen,
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dâ der luft winterszeiten niht gar kalt ist, oder in unserm
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land, sô der winter sänft ist, wan diu gar grôz kelten
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erfrœret daz saf in dem paum, daz ez niht rôsen præht. 10
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Unser fraw geleicht sich in der geschrift den rôsen
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und spricht ʼich pin gepflanzt sam diu pflanzung der rô\sen
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in Jericho.ʼ nu prüef die herzenminnicleichen ge\leichnüss.
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Jericho ist als vil gesprochen, sam die lêrær
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der hailigen geschrift sprechent, als ain abnemender môn. 15
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nu ist allez daz abnement daz in diser werlt ist mit dem
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sündær: tugent, kraft, schœn, leib und leben; dâ von
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haizt diseu werlt wol Jericho. dar inn ist unser fraw
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gepflanzt als ain wol geladener rôsenpaum, der seinen
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smack milticleich umb sich sträwt mit voller genâd. auz 20
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den edeln rôsen schüll wir uns arm sündær rôsenhonig
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machen und zukkerrôsât, rôsenöl und rôsensyropl und
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rôsenwazzer mit dem honig unser stæten hoffnung, mit
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dem zukker unser süezen lieb und mit dem öl christen\leiches
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gelauben, mit dem zereiben guoter werk und mit 25
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dem auzprennen rehter peiht und ganzer rew für alle die
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siechtüem, angst und nôt, die uns anligent an leib und
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an sêl. eyâ, dû lieht prinnendeu rôs, erschein allen den,
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die deinen namen êrent, und kreftig si in allen iren nœ\ten.
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fraw, dû waist wol, ob ich ez mit ernst main. 30
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