TITUS
Author: Strick. 
Der Stricker
Book: Tierb. 
Tierbispel

On the basis of the edition
Der Stricker,
Tierbispel.
Hrsg. v. Ute Schwab.
3., durchges. Aufl.
Tübingen: Niemeyer 1983.
(= Altdeutsche Textbibliothek. 54.)

entered by Andrea Hofmeister-Winter,
Graz 2006;
TITUS version by Jost Gippert
Frankfurt a/M, 26.11.2008




[Längenzeichen ergänzt von A. H.-W.]



Fable: Hahn 
Der Hahn und die Perle


|P1-3
Verse: 1    
Vor einem stadele man drasch,
Verse: 2    
gienc ein hane durch genasch
Verse: 3    
und warp als er kunde.
Verse: 4    
er scherren begunde,
Verse: 5    
vant er in kurzer stunt
Verse: 6    
einen wol getânen funt:
Verse: 7    
einen schœnen mergriezen.
Verse: 8    
"möht ich dîn iht geniezen",
Verse: 9    
sprach er wider sich selben ,
Verse: 10    
"sô wære ich dîn harte frô.
Verse: 11    
wære dir iemen zuo komen,
Verse: 12    
dem du möhtest gefromen,
Verse: 13    
dem wære wol mit dir geschehen.
Verse: 14    
nu hân ich kürzlîche gesehen:
Verse: 15    
weder ich enmac dîn
Verse: 16    
niht geniezen noch du mîn.
Verse: 17    
des bistu hie ze mir verlorn,
Verse: 18    
ich næme für dich ein haberkorn."
Verse: 19    
Der hane gelîchet einem man,
Verse: 20    
der beidiu wil unde kan
Verse: 21    
tumplîche werben
Verse: 22    
und wænet doch niht verderben.
Verse: 23    
kumt er den mergriezen ane,
Verse: 24    
er lât in ligen als der hane.
Verse: 25    
waz sint die mergriezen?
Verse: 26    
diu wort, der wir niezen
Verse: 27    
gegen gote und nâch den êren.
Verse: 28    
beginnet man in lêren,
Verse: 29    
wie er werben solde,
Verse: 30    
ob er sich lieben wolde
Verse: 31    
beidiu gote und den liuten,
Verse: 32    
mac man imz iemer diuten,
Verse: 33    
ê er sich dran iht kêre.
Verse: 34    
des effet er sich sêre,
Verse: 35    
der den wîsheit lêret,
Verse: 36    
der sich an die rede niht kêret!
Verse: 37    
swer niht wîsheit wil pflegen,
Verse: 38    
fünde er si ligen an allen wegen,
Verse: 39    
er möhte ir niht niezen
Verse: 40    
denne ouch der hane des mergriezen.




Fable: Rabe 
Der Rabe mit den Pfauenfedern


|P4-7
Verse: 1    
Ein rabe quam an ein gras,
Verse: 2    
vant er daz im liep was:
Verse: 3    
pfâwenvederen ein michel teil:
Verse: 4    
des wart er frô unde geil.
Verse: 5    
die stiez er alle ane sich,
Verse: 6    
wart er harte wünneclich
Verse: 7    
und gie, er sîne gnôzen vant.
Verse: 8    
zuo den sprach er zehant:
Verse: 9    
"nu sehet, wie rehte schœn ich bin!
Verse: 10    
ez wære ein michel unsin,
Verse: 11    
daz ich mit iu solde umbe gan:
Verse: 12    
ir sit so übele getan!
Verse: 13    
ich sæhe iuch alle tœten,
Verse: 14    
ê ich mich des liez nœten,
Verse: 15    
daz ich mit iu solde sîn:
Verse: 16    
dar umbe spottete man mîn!"
Verse: 17    
alsus wart im dannen gâch
Verse: 18    
und quam vil schiere dar nâch
Verse: 19    
in die pfâwen sâhen,
Verse: 20    
die begunden dar gâhen.
Verse: 21    
swelchiu ir vederen gesach
Verse: 22    
diu gie dar unde sprach:
Verse: 23    
"disiu veder diu ist entriuwen mîn!
Verse: 24    
sine sol niht langer dir sîn,
Verse: 25    
weizgot, du læzest si mir!"
Verse: 26    
zucte ir ieslich die ir,
Verse: 27    
unz er wart swarz alsam ê.
Verse: 28    
wart im zweier dinge :
Verse: 29    
daz im die vederen warn genomen
Verse: 30    
und ouch niht wider getorste komen
Verse: 31    
zuo andern sînen gnôzen:
Verse: 32    
er vorhte spot grôzen,
Verse: 33    
den wolde er niht lîden
Verse: 34    
und begunde si durch daz mîden
Verse: 35    
und meit si ein vil lange zît.
Verse: 36    
iedoch erbaldete er sît
Verse: 37    
und gie bliuclîche dar.
Verse: 38    
si sîn wurden gewar,
Verse: 39    
si sprâchen alle: "kumest du?
Verse: 40    
sint dîn schœne vederen nu?"
Verse: 41    
des frâgten si in alle
Verse: 42    
und brâhten in ze schalle,
Verse: 43    
daz im lieber wær geschehen,
Verse: 44    
hæt er die vederen nie gesehen.
Verse: 45    
Alsus tuot ein betrogen man:
Verse: 46    
und kumet in ein gwalt an,
Verse: 47    
vert er mit schalle
Verse: 48    
und versmæhet die alle,
Verse: 49    
den er ê was gelîch
Verse: 50    
und machet sîn dinc hêrlîch,
Verse: 51    
daz er des selbe wænen wil,
Verse: 52    
daz niemen tugende habe vil
Verse: 53    
als er habe an sich geleit,
Verse: 54    
und machet mit sîner betrogenheit,
Verse: 55    
wenne im der gwalt wirt benomen
Verse: 56    
und er ûz dem schalle muoz komen,
Verse: 57    
die in ê vil gerne sâhen,
Verse: 58    
sæhen si in danne hâhen,
Verse: 59    
dar umbe lobten si alle got.
Verse: 60    
muoz er iemer ir spot
Verse: 61    
lîden unz an sînen tôt.
Verse: 62    
daz erholt er allez âne nôt!
Verse: 63    
des ist er tump der sich traget,
Verse: 64    
daz niemen sînen schaden klaget.





Fable: Kaefer 
Der Käfer im Rosenhaus


|P8-11
Verse: 1    
Ein kever der was goltvar,
Verse: 2    
nam er eines hûses war,
Verse: 3    
daz sîner schœne zæme.
Verse: 4    
in dûhte, swie genæme
Verse: 5    
ein hûs wesen möhte,
Verse: 6    
daz er wol drinne töhte
Verse: 7    
ze herren und ze wirte,
Verse: 8    
wan in des niht enirte
Verse: 9    
weder sîn muot noch diu zît.
Verse: 10    
wart sîn umbesuochen wît,
Verse: 11    
unz daz er eine rosen vant.
Verse: 12    
dûhte in schiere bekant,
Verse: 13    
daz er funden hæte
Verse: 14    
ein hûs, dâr er inne stæte
Verse: 15    
vil gerne belîben solde,
Verse: 16    
daz wær reht als er wolde.
Verse: 17    
diu rose hâte sich ingesmogen
Verse: 18    
und hâte diu bleter zuogezogen
Verse: 19    
(wan si des touwes anehanc
Verse: 20    
und ouch küeler abent twanc),
Verse: 21    
des was si sinewel und sinhol.
Verse: 22    
was der kever freuden vol,
Verse: 23    
daz er wunneclich gemach
Verse: 24    
nach sînem willen ie gesach.
Verse: 25    
er saz mit hohem muote drin,
Verse: 26    
im gie diu naht mit fröuden hin.
Verse: 27    
in dûhte ê noch sît
Verse: 28    
nie so süeze dehein zît
Verse: 29    
als in diu naht dûhte,
Verse: 30    
unz in der tac belûhte.
Verse: 31    
diu sunne hohe quam
Verse: 32    
und si den tou abe genam,
Verse: 33    
wart ir schîn grôz,
Verse: 34    
daz sich diu rose ûf slôz
Verse: 35    
und ir bleter elliu nider hienc.
Verse: 36    
dar nâch vil schiere ûf gienc
Verse: 37    
ein wolken harte swinde
Verse: 38    
mit einem vil starken winde,
Verse: 39    
der tet der rosen manigen stôz;
Verse: 40    
sîn weiben daz wart grôz,
Verse: 41    
daz si diu bleter muose lân;
Verse: 42    
er begunde ir alsô zuo gân,
Verse: 43    
unz er irs elliu benam.
Verse: 44    
wâr ir deheinez hin quam,
Verse: 45    
des enwart der kever niht gwar:
Verse: 46    
er gesaz ir aller samt bar,
Verse: 47    
im enwart niuwan der blôze dorn,
Verse: 48    
alsô hâte er gar verlorn
Verse: 49    
den gemâch, des er hâte gegert,
Verse: 50    
des was er tôre vil wol wert.
Verse: 51    
Als dem keveren geschach,
Verse: 52    
der niht wan an die schœne sach,
Verse: 53    
alsô geschiht noch einem man,
Verse: 54    
der niht an wîben sehen kan
Verse: 55    
wan beidiu schœne unde iugent
Verse: 56    
und enwartet nie deheiner tugent.
Verse: 57    
dem wirt von rehte niuwe
Verse: 58    
beidiu scham und afterriuwe,
Verse: 59    
swenne er sich an si verlât
Verse: 60    
durch die schœne die si hât.
Verse: 61    
hat si denne tugende niht
Verse: 62    
wan die drie die er siht:
Verse: 63    
schœne, iunc und wolgeschaffen,
Verse: 64    
des wirt er ze einem affen
Verse: 65    
daz er stæte wænet hân.
Verse: 66    
beginnent diu wolken ûf gân:
Verse: 67    
daz ist ir unstæter muot
Verse: 68    
der im vil leide getuot;
Verse: 69    
der beginnet denne wanken
Verse: 70    
mit so valschen gedanken,
Verse: 71    
daz alle ir êre vellec sint.
Verse: 72    
dar nâch kumt der starke wint:
Verse: 73    
diu werc, diu der gedank birt.
Verse: 74    
als er mit laster inne wirt,
Verse: 75    
daz er an der schœne hat verlorn
Verse: 76    
und oben ûf der schanden dorn
Verse: 77    
als ein tôre ist gesetzet,
Verse: 78    
an êren gar geletzet,
Verse: 79    
muoz er danne selbe jehen,
Verse: 80    
daz im als dem kevern ist geschehen.
Verse: 81    
Swer als der kever wirbet,
Verse: 82    
ob des gewerft verdirbet,
Verse: 83    
diu klage hat vil rehten tôn:
Verse: 84    
toren werc und toren lôn,
Verse: 85    
die stânt gefuoge einander .
Verse: 86    
swie schœne ein bœse wîp ,
Verse: 87    
er koufet ir schœne sêre,
Verse: 88    
der ir grôze unêre
Verse: 89    
beidiu wîzen und lîden sol!
Verse: 90    
doch gan ich einem tôren wol:
Verse: 91    
swâ er in schanden wirt gesehen,
Verse: 92    
ist im tôren reht geschehen.
Verse: 93    
ein schœne wîp ân êre,
Verse: 94    
diu enhât niht lobes mêre,
Verse: 95    
wan als diu schœne bluome hât,
Verse: 96    
diu ûf einer grôzen kroten stât.





Fable: Wolf 
Der Wolf und der Biber


|P37-40
Verse: 1    
Zeinen zîten daz geschach,
Verse: 2    
daz ein wolf einen biber sach
Verse: 3    
eins tages in einem wâge;
Verse: 4    
dem satzt er manige lâge,
Verse: 5    
unz er ze jungist ûz gienc.
Verse: 6    
der wolf in iesa gevienc.
Verse: 7    
sprach der biber: "neve mîn,
Verse: 8    
waz sol disiu rede sîn?"
Verse: 9    
der wolf sprach mit zorne:
Verse: 10    
"dâ bistu der verlorne!
Verse: 11    
ich wil dich ezzen, weizgot!"
Verse: 12    
der biber sprach: "ez ist dîn spot."
Verse: 13    
er sprach: "des wirstu wol gewar!"
Verse: 14    
wart der biber riuwevar.
Verse: 15    
er sprach: "herr neve, daz verbir
Verse: 16    
unde ginc dan mit mir:
Verse: 17    
ich wil dir einen dahs geben.
Verse: 18    
soltu tûsent jâr leben,
Verse: 19    
du muost mirs iemer danc sagen.
Verse: 20    
dun darft in vierzehen tagen
Verse: 21    
niemer komen von einer stat,
Verse: 22    
wan du bist zallen zîten sat.
Verse: 23    
der ist dir nützer denne ich!
Verse: 24    
deiswâr, unde wil du mich
Verse: 25    
mit rehten triuwen meinen,
Verse: 26    
ich gibe dir aber einen
Verse: 27    
als dicke du wilt,
Verse: 28    
daz ouch du mîn frideschilt
Verse: 29    
vor dînen genôzen wellest wesen,
Verse: 30    
daz si mich lâzen genesen."
Verse: 31    
der wolf sprach: "des hilfe ich dir!
Verse: 32    
nu sage an, wie mac mir
Verse: 33    
der selbe dahs werden ?"
Verse: 34    
"er liget hie in der erden
Verse: 35    
disem wâge in einem hol.
Verse: 36    
gewinne ich dirn wol!
Verse: 37    
mich dich über schrîten
Verse: 38    
und dich dar rîten,
Verse: 39    
heize ich in her ûz treten,
Verse: 40    
des hân ich in lîhte erbeten;
Verse: 41    
ich beginne wider in jehen,
Verse: 42    
er sulle mir ditz ros besehen;
Verse: 43    
er uns danne beginnet nâhen,
Verse: 44    
solt ouch du in vâhen."
Verse: 45    
der wolf sprach: "daz tuon ich.
Verse: 46    
nu sitze ûf und rît mich!"
Verse: 47    
saz der biber ûf in.
Verse: 48    
truoc in der wolf hin
Verse: 49    
und quâmen zuo des dahses tür.
Verse: 50    
sprach er: "neve, ginc her für
Verse: 51    
durch mînen willen unde sage,
Verse: 52    
wie dir ditze ros behage:
Verse: 53    
ich gilt ez niht mitalle,
Verse: 54    
ine vernem, wie ez dir gevalle.
Verse: 55    
ich fürhte, daz ich dran verlür!"
Verse: 56    
der dahs huop sich her für
Verse: 57    
er den wolf ane sach,
Verse: 58    
entweich er wider unde sprach:
Verse: 59    
"entriuwen, neve, dirre vol
Verse: 60    
der gevellet mir harte wol!
Verse: 61    
diu brust ist im vile starc.
Verse: 62    
ich wil dir geben eine marc,
Verse: 63    
daz dun vergeltest deste baz.
Verse: 64    
rît in den wâc und mache in naz,
Verse: 65    
daz ich in rehte gesehe.
Verse: 66    
mir ist liep, daz dir wol geschehe.
Verse: 67    
hat er niht flôzgallen,
Verse: 68    
muoz er uns wol gevallen;
Verse: 69    
wil ouch ich in rennen,
Verse: 70    
ich kan in baz erkennen!"
Verse: 71    
daz dûhte den wolf guot.
Verse: 72    
in den wâc er wuot,
Verse: 73    
der was ze guoter mâze tief.
Verse: 74    
der dahs eneben im lief
Verse: 75    
durch ein dicke stûdæhe,
Verse: 76    
daz er vil wol gesæhe
Verse: 77    
sînes lieben neven rîten.
Verse: 78    
er sprach zallen zîten:
Verse: 79    
"rît in ein wênec in baz,
Verse: 80    
er ist noch niht gar naz!"
Verse: 81    
des sagte im der biber danc:
Verse: 82    
hin in den wâc er spranc
Verse: 83    
und quam hin under an den grunt
Verse: 84    
von dem wolve wol gesunt.
Verse: 85    
lief der dahs hin in sîn hol.
Verse: 86    
Ez zimt ouch noch den liuten wol:
Verse: 87    
swer sînem friunde gestât,
Verse: 88    
ez im an die rehten nôt gât,
Verse: 89    
der man friunt muoz kiesen
Verse: 90    
oder aber den lîp verliesen --
Verse: 91    
swer im hilfet genesen,
Verse: 92    
der mac vil wol sîn friunt wesen.
Verse: 93    
swer sînen tôt übersiht,
Verse: 94    
weizgot, der was sîn friunt niht.





Fable: Hofhund 
Von einem Hofhund


|P55-56
Verse: 1    
Ez was hie vor ein rîcher wirt:
Verse: 2    
swaz den gesten fröude birt,
Verse: 3    
des bôt er allez genuoc;
Verse: 4    
er schuof, swâ man sîn gewuoc,
Verse: 5    
daz er vil wol gelobet wart.
Verse: 6    
er hâte ouch einen hovewart,
Verse: 7    
der kunde wol überspringen
Verse: 8    
(des endurfte in niemen twingen!)
Verse: 9    
mite erwarp er sîn brôt:
Verse: 10    
swer im den arm dar bôt,
Verse: 11    
dar über spranc er zehant.
Verse: 12    
des wart der hunt wol erkant.
Verse: 13    
eins tages quam der geste vil,
Verse: 14    
muos er üeben sîn spil:
Verse: 15    
er spranc unz an die stunde,
Verse: 16    
daz er müeden begunde.
Verse: 17    
dône wolt er niht mêre springen.
Verse: 18    
begunde man in twingen.
Verse: 19    
in des einer betwanc,
Verse: 20    
daz er ime überspranc,
Verse: 21    
twanc in ouch ein ander.
Verse: 22    
der meisterschefte vander
Verse: 23    
vil unz er verzagete
Verse: 24    
und in vil gar versagete
Verse: 25    
und durch niemen springen wolde,
Verse: 26    
swelch nôt er drumbe dolde.
Verse: 27    
Reht alsô tuot ein milter man:
Verse: 28    
swie milte er iemer werden kan,
Verse: 29    
wil man in ze harte vâren,
Verse: 30    
in muoz diu milte swâren.
Verse: 31    
in bringet einer darzuo,
Verse: 32    
dern beide spâte unde fruo
Verse: 33    
ze gîteclîche neizen wil,
Verse: 34    
daz in dunken muoz ze vil
Verse: 35    
der gâbe und ienes gîtecheit
Verse: 36    
und im ze jungist gar verseit.
Verse: 37    
swie gerne er milte wære,
Verse: 38    
in machent die gîtegære
Verse: 39    
an guotem willen schart,
Verse: 40    
daz er tuot sam der hovewart,
Verse: 41    
den man ze springene twanc
Verse: 42    
lange, unz er durch niemen spranc.





Fable: Jagdhunde 
Hofhund und Jagdhunde


|P57-60
Verse: 1    
Ez was hie bevor ein arm man
Verse: 2    
der lützel guotes gwan,
Verse: 3    
daz er vil selten sat wart.
Verse: 4    
hâte er einen hovewart,
Verse: 5    
dem enweste er waz geben,
Verse: 6    
noch enweste wes er selbe möhte leben,
Verse: 7    
von wart der hunt swach,
Verse: 8    
daz man in kûme leben sach.
Verse: 9    
nu was ein burc nâhen :
Verse: 10    
"ich wil sehen, ob iemen ",
Verse: 11    
gedâht er, "der sich ruoch erbarmen
Verse: 12    
über mich tôt armen!"
Verse: 13    
diu burc hate einen rîchen wirt;
Verse: 14    
swaz den liuten fröude birt
Verse: 15    
des volgete im ein michel teil.
Verse: 16    
nu gehalf dem hunde sîn heil,
Verse: 17    
daz er für des wirtes tisch quam
Verse: 18    
und sîn niemen war nam
Verse: 19    
wan des wirtes hessehunde.
Verse: 20    
swelcher in an begunde
Verse: 21    
loufen als er solde
Verse: 22    
und in ûz bîzen wolde,
Verse: 23    
vor deme leit er sich dernider
Verse: 24    
und tet niht anders derwider,
Verse: 25    
wan daz er den zagel ruorte,
Verse: 26    
unz er den zorn zefuorte.
Verse: 27    
er sich alsô kunde ergeben,
Verse: 28    
von liezen si in leben,
Verse: 29    
doch begunde er in entwîchen
Verse: 30    
und al umbe slîchen;
Verse: 31    
under den benken, ez vinster was,
Verse: 32    
bejagte er, daz er wol genas.
Verse: 33    
der arm hovewart
Verse: 34    
ein wênec krefteger wart,
Verse: 35    
begunder für die tische gân,
Verse: 36    
under die hessehunde stân.
Verse: 37    
als er ein bein gevienc,
Verse: 38    
swelch hessehunt dar gienc,
Verse: 39    
dem liez erz nider vallen:
Verse: 40    
sus geschuof er mit in allen,
Verse: 41    
daz si in in verdolden.
Verse: 42    
des si niht enwolden,
Verse: 43    
daz dûhte aber in ein wirtschaft.
Verse: 44    
nu gwan er schiere solche kraft:
Verse: 45    
swaz im in den munt quam,
Verse: 46    
daz im deheiner daz ennam.
Verse: 47    
daz quam von: er werte sich.
Verse: 48    
er dûhte sich heimlich,
Verse: 49    
daz er sich satzte wider sie
Verse: 50    
und in des sînen niht enlie.
Verse: 51    
die hunde muosen dicke jagen,
Verse: 52    
daz si etewenne in siben tagen
Verse: 53    
niht enquâmen wider hein.
Verse: 54    
wurden im elliu diu bein,
Verse: 55    
diu sie alle solden ezzen:
Verse: 56    
der wart er vermezzen,
Verse: 57    
hæt in ein lewe bestân,
Verse: 58    
er wolt ez im niht vertragen hân.
Verse: 59    
die hunde danne quâmen wider,
Verse: 60    
warf er ir einen nider
Verse: 61    
vor dem tische, und aber einen,
Verse: 62    
und wolt si an den beinen
Verse: 63    
deheinen gwalt lâzen hân.
Verse: 64    
mohtens im niht widerstân,
Verse: 65    
si wârn von jagene krank,
Verse: 66    
daz er si sanfte betwanc.
Verse: 67    
von sîner frevellichen kraft
Verse: 68    
muosen si sîne meisterschaft
Verse: 69    
ze allen zîten lîden
Verse: 70    
und muosen in vermîden,
Verse: 71    
als er ein lewe wære. --
Verse: 72    
Nu gelîchet disem mære:
Verse: 73    
swâ ein gebûr ze hove gât,
Verse: 74    
der heime niene hât,
Verse: 75    
und gesmecket der süezen spîse,
Verse: 76    
gebâret er in der wîse,
Verse: 77    
als er mitalle ein schâf .
Verse: 78    
unz er in gewonet ,
Verse: 79    
daz er ze hove wirt erkant,
Verse: 80    
muoz er sich iesâ zehant
Verse: 81    
den edelen gelîchen
Verse: 82    
und wil den niht entwîchen.
Verse: 83    
beginnet er danne liegen,
Verse: 84    
beidiu lôsen unde triegen.
Verse: 85    
sîn smeichen wirt manecvalt,
Verse: 86    
daz man im bevilchet einen gwalt.
Verse: 87    
des wirt er danne hêre,
Verse: 88    
daz er die edelen iemer mêre
Verse: 89    
darnâch verdrucket, swâ er mac:
Verse: 90    
under der füezen er zem êrsten lac,
Verse: 91    
der meister wil er danne wesen
Verse: 92    
und wil die kûme lân genesen,
Verse: 93    
dar ane tuot er rehte --
Verse: 94    
alsô wil daz ungeslehte!
Verse: 95    
daz ungeslehte ist gemuot,
Verse: 96    
wirt im gewalt ode guot,
Verse: 97    
daz ez niemen behalten wil.
Verse: 98    
der selben vinde ich nu vil,
Verse: 99    
daz ir der tîvel müeze pflegen!
Verse: 100    
ichn tuon in anders dehein segen.







Fable: Ochse    
Der Ochse und die Maus


|P61-63
Verse: 1    
Ein ohse ob einer krippe stuont,
Verse: 2    
als noch dicke rinder tuont,
Verse: 3    
wolde er stân und ezzen.
Verse: 4    
quam ein mûs vermezzen,
Verse: 5    
diu beiz in vor an den munt
Verse: 6    
und floch hin wider an den grunt,
Verse: 7    
si ir niht ervorhte.
Verse: 8    
si im daz leit geworhte
Verse: 9    
und er des smerzen enpfant,
Verse: 10    
zucte er ûf zehant.
Verse: 11    
dâr nach greif er aber dâr.
Verse: 12    
des nam diu mûs guoten wâr
Verse: 13    
und beiz in aber alsam ê:
Verse: 14    
daz tet im freislîche .
Verse: 15    
wider sich selben er sprach:
Verse: 16    
"waz tuot mir disen ungemach,
Verse: 17    
daz ichs niht gesehen mac?
Verse: 18    
ez wær sîn jungister tac,
Verse: 19    
weste ich waz ez tæte!
Verse: 20    
swie grôze kraft ez hæte,
Verse: 21    
ez müese den lîp hân verlorn,
Verse: 22    
mirn geswichen danne miniu horn
Verse: 23    
od ez entrünne mir vor daz hûs!"
Verse: 24    
sprach diu wênige mûs:
Verse: 25    
"nû bin ich doch hie dir
Verse: 26    
und maht doch niht geschaden mir,
Verse: 27    
so bîze ich dich aber wol
Verse: 28    
und springe wider in mîn hol,
Verse: 29    
bin ich wol vor dir genesen.
Verse: 30    
du muost dar umbe ungâz wesen,
Verse: 31    
daz du mir træte miniu kint,
Verse: 32    
diu wâren blôz unde blint."
Verse: 33    
daz was ein freislicher zorn,
Verse: 34    
wand er was sêre gehorn,
Verse: 35    
er was starc unde grôz
Verse: 36    
und vorht deheinen sînen genôz.
Verse: 37    
swie freislich er wære,
Verse: 38    
doch leit er dise swære,
Verse: 39    
daz er ungâz muose sîn
Verse: 40    
durch ein kleinez miuselin. --
Verse: 41    
Swie starc ein man iemer ,
Verse: 42    
im dehein witze ,
Verse: 43    
des von mir gemant:
Verse: 44    
habe er deheinen viant,
Verse: 45    
den habe mâze smæhe:
Verse: 46    
er sichs niht versæhe,
Verse: 47    
füeget im der lîhte daz,
Verse: 48    
daz er im erzeiget sînen haz.
Verse: 49    
weiz er, daz er starc ist,
Verse: 50    
so gefüeget er den list,
Verse: 51    
daz ern etewâ bestât
Verse: 52    
daz ez der swache bezzer hât.
Verse: 53    
wolt diu mûs den ohsen hân
Verse: 54    
an einer wîte bestân,
Verse: 55    
êr hæte si frides wol erbeten
Verse: 56    
ode er hæte si ertreten.
Verse: 57    
bestuont si in er ir rehte was
Verse: 58    
und harte wol vor im genas.





Fable: Fliege 
Fliege und Kahlkopf


|P70-71
Verse: 1    
Ein fliege einen kalwen man
Verse: 2    
vil sêre bîzen began,
Verse: 3    
si im daz houbet blôz vant.
Verse: 4    
sluoc er dar mit sîner hant,
Verse: 5    
lie diu fliege hin gân.
Verse: 6    
als der slac was getân,
Verse: 7    
fuor diu fliege aber dar.
Verse: 8    
des nam der man vil wol war
Verse: 9    
und râmte ir vaster denne ê.
Verse: 10    
diu fliege sûmte sich niht ,
Verse: 11    
si flouc aber hin und entran.
Verse: 12    
als dicke beiz si den man,
Verse: 13    
daz ir ze jungist wart ein slac,
Verse: 14    
daz si des bîzens gar verpflac. --
Verse: 15    
Die fliegen wil ich gelîchen
Verse: 16    
dem armen, der den rîchen
Verse: 17    
wil neizen ân sîn schulde
Verse: 18    
und engert niht sîner hulde.
Verse: 19    
daz der rîche denne klaget
Verse: 20    
und ouch dem armen widersaget,
Verse: 21    
wirt er küener denne ê
Verse: 22    
und tuot im ie und .
Verse: 23    
sprichet der rîche man:
Verse: 24    
"ist daz mir sîn got gan,
Verse: 25    
ich heize in dar umbe henken!"
Verse: 26    
muoz der arme wenken
Verse: 27    
und muoz als diu fliege varn.
Verse: 28    
des enkan er ouch niht wol bewarn,
Verse: 29    
man lâge im hie unde ,
Verse: 30    
unz er ze jungist etewâ
Verse: 31    
gevangen wirt und tôt geliget,
Verse: 32    
und daz der rîche an im gesiget.
Verse: 33    
Swer als diu fliege wirbet,
Verse: 34    
der als diu fliege stirbet,
Verse: 35    
den wil ich als die fliegen klagen
Verse: 36    
diu an dem glatze wart erslagen.
Verse: 37    
daz merken die zucken
Verse: 38    
und sich ofte muozen tucken.





Fable: Hase 
Hase und Löwe


|P89
Verse: 1    
Ist der hase alsô getân,
Verse: 2    
daz er den lewen wil bestân -
Verse: 3    
daz enheize ich niht ein frümecheit,
Verse: 4    
ez ist ein gouglich arebeit!
Verse: 5    
er ist mit dem tîvel behaft,
Verse: 6    
ob er bestât solch überkraft,
Verse: 7    
er niemer mac gesigen
Verse: 8    
und âne zwîvel tôt geligen.
Verse: 9    
Swer sîne tage alsô gelebet,
Verse: 10    
daz er wider die êre strebet,
Verse: 11    
der muoz ouch wider got wesen:
Verse: 12    
swenne des sêle sul genesen,
Verse: 13    
kumet diu sêle kûmer zuo
Verse: 14    
denne der hase vor dem lewen tuo.



Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 27.11.2008. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.