[Längenzeichen ergänzt von A. H.-W.]
Fable: Hahn
Der Hahn und die Perle
|P1-3
Verse: 1 Vor einem stadele dâ man drasch,
Verse: 2 dâ gienc ein hane durch genasch
Verse: 3 und warp als er kunde.
Verse: 4 dô er scherren begunde,
Verse: 5 dô vant er in kurzer stunt
Verse: 6 einen wol getânen funt:
Verse: 7 einen schœnen mergriezen.
Verse: 8 "möht ich dîn iht geniezen",
Verse: 9 sprach er wider sich selben dô,
Verse: 10 "sô wære ich dîn harte frô.
Verse: 11 wære dir iemen zuo komen,
Verse: 12 dem du möhtest gefromen,
Verse: 13 dem wære wol mit dir geschehen.
Verse: 14 nu hân ich kürzlîche gesehen:
Verse: 15 weder ich enmac dîn
Verse: 16 niht geniezen noch du mîn.
Verse: 17 des bistu hie ze mir verlorn,
Verse: 18 ich næme für dich ein haberkorn."
Verse: 19 Der hane gelîchet einem man,
Verse: 20 der beidiu wil unde kan
Verse: 21 tumplîche werben
Verse: 22 und wænet doch niht verderben.
Verse: 23 kumt er den mergriezen ane,
Verse: 24 er lât in ligen als der hane.
Verse: 25 waz sint die mergriezen?
Verse: 26 diu wort, der wir niezen
Verse: 27 gegen gote und nâch den êren.
Verse: 28 beginnet man in lêren,
Verse: 29 wie er werben solde,
Verse: 30 ob er sich lieben wolde
Verse: 31 beidiu gote und den liuten,
Verse: 32 sô mac man imz iemer diuten,
Verse: 33 ê er sich dran iht kêre.
Verse: 34 des effet er sich sêre,
Verse: 35 der den wîsheit lêret,
Verse: 36 der sich an die rede niht kêret!
Verse: 37 swer niht wîsheit wil pflegen,
Verse: 38 fünde er si ligen an allen wegen,
Verse: 39 er möhte ir niht mê niezen
Verse: 40 denne ouch der hane des mergriezen.
Fable: Rabe
Der Rabe mit den Pfauenfedern
|P4-7
Verse: 1 Ein rabe quam an ein gras,
Verse: 2 dâ vant er daz im liep was:
Verse: 3 pfâwenvederen ein michel teil:
Verse: 4 des wart er frô unde geil.
Verse: 5 die stiez er alle ane sich,
Verse: 6 dô wart er harte wünneclich
Verse: 7 und gie, dâ er sîne gnôzen vant.
Verse: 8 zuo den sprach er zehant:
Verse: 9 "nu sehet, wie rehte schœn ich bin!
Verse: 10 ez wære ein michel unsin,
Verse: 11 daz ich mit iu solde umbe gan:
Verse: 12 ir sit so übele getan!
Verse: 13 ich sæhe iuch alle tœten,
Verse: 14 ê ich mich des liez nœten,
Verse: 15 daz ich mit iu solde sîn:
Verse: 16 dar umbe spottete man mîn!"
Verse: 17 alsus wart im dannen gâch
Verse: 18 und quam vil schiere dar nâch
Verse: 19 dâ in die pfâwen sâhen,
Verse: 20 die begunden dar gâhen.
Verse: 21 swelchiu ir vederen dâ gesach
Verse: 22 diu gie dar unde sprach:
Verse: 23 "disiu veder diu ist entriuwen mîn!
Verse: 24 sine sol niht langer bî dir sîn,
Verse: 25 weizgot, du læzest si mir!"
Verse: 26 dô zucte ir ieslich die ir,
Verse: 27 unz er wart swarz alsam ê.
Verse: 28 dô wart im zweier dinge wê:
Verse: 29 daz im die vederen warn genomen
Verse: 30 und ouch niht wider getorste komen
Verse: 31 zuo andern sînen gnôzen:
Verse: 32 er vorhte spot grôzen,
Verse: 33 den wolde er niht lîden
Verse: 34 und begunde si durch daz mîden
Verse: 35 und meit si ein vil lange zît.
Verse: 36 iedoch erbaldete er sît
Verse: 37 und gie bliuclîche dar.
Verse: 38 dô si sîn wurden gewar,
Verse: 39 si sprâchen alle: "kumest du?
Verse: 40 wâ sint dîn schœne vederen nu?"
Verse: 41 des frâgten si in alle
Verse: 42 und brâhten in sô ze schalle,
Verse: 43 daz im lieber wær geschehen,
Verse: 44 hæt er die vederen nie gesehen.
Verse: 45 Alsus tuot ein betrogen man:
Verse: 46 und kumet in ein gwalt an,
Verse: 47 sô vert er mit schalle
Verse: 48 und versmæhet die alle,
Verse: 49 den er ê was gelîch
Verse: 50 und machet sîn dinc sô hêrlîch,
Verse: 51 daz er des selbe wænen wil,
Verse: 52 daz niemen tugende habe sô vil
Verse: 53 als er habe an sich geleit,
Verse: 54 und machet mit sîner betrogenheit,
Verse: 55 wenne im der gwalt wirt benomen
Verse: 56 und er ûz dem schalle muoz komen,
Verse: 57 die in ê vil gerne sâhen,
Verse: 58 sæhen si in danne hâhen,
Verse: 59 dar umbe lobten si alle got.
Verse: 60 sô muoz er iemer ir spot
Verse: 61 lîden unz an sînen tôt.
Verse: 62 daz erholt er allez âne nôt!
Verse: 63 des ist er tump der sich sô traget,
Verse: 64 daz niemen sînen schaden klaget.
Fable: Kaefer
Der Käfer im Rosenhaus
|P8-11
Verse: 1 Ein kever der was goltvar,
Verse: 2 dô nam er eines hûses war,
Verse: 3 daz sîner schœne zæme.
Verse: 4 in dûhte, swie genæme
Verse: 5 ein hûs wesen möhte,
Verse: 6 daz er wol drinne töhte
Verse: 7 ze herren und ze wirte,
Verse: 8 wan in des niht enirte
Verse: 9 weder sîn muot noch diu zît.
Verse: 10 dô wart sîn umbesuochen wît,
Verse: 11 unz daz er eine rosen vant.
Verse: 12 dâ dûhte in schiere bekant,
Verse: 13 daz er nû funden hæte
Verse: 14 ein hûs, dâr er inne stæte
Verse: 15 vil gerne belîben solde,
Verse: 16 daz wær reht als er wolde.
Verse: 17 diu rose hâte sich ingesmogen
Verse: 18 und hâte diu bleter zuogezogen
Verse: 19 (wan si des touwes anehanc
Verse: 20 und ouch küeler abent twanc),
Verse: 21 des was si sinewel und sinhol.
Verse: 22 dô was der kever freuden vol,
Verse: 23 daz er sô wunneclich gemach
Verse: 24 nach sînem willen ie gesach.
Verse: 25 er saz mit hohem muote drin,
Verse: 26 im gie diu naht mit fröuden hin.
Verse: 27 in dûhte ê noch sît
Verse: 28 nie so süeze dehein zît
Verse: 29 als in diu naht dûhte,
Verse: 30 unz in der tac belûhte.
Verse: 31 dô diu sunne hohe quam
Verse: 32 und si den tou abe genam,
Verse: 33 dô wart ir schîn sô grôz,
Verse: 34 daz sich diu rose ûf slôz
Verse: 35 und ir bleter elliu nider hienc.
Verse: 36 dar nâch vil schiere ûf gienc
Verse: 37 ein wolken harte swinde
Verse: 38 mit einem vil starken winde,
Verse: 39 der tet der rosen manigen stôz;
Verse: 40 sîn weiben daz wart sô grôz,
Verse: 41 daz si diu bleter muose lân;
Verse: 42 er begunde ir alsô zuo gân,
Verse: 43 unz er irs elliu benam.
Verse: 44 wâr ir deheinez hin quam,
Verse: 45 des enwart der kever niht gwar:
Verse: 46 er gesaz ir aller samt bar,
Verse: 47 im enwart niuwan der blôze dorn,
Verse: 48 alsô hâte er gar verlorn
Verse: 49 den gemâch, des er dâ hâte gegert,
Verse: 50 des was er tôre vil wol wert.
Verse: 51 Als dem keveren geschach,
Verse: 52 der niht wan an die schœne sach,
Verse: 53 alsô geschiht noch einem man,
Verse: 54 der niht an wîben sehen kan
Verse: 55 wan beidiu schœne unde iugent
Verse: 56 und enwartet nie deheiner tugent.
Verse: 57 dem wirt von rehte niuwe
Verse: 58 beidiu scham und afterriuwe,
Verse: 59 swenne er sich an si verlât
Verse: 60 durch die schœne die si hât.
Verse: 61 hat si denne tugende niht
Verse: 62 wan die drie die er dâ siht:
Verse: 63 schœne, iunc und wolgeschaffen,
Verse: 64 des wirt er ze einem affen
Verse: 65 daz er dâ stæte wænet hân.
Verse: 66 sô beginnent diu wolken ûf gân:
Verse: 67 daz ist ir unstæter muot
Verse: 68 der im vil leide getuot;
Verse: 69 der beginnet denne wanken
Verse: 70 mit so valschen gedanken,
Verse: 71 daz alle ir êre vellec sint.
Verse: 72 dar nâch kumt der starke wint:
Verse: 73 diu werc, diu der gedank birt.
Verse: 74 als er mit laster inne wirt,
Verse: 75 daz er an der schœne hat verlorn
Verse: 76 und oben ûf der schanden dorn
Verse: 77 als ein tôre ist gesetzet,
Verse: 78 an êren gar geletzet,
Verse: 79 sô muoz er danne selbe jehen,
Verse: 80 daz im als dem kevern ist geschehen.
Verse: 81 Swer als der kever wirbet,
Verse: 82 ob des gewerft verdirbet,
Verse: 83 diu klage hat vil rehten tôn:
Verse: 84 toren werc und toren lôn,
Verse: 85 die stânt gefuoge einander bî.
Verse: 86 swie schœne ein bœse wîp sî,
Verse: 87 er koufet ir schœne sêre,
Verse: 88 der ir grôze unêre
Verse: 89 beidiu wîzen und lîden sol!
Verse: 90 doch gan ich einem tôren wol:
Verse: 91 swâ er in schanden wirt gesehen,
Verse: 92 dâ ist im tôren reht geschehen.
Verse: 93 ein schœne wîp ân êre,
Verse: 94 diu enhât niht lobes mêre,
Verse: 95 wan als diu schœne bluome hât,
Verse: 96 diu ûf einer grôzen kroten stât.
Fable: Wolf
Der Wolf und der Biber
|P37-40
Verse: 1 Zeinen zîten daz geschach,
Verse: 2 daz ein wolf einen biber sach
Verse: 3 eins tages in einem wâge;
Verse: 4 dem satzt er manige lâge,
Verse: 5 unz er ze jungist ûz gienc.
Verse: 6 der wolf in iesa gevienc.
Verse: 7 dô sprach der biber: "neve mîn,
Verse: 8 waz sol disiu rede sîn?"
Verse: 9 der wolf sprach mit zorne:
Verse: 10 "dâ bistu der verlorne!
Verse: 11 ich wil dich ezzen, weizgot!"
Verse: 12 der biber sprach: "ez ist dîn spot."
Verse: 13 er sprach: "des wirstu wol gewar!"
Verse: 14 dô wart der biber riuwevar.
Verse: 15 er sprach: "herr neve, daz verbir
Verse: 16 unde ginc dan mit mir:
Verse: 17 ich wil dir einen dahs geben.
Verse: 18 soltu tûsent jâr leben,
Verse: 19 du muost mirs iemer danc sagen.
Verse: 20 dun darft in vierzehen tagen
Verse: 21 niemer komen von einer stat,
Verse: 22 wan du bist zallen zîten sat.
Verse: 23 der ist dir nützer denne ich!
Verse: 24 deiswâr, unde wil du mich
Verse: 25 mit rehten triuwen meinen,
Verse: 26 ich gibe dir aber einen
Verse: 27 als dicke sô du wilt,
Verse: 28 daz ouch du mîn frideschilt
Verse: 29 vor dînen genôzen wellest wesen,
Verse: 30 daz si mich lâzen genesen."
Verse: 31 der wolf sprach: "des hilfe ich dir!
Verse: 32 nu sage an, wie mac mir
Verse: 33 der selbe dahs werden ?"
Verse: 34 "er liget hie in der erden
Verse: 35 bî disem wâge in einem hol.
Verse: 36 dâ gewinne ich dirn wol!
Verse: 37 lâ mich dich über schrîten
Verse: 38 und lâ dich dar rîten,
Verse: 39 sô heize ich in her ûz treten,
Verse: 40 des hân ich in lîhte erbeten;
Verse: 41 ich beginne wider in jehen,
Verse: 42 er sulle mir ditz ros besehen;
Verse: 43 sô er uns danne beginnet nâhen,
Verse: 44 sô solt ouch du in vâhen."
Verse: 45 der wolf sprach: "daz tuon ich.
Verse: 46 nu sitze ûf und rît mich!"
Verse: 47 dô saz der biber ûf in.
Verse: 48 dô truoc in der wolf hin
Verse: 49 und quâmen zuo des dahses tür.
Verse: 50 dô sprach er: "neve, ginc her für
Verse: 51 durch mînen willen unde sage,
Verse: 52 wie dir ditze ros behage:
Verse: 53 ich gilt ez niht mitalle,
Verse: 54 ine vernem, wie ez dir gevalle.
Verse: 55 ich fürhte, daz ich dran verlür!"
Verse: 56 der dahs huop sich her für
Verse: 57 dâ er den wolf ane sach,
Verse: 58 dô entweich er wider unde sprach:
Verse: 59 "entriuwen, neve, dirre vol
Verse: 60 der gevellet mir harte wol!
Verse: 61 diu brust ist im vile starc.
Verse: 62 ich wil dir geben eine marc,
Verse: 63 daz dun vergeltest deste baz.
Verse: 64 rît in den wâc und mache in naz,
Verse: 65 daz ich in rehte gesehe.
Verse: 66 mir ist liep, daz dir wol geschehe.
Verse: 67 hat er niht flôzgallen,
Verse: 68 sô muoz er uns wol gevallen;
Verse: 69 sô wil ouch ich in rennen,
Verse: 70 ich kan in baz erkennen!"
Verse: 71 daz dûhte den wolf guot.
Verse: 72 in den wâc er dô wuot,
Verse: 73 der was ze guoter mâze tief.
Verse: 74 der dahs eneben im lief
Verse: 75 durch ein dicke stûdæhe,
Verse: 76 daz er vil wol gesæhe
Verse: 77 sînes lieben neven rîten.
Verse: 78 er sprach zallen zîten:
Verse: 79 "rît in ein wênec in baz,
Verse: 80 er ist noch niht gar naz!"
Verse: 81 des sagte im der biber danc:
Verse: 82 hin in den wâc er dô spranc
Verse: 83 und quam hin under an den grunt
Verse: 84 von dem wolve wol gesunt.
Verse: 85 dô lief der dahs hin in sîn hol.
Verse: 86 Ez zimt ouch noch den liuten wol:
Verse: 87 swer sînem friunde bî gestât,
Verse: 88 sô ez im an die rehten nôt gât,
Verse: 89 sô der man friunt muoz kiesen
Verse: 90 oder aber den lîp verliesen --
Verse: 91 swer im dâ hilfet genesen,
Verse: 92 der mac vil wol sîn friunt wesen.
Verse: 93 swer sînen tôt übersiht,
Verse: 94 weizgot, der was sîn friunt niht.
Fable: Hofhund
Von einem Hofhund
|P55-56
Verse: 1 Ez was hie vor ein rîcher wirt:
Verse: 2 swaz den gesten fröude birt,
Verse: 3 des bôt er allez genuoc;
Verse: 4 er schuof, swâ man sîn gewuoc,
Verse: 5 daz er vil wol gelobet wart.
Verse: 6 er hâte ouch einen hovewart,
Verse: 7 der kunde wol überspringen
Verse: 8 (des endurfte in niemen twingen!)
Verse: 9 dâ mite erwarp er sîn brôt:
Verse: 10 swer im den arm dar bôt,
Verse: 11 dar über spranc er sâ zehant.
Verse: 12 des wart der hunt wol erkant.
Verse: 13 eins tages quam der geste vil,
Verse: 14 dô muos er üeben sîn spil:
Verse: 15 er spranc unz an die stunde,
Verse: 16 daz er müeden begunde.
Verse: 17 dône wolt er niht mêre springen.
Verse: 18 dô begunde man in twingen.
Verse: 19 dô in des einer betwanc,
Verse: 20 daz er ime überspranc,
Verse: 21 dô twanc in ouch ein ander.
Verse: 22 der meisterschefte vander
Verse: 23 sô vil unz er verzagete
Verse: 24 und in vil gar versagete
Verse: 25 und durch niemen springen wolde,
Verse: 26 swelch nôt er drumbe dolde.
Verse: 27 Reht alsô tuot ein milter man:
Verse: 28 swie milte er iemer werden kan,
Verse: 29 wil man in ze harte vâren,
Verse: 30 in muoz diu milte swâren.
Verse: 31 in bringet einer darzuo,
Verse: 32 dern beide spâte unde fruo
Verse: 33 ze gîteclîche neizen wil,
Verse: 34 daz in dunken muoz ze vil
Verse: 35 der gâbe und ienes gîtecheit
Verse: 36 und im ze jungist gar verseit.
Verse: 37 swie gerne er milte wære,
Verse: 38 in machent die gîtegære
Verse: 39 an guotem willen sô schart,
Verse: 40 daz er tuot sam der hovewart,
Verse: 41 den man ze springene twanc
Verse: 42 sô lange, unz er durch niemen spranc.
Fable: Jagdhunde
Hofhund und Jagdhunde
|P57-60
Verse: 1 Ez was hie bevor ein arm man
Verse: 2 der sô lützel guotes gwan,
Verse: 3 daz er vil selten sat wart.
Verse: 4 dô hâte er einen hovewart,
Verse: 5 dem enweste er waz geben,
Verse: 6 noch enweste wes er selbe möhte leben,
Verse: 7 dâ von sô wart der hunt sô swach,
Verse: 8 daz man in kûme leben sach.
Verse: 9 nu was ein burc dâ nâhen bî:
Verse: 10 "ich wil sehen, ob dâ iemen sî",
Verse: 11 gedâht er, "der sich ruoch erbarmen
Verse: 12 über mich tôt armen!"
Verse: 13 diu burc hate einen rîchen wirt;
Verse: 14 swaz den liuten fröude birt
Verse: 15 des volgete im ein michel teil.
Verse: 16 nu gehalf dem hunde sîn heil,
Verse: 17 daz er für des wirtes tisch quam
Verse: 18 und sîn dâ niemen war nam
Verse: 19 wan des wirtes hessehunde.
Verse: 20 swelcher in an begunde
Verse: 21 loufen als er solde
Verse: 22 und in ûz bîzen wolde,
Verse: 23 vor deme leit er sich dernider
Verse: 24 und tet niht anders derwider,
Verse: 25 wan daz er den zagel ruorte,
Verse: 26 unz er den zorn zefuorte.
Verse: 27 dô er sich alsô kunde ergeben,
Verse: 28 dâ von liezen si in leben,
Verse: 29 doch begunde er in entwîchen
Verse: 30 und al umbe slîchen;
Verse: 31 under den benken, dâ ez vinster was,
Verse: 32 dâ bejagte er, daz er wol genas.
Verse: 33 dô der arm hovewart
Verse: 34 ein wênec krefteger wart,
Verse: 35 dô begunder für die tische gân,
Verse: 36 under die hessehunde stân.
Verse: 37 als er ein bein dâ gevienc,
Verse: 38 swelch hessehunt dar gienc,
Verse: 39 dem liez erz nider vallen:
Verse: 40 sus geschuof er mit in allen,
Verse: 41 daz si in bî in verdolden.
Verse: 42 des si dâ niht enwolden,
Verse: 43 daz dûhte aber in ein wirtschaft.
Verse: 44 nu gwan er schiere solche kraft:
Verse: 45 swaz im in den munt quam,
Verse: 46 daz im deheiner daz ennam.
Verse: 47 daz quam dâ von: er werte sich.
Verse: 48 er dûhte sich sô heimlich,
Verse: 49 daz er sich satzte wider sie
Verse: 50 und in des sînen niht enlie.
Verse: 51 die hunde muosen dicke jagen,
Verse: 52 daz si etewenne in siben tagen
Verse: 53 niht enquâmen wider hein.
Verse: 54 sô wurden im elliu diu bein,
Verse: 55 diu sie alle solden ezzen:
Verse: 56 der wart er sô vermezzen,
Verse: 57 hæt in ein lewe bestân,
Verse: 58 er wolt ez im niht vertragen hân.
Verse: 59 sô die hunde danne quâmen wider,
Verse: 60 sô warf er ir einen nider
Verse: 61 vor dem tische, und aber einen,
Verse: 62 und wolt si an den beinen
Verse: 63 deheinen gwalt lâzen hân.
Verse: 64 dô mohtens im niht widerstân,
Verse: 65 si wârn von jagene sô krank,
Verse: 66 daz er si sanfte betwanc.
Verse: 67 von sîner frevellichen kraft
Verse: 68 muosen si sîne meisterschaft
Verse: 69 ze allen zîten lîden
Verse: 70 und muosen in vermîden,
Verse: 71 als er ein lewe wære. --
Verse: 72 Nu gelîchet disem mære:
Verse: 73 swâ ein gebûr ze hove gât,
Verse: 74 der dâ heime niene hât,
Verse: 75 und gesmecket der süezen spîse,
Verse: 76 sô gebâret er in der wîse,
Verse: 77 als er mitalle ein schâf sî.
Verse: 78 unz er in gewonet bî,
Verse: 79 daz er ze hove wirt erkant,
Verse: 80 sô muoz er sich iesâ zehant
Verse: 81 den edelen gelîchen
Verse: 82 und wil den niht entwîchen.
Verse: 83 sô beginnet er danne liegen,
Verse: 84 beidiu lôsen unde triegen.
Verse: 85 sîn smeichen wirt sô manecvalt,
Verse: 86 daz man im bevilchet einen gwalt.
Verse: 87 des wirt er danne sô hêre,
Verse: 88 daz er die edelen iemer mêre
Verse: 89 darnâch verdrucket, swâ er mac:
Verse: 90 under der füezen er zem êrsten lac,
Verse: 91 der meister wil er danne wesen
Verse: 92 und wil die kûme lân genesen,
Verse: 93 dar ane tuot er rehte --
Verse: 94 alsô wil daz ungeslehte!
Verse: 95 daz ungeslehte ist sô gemuot,
Verse: 96 wirt im gewalt ode guot,
Verse: 97 daz ez niemen behalten wil.
Verse: 98 der selben vinde ich nu sô vil,
Verse: 99 daz ir der tîvel müeze pflegen!
Verse: 100 ichn tuon in anders dehein segen.
Fable: Ochse
Der Ochse und die Maus
|P61-63
Verse: 1 Ein ohse ob einer krippe stuont,
Verse: 2 als noch dicke rinder tuont,
Verse: 3 dâ wolde er stân und ezzen.
Verse: 4 dô quam ein mûs vermezzen,
Verse: 5 diu beiz in vor an den munt
Verse: 6 und floch hin wider an den grunt,
Verse: 7 dâ si ir niht ervorhte.
Verse: 8 dô si im daz leit geworhte
Verse: 9 und er des smerzen enpfant,
Verse: 10 dô zucte er ûf sâ zehant.
Verse: 11 dâr nach greif er aber dâr.
Verse: 12 des nam diu mûs guoten wâr
Verse: 13 und beiz in aber alsam ê:
Verse: 14 daz tet im freislîche wê.
Verse: 15 wider sich selben er dô sprach:
Verse: 16 "waz tuot mir disen ungemach,
Verse: 17 daz ichs niht gesehen mac?
Verse: 18 ez wær sîn jungister tac,
Verse: 19 weste ich waz ez tæte!
Verse: 20 swie grôze kraft ez hæte,
Verse: 21 ez müese den lîp hân verlorn,
Verse: 22 mirn geswichen danne miniu horn
Verse: 23 od ez entrünne mir vor daz hûs!"
Verse: 24 dô sprach diu wênige mûs:
Verse: 25 "nû bin ich doch hie bî dir
Verse: 26 und maht doch niht geschaden mir,
Verse: 27 so bîze ich dich aber wol
Verse: 28 und springe wider in mîn hol,
Verse: 29 dâ bin ich wol vor dir genesen.
Verse: 30 du muost dar umbe ungâz wesen,
Verse: 31 daz du mir træte miniu kint,
Verse: 32 diu wâren blôz unde blint."
Verse: 33 daz was ein freislicher zorn,
Verse: 34 wand er was sêre gehorn,
Verse: 35 er was starc unde grôz
Verse: 36 und vorht deheinen sînen genôz.
Verse: 37 swie freislich er nû wære,
Verse: 38 doch leit er dise swære,
Verse: 39 daz er ungâz muose sîn
Verse: 40 durch ein kleinez miuselin. --
Verse: 41 Swie starc ein man iemer sî,
Verse: 42 sî im dehein witze bî,
Verse: 43 sô sî des von mir gemant:
Verse: 44 habe er deheinen viant,
Verse: 45 den habe mâze smæhe:
Verse: 46 dâ er sichs niht versæhe,
Verse: 47 dâ füeget im der lîhte daz,
Verse: 48 daz er im erzeiget sînen haz.
Verse: 49 weiz er, daz er starc ist,
Verse: 50 so gefüeget er den list,
Verse: 51 daz ern etewâ bestât
Verse: 52 daz ez der swache bezzer hât.
Verse: 53 wolt diu mûs den ohsen hân
Verse: 54 an einer wîte bestân,
Verse: 55 êr hæte si frides wol erbeten
Verse: 56 ode er hæte si ertreten.
Verse: 57 dô bestuont si in dâ er ir rehte was
Verse: 58 und harte wol vor im genas.
Fable: Fliege
Fliege und Kahlkopf
|P70-71
Verse: 1 Ein fliege einen kalwen man
Verse: 2 vil sêre bîzen began,
Verse: 3 dâ si im daz houbet blôz vant.
Verse: 4 dô sluoc er dar mit sîner hant,
Verse: 5 dô lie diu fliege hin gân.
Verse: 6 als der slac was getân,
Verse: 7 dô fuor diu fliege aber dar.
Verse: 8 des nam der man vil wol war
Verse: 9 und râmte ir vaster denne ê.
Verse: 10 diu fliege sûmte sich niht mê,
Verse: 11 si flouc aber hin und entran.
Verse: 12 als dicke beiz si den man,
Verse: 13 daz ir ze jungist wart ein slac,
Verse: 14 daz si des bîzens gar verpflac. --
Verse: 15 Die fliegen wil ich gelîchen
Verse: 16 dem armen, der den rîchen
Verse: 17 wil neizen ân sîn schulde
Verse: 18 und engert niht sîner hulde.
Verse: 19 sô daz der rîche denne klaget
Verse: 20 und ouch dem armen widersaget,
Verse: 21 sô wirt er küener denne ê
Verse: 22 und tuot im ie mê und mê.
Verse: 23 sô sprichet der rîche man:
Verse: 24 "ist daz mir sîn got gan,
Verse: 25 ich heize in dar umbe henken!"
Verse: 26 sô muoz der arme wenken
Verse: 27 und muoz als diu fliege varn.
Verse: 28 des enkan er ouch niht wol bewarn,
Verse: 29 man lâge im hie unde dâ,
Verse: 30 unz er ze jungist etewâ
Verse: 31 gevangen wirt und tôt geliget,
Verse: 32 und daz der rîche an im gesiget.
Verse: 33 Swer als diu fliege wirbet,
Verse: 34 sô der als diu fliege stirbet,
Verse: 35 den wil ich als die fliegen klagen
Verse: 36 diu an dem glatze wart erslagen.
Verse: 37 daz merken die dâ zucken
Verse: 38 und sich ofte muozen tucken.
Fable: Hase
Hase und Löwe
|P89
Verse: 1 Ist der hase alsô getân,
Verse: 2 daz er den lewen wil bestân -
Verse: 3 daz enheize ich niht ein frümecheit,
Verse: 4 ez ist ein gouglich arebeit!
Verse: 5 er ist mit dem tîvel behaft,
Verse: 6 ob er bestât solch überkraft,
Verse: 7 dâ er niemer mac gesigen
Verse: 8 und âne zwîvel tôt geligen.
Verse: 9 Swer sîne tage alsô gelebet,
Verse: 10 daz er wider die êre strebet,
Verse: 11 der muoz ouch wider got wesen:
Verse: 12 swenne des sêle sul genesen,
Verse: 13 dâ kumet diu sêle kûmer zuo
Verse: 14 denne der hase vor dem lewen tuo.
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Frankfurt a/M, 27.11.2008.
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