TITUS
Author: Gottfr. 
Gottfried von Straßburg
Book: Trist. 
Tristan


On the basis of the edition by
Rüdiger Krohn,
Stuttgart 1980

entered by Thorsten Parchent
and edited by Ralf Schlechtweg-Jahn,
Bayreuth 1999;
TITUS version by Ralf Schlechtweg-Jahn and Jost Gippert
Bayreuth, 2.12.1999 / Frankfurt, 2.3.2003




Chapter: 1 
1: Prolog


Verse: 1    Gedaehte mans ze guote niht,
Verse: 2    
von dem der werlde guot geschiht,

Verse: 3    
waere ez allez alse niht,
Verse: 4    
swaz guotes in der werlde geschiht.

Verse: 5    
Der guote man swaz der in guot
Verse: 6    
und niwan der werlt ze guote tuot,

Verse: 7    
swer daz iht anders wan in guot
Verse: 8    
vernemen wil, der missetuot.

Verse: 9    
Ich hoere es velschen harte vil,
Verse: 10    
daz man doch gerne haben wil:

Verse: 11    
ist des lützelen ze vil,
Verse: 12    
wil man, des man niene wil.

Verse: 13    
Ez zimet dem man ze lobene wol,
Verse: 14    
des er iedoch bedürfen sol,

Verse: 15    
und lâze ez ime gevallen wol,
Verse: 16    
die wîle ez ime gevallen sol.

Verse: 17    
Tiure unde wert ist mir der man,
Verse: 18    
der guot und übel betrahten kan,

Verse: 19    
der mich und iegelîchen man
Verse: 20    
nâch sînem werde erkennen kan.

Verse: 21    
Êre unde lop diu schepfent list,
Verse: 22    
list ze lobe geschaffen ist:

Verse: 23    
swâ er mit lobe geblüemet ist,
Verse: 24    
blüejet aller slahte list.

Verse: 25    
Rehte als daz dinc z' unruoche gât,
Verse: 26    
daz lobes noch êre niene hât,

Verse: 27    
als liebet daz, daz êre hât
Verse: 28    
und sînes lobes niht irre gât.

Verse: 29    
Ir ist vil, die des nu pflegent,
Verse: 30    
daz si daz guote z' übele wegent,

Verse: 31    
daz übel wider ze guote wegent:
Verse: 32    
die pflegent niht, si widerpflegent.

Verse: 33    
Cunst unde nâhe sehender sin
Verse: 34    
swie wol diu schînen under in,

Verse: 35    
geherberget nît zuo z' in,
Verse: 36    
er leschet kunst unde sin.

Verse: 37    
Hei tugent, wie smal sint dîne stege,
Verse: 38    
wie kumberlîch sint dîne wege!

Verse: 39    
die dîne stege, die dîne wege,
Verse: 40    
wol ime, der si wege unde stege!

Verse: 41    
Trîbe ich die zît vergebene hin,
Verse: 42    
zîtic ich ze lebene bin,

Verse: 43    
sône var ich in der werlt sus hin
Verse: 44    
niht gewerldet, alse ich bin.

Verse: 45    
Ich hân mir eine unmüezekeit
Verse: 46    
der werlt ze liebe vür geleit

Verse: 47    
und edelen herzen z' einer hage,
Verse: 48    
den herzen, den ich herze trage,

Verse: 49    
der werlde, in die mîn herze siht.
Verse: 50    
ine meine ir aller werlde niht

Verse: 51    
als die, von der ich hoere sagen,
Verse: 52    
diu keine swaere enmüge getragen

Verse: 53    
und niwan in vröuden welle sweben.
Verse: 54    
die lâze ouch got mit vröuden leben!

Verse: 55    
Der werlde und diseme lebene
Verse: 56    
enkumt mîn rede niht ebene.

Verse: 57    
ir leben und mînez zweient sich.
Verse: 58    
ein ander werlt die meine ich,

Verse: 59    
diu samet in eime herzen treit
Verse: 60    
ir süeze sûr, ir liebez leit,

Verse: 61    
ir herzeliep, ir senede nôt,
Verse: 62    
ir liebez leben, ir leiden tôt,

Verse: 63    
ir lieben tôt, ir leidez leben.
Verse: 64    
dem lebene mîn leben ergeben,

Verse: 65    
der werlt wil ich gewerldet wesen,
Verse: 66    
mit ir verderben oder genesen.

Verse: 67    
ich bin mit ir biz her beliben
Verse: 68    
und hân mit ir die tage vertriben,

Verse: 69    
die mir ûf nâhe gêndem leben
Verse: 70    
lêre unde geleite solten geben:

Verse: 71    
der hân ich mîne unmüezekeit
Verse: 72    
ze kurzewîle vür geleit,

Verse: 73    
daz mit mînem maere
Verse: 74    
ir nâhe gênde swaere

Verse: 75    
ze halber senfte bringe,
Verse: 76    
ir nôt mite geringe.

Verse: 77    
wan swer des iht vor ougen hât,
Verse: 78    
mite der muot z' unmuoze gât,

Verse: 79    
daz entsorget sorgehaften muot,
Verse: 80    
daz ist ze herzesorgen guot.

Verse: 81    
ir aller volge diu ist dar an :
Verse: 82    
swâ der müezege man

Verse: 83    
mit senedem schaden überladen,
Verse: 84    
mêre muoze seneden schaden.

Verse: 85    
senedem leide müezekeit,
Verse: 86    
wahset iemer senede leit.

Verse: 87    
durch daz ist guot, swer herzeclage
Verse: 88    
und senede nôt ze herzen trage,

Verse: 89    
daz er mit allem ruoche
Verse: 90    
dem lîbe unmuoze suoche.

Verse: 91    
mite müezeget der muot
Verse: 92    
und ist dem muote ein michel guot;

Verse: 93    
und gerâte ich niemer doch dar an,
Verse: 94    
daz iemer liebe gernde man

Verse: 95    
dekeine solhe unmuoze im neme,
Verse: 96    
diu reiner liebe missezeme:

Verse: 97    
ein senelîchez maere
Verse: 98    
daz trîbe ein senedaere

Verse: 99    
mit herzen und mit munde
Verse: 100    
und senfte die stunde.

Verse: 101    
ist aber einer jehe ze vil,
Verse: 102    
der ich vil nâch gevolgen wil:

Verse: 103    
der senede muot der ie
Verse: 104    
mit seneden maeren umbe ,

Verse: 105    
sîner swaere ie mêre .
Verse: 106    
der selben jehe der stüende ich ,

Verse: 107    
wan ein dinc, daz mir widerstât:
Verse: 108    
swer inneclîche liebe hât,

Verse: 109    
doch ez im von herzen tuo,
Verse: 110    
daz herze stêt doch ie dar zuo.

Verse: 111    
der inneclîche minnen muot,
Verse: 112    
der in sîner senegluot

Verse: 113    
ie mêre und mêre brinnet,
Verse: 114    
er ie sêrer minnet.

Verse: 115    
diz leit ist liebes alse vol,
Verse: 116    
daz übel daz tuot herzewol,

Verse: 117    
daz es kein edele herze enbirt,
Verse: 118    
sît ez hie von geherzet wirt.

Verse: 119    
ich weiz es wârez alse den tôt
Verse: 120    
und erkenne ez der selben nôt:

Verse: 121    
der edele senedaere
Verse: 122    
der minnet senediu maere.

Verse: 123    
von diu swer seneder maere ger,
Verse: 124    
der envar niht verrer danne her.

Verse: 125    
ich wil in wol bemaeren
Verse: 126    
von edelen senedaeren,

Verse: 127    
die reiner sene wol tâten schîn:
Verse: 128    
ein senedaere unde ein senedaerîn,

Verse: 129    
ein man ein wîp, ein wîp ein man,
Verse: 130    
Tristan Isolt, Isolt Tristan.

Verse: 131    
Ich weiz wol, ir ist vil gewesen,
Verse: 132    
die von Tristande hânt gelesen;

Verse: 133    
und ist ir doch niht vil gewesen,
Verse: 134    
die von im rehte haben gelesen.

Verse: 135    
Tuon aber ich diu gelîche nuo
Verse: 136    
und schepfe mîniu wort dar zuo,

Verse: 137    
daz mir ir iegelîches sage
Verse: 138    
von disem maere missehage,

Verse: 139    
so wirbe ich anders, danne ich sol.
Verse: 140    
ich entuon es niht: sprâchen wol

Verse: 141    
und niwan ûz edelem muote
Verse: 142    
mir unde der werlt ze guote.

Verse: 143    
binamen si tâten ez in guot.
Verse: 144    
und swaz der man in guot getuot,

Verse: 145    
daz ist ouch guot und wol getân.
Verse: 146    
aber als ich gesprochen hân,

Verse: 147    
daz niht rehte haben gelesen,
Verse: 148    
daz ist, als ich iu sage, gewesen:

Verse: 149    
sîne sprâchen in der rihte niht,
Verse: 150    
als Thômas von Britanje giht,

Verse: 151    
der âventiure meister was
Verse: 152    
und an britûnschen buochen las

Verse: 153    
aller der lanthêrren leben
Verse: 154    
und ez uns ze künde hât gegeben.

Verse: 155    
Als der von Tristande seit,
Verse: 156    
die rihte und die wârheit

Verse: 157    
begunde ich sêre suochen
Verse: 158    
in beider hande buochen

Verse: 159    
walschen und latînen
Verse: 160    
und begunde mich des pînen,

Verse: 161    
daz ich in sîner rihte
Verse: 162    
rihte dise tihte.

Verse: 163    
sus treip ich manege suoche,
Verse: 164    
unz ich an eime buoche

Verse: 165    
alle sîne jehe gelas,
Verse: 166    
wie dirre âventiure was.

Verse: 167    
waz aber mîn lesen waere
Verse: 168    
von disem senemaere,

Verse: 169    
daz lege ich mîner willekür
Verse: 170    
allen edelen herzen vür,

Verse: 171    
daz mite unmüezic wesen.
Verse: 172    
ez ist in sêre guot gelesen.

Verse: 173    
guot? , inneclîche guot.
Verse: 174    
ez liebet liebe und edelet muot,

Verse: 175    
ez staetet triuwe und tugendet leben,
Verse: 176    
ez kan wol lebene tugende geben;

Verse: 177    
wan swâ man hoeret oder list,
Verse: 178    
daz von reinen triuwen ist,

Verse: 179    
liebent dem getriuwen man
Verse: 180    
triuwe und ander tugende van:

Verse: 181    
liebe, triuwe, staeter muot,
Verse: 182    
êre und ander manic guot,

Verse: 183    
daz geliebet niemer anderswâ
Verse: 184    
sêre noch wol ,

Verse: 185    
man von herzeliebe saget
Verse: 186    
und herzeleit ûz liebe claget.

Verse: 187    
liebe ist ein alsô saelic dinc,
Verse: 188    
ein alsô saeleclîch gerinc,

Verse: 189    
daz nieman âne ir lêre
Verse: 190    
noch tugende hât noch êre.

Verse: 191    
manec wert leben, liebe vrumet,
Verse: 192    
vil tugende von ir kumet,

Verse: 193    
owê daz allez, daz der lebet,
Verse: 194    
nâch herzeliebe niene strebet,

Verse: 195    
daz ich lützel vinde der,
Verse: 196    
die lûterlîche herzeger

Verse: 197    
durch vriunt ze herzen wellen tragen
Verse: 198    
niwan durch daz vil arme clagen,

Verse: 199    
daz hie z' etelîcher zît
Verse: 200    
verborgen in dem herzen lît!

Verse: 201    
War umbe enlite ein edeler muot
Verse: 202    
niht gerne ein übel durch tûsent guot,

Verse: 203    
durch manege vröude ein ungemach?
Verse: 204    
swem nie von liebe leit geschach,

Verse: 205    
dem geschach ouch liep von liebe nie.
Verse: 206    
liep unde leit diu wâren ie

Verse: 207    
an minnen ungescheiden.
Verse: 208    
man muoz mit disen beiden

Verse: 209    
êre unde lop erwerben
Verse: 210    
oder âne verderben.

Verse: 211    
von den diz senemaere seit,
Verse: 212    
und haeten die durch liebe leit,

Verse: 213    
durch herzewunne senedez clagen
Verse: 214    
in einem herzen niht getragen,

Verse: 215    
sone waere ir name und ir geschiht
Verse: 216    
manegem edelen herzen niht

Verse: 217    
ze saelden noch ze liebe komen.
Verse: 218    
uns ist noch hiute liep vernomen,

Verse: 219    
süeze und iemer niuwe
Verse: 220    
ir inneclîchiu triuwe

Verse: 221    
ir liep, ir leit, ir wunne, ir nôt;
Verse: 222    
al eine und sîn si lange tôt,

Verse: 223    
ir süezer name der lebet iedoch
Verse: 224    
und sol ir tôt der werlde noch

Verse: 225    
ze guote lange und iemer leben,
Verse: 226    
den triuwe gernden triuwe geben,

Verse: 227    
den êre gernden êre:
Verse: 228    
ir tôt muoz iemer mêre

Verse: 229    
uns lebenden leben und niuwe wesen;
Verse: 230    
wan swâ man noch hoeret lesen

Verse: 231    
ir triuwe, ir triuwen reinekeit,
Verse: 232    
ir herzeliep, ir herzeleit,

Verse: 233    
Deist aller edelen herzen brôt.
Verse: 234    
hie mite lebet ir beider tôt.

Verse: 235    
wir lesen ir leben, wir lesen ir tôt
Verse: 236    
und ist uns daz süeze alse brôt.

Verse: 237    
Ir leben, ir tôt sint unser brôt.
Verse: 238    
sus lebet ir leben, sus lebet ir tôt.

Verse: 239    
sus lebent si noch und sint doch tôt
Verse: 240    
und ist ir tôt der lebenden brôt.

Verse: 241    
Und swer nu ger, daz man im sage
Verse: 242    
ir leben, ir tôt, ir vröude, ir clage,

Verse: 243    
der biete herze und ôren her:
Verse: 244    
er vindet alle sîne ger.





Next part



This text is part of the TITUS edition of Gottfried von Strassburg, Tristan.

Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 6.5.2019. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.