TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 92
Chapter / Strophe: 5
5
Line: 5
Line: 6
VON DEM MORGENSTERN.
Line: 7
Der fünft planêt haizt Venus ze latein und haizt ze
Line: 8
däutsch der morgenstern, wenn er des morgens aufgêt
Line: 9
vor der sunnen, oder haizt der mettenstern dar umb, daz
Line: 10
er ze mettenzeit gar mit klârem lieht durch die wolken 10
Line: 11
her prehet. er haizt auch der âbentstern, wenne er des
Line: 12
âbendes auf gêt nâch der sunnen underganch, und haizt
Line: 13
auch dann der tierstern, dar umb, daz diu wilden tier
Line: 14
dann her für gênt auz den wälden und auz den hölrn
Line: 15
und ir waid dann suochent, diu des tages niht her für ge\torsten. 15
Line: 16
er haizt auch der minnenstern dar umb, daz er
Line: 17
seineu kint, ez sei fraw oder man, minnenzæm macht, und
Line: 18
dar umb haizent die hofierer der minnen götinne Venus.
Line: 19
daz ist des êrsten von dem stern genommen. dar umb
Line: 20
spricht manger: Venus, hilf auz! der niht waiz, waz Venus 20
Line: 21
ist. er haizt auch ze latein Lucifer, daz ist ze däutsch
Line: 22
liehttrager, dar umb, daz er ain minnecleichez lieht
Line: 23
pringt, daz ain iegleich herz gefräwet, daz in eben an
Line: 24
siht. der stern volpringt seinen lauf in dreinhundert
Line: 25
tagen und in ahtundvierzig tagen, vil nâch geleich der 25
Line: 26
sunnen. der stern hât aht edel aigenchait. diu êrst ist,
Line: 27
daz er ain schœn lieht tregt. diu ander, daz er taw
Line: 28
pringt. diu dritt, daz er von seinem schœnen lieht der
Line: 29
menschen herz gefräwet, die in an sehent. diu vierd ist,
Line: 30
daz er wacht, daz ist, daz er wachend macht und die 30
Line: 31
läut aufstênt gegen dem tag. diu fünft ist, daz er zim\leich
Line: 32
ist und lustig an ze sehen. diu sehst ist, daz er
Line: 33
vor der sunnen aufgêt des morgens. diu sibent ist, daz
Line: 34
er dem mônen volgt in seinem scheingeprechen, wenn der
Page: 63 Line: 1
môn von der sunnen hindan kümpt für den morgenstern.
Line: 2
diu aht ist, daz er in dem winter scheint und in dem
Line: 3
sumer niht scheint des morgens. Pei dem morgenstern
Line: 4
verstên wir ainen iegleichen hailigen lêrer, der den läuten
Line: 5
daz gotswort vorsagt und dar nâch würket und lebt. der 5
Line: 6
hât die aht aigenchait an im. des êrsten tregt er ain
Line: 7
schœn lieht, dar umb spricht unser herre zuo seinen
Line: 8
zwelfboten und allen seinen jungern: ir seit ain lieht
Line: 9
der werlt, und spricht auch zuo in: ewer werk diu sülnt
Line: 10
scheinen, und mêr spricht er: prinnend läuhter sülnt sein 10
Line: 11
in ewern henden. dar umb sint die hailigen lêrer läuh\tend
Line: 12
an in selber mit allen tugenden. diu ander aigen\chait
Line: 13
ist, daz si taw pringent mit dem hailigen gotswort,
Line: 14
daz tawet in die andæhtigen herzen und pringt dar inne
Line: 15
pluomen und früht der êwigen sælichait. dar umb spricht 15
Line: 16
sanctus Gregorius: daz vinster wazzer in den wolken des
Line: 17
luftes ist diu vinster kunst in den sprüchen der weissagen.
Line: 18
diu dritt aigenchait ist, daz die hailigen lêrer mit irm
Line: 19
schœnem lieht, daz ist mit irm rainen leumund und mit
Line: 20
irm êrhaften wandel frô machent den, der dâ sitzet in der 20
Line: 21
vinster der sünden und der tôrhait. diu vierd ist, daz si
Line: 22
wachent alle stunt gegen gotes vorht. dar umb spricht
Line: 23
unser herre: sælig ist der kneht, den sein herre wachend
Line: 24
vindet, wenn er zuo ime kümpt. diu fünft ist, daz er
Line: 25
lustig ist an ze sehen ain iegleich hailiger lêrer von 25
Line: 26
menschleicher vernunft, wann er plüet herzecleichen
Line: 27
schôn in tugenden und in werken reht als ain wolgeladen
Line: 28
mandelpaum in dem maien. diu sehst ist, daz er vor der
Line: 29
sunnen aufgêt, wann ain iegleich hailiger lêrer gêt vor
Line: 30
der götleichen sunnen der obristen gerehtikait reht sam 30
Line: 31
ain ritter vor seinem herren, der seins herren veint tœtt
Line: 32
mit ainem zwischarpfen swert, daz ist, daz die hailigen
Line: 33
lêrer die menschen tœtent in werltleichen werken und si
Line: 34
lebendig machent in got. diu sibent ist, daz der hailig
Line: 35
lêrer dem mônen volget in seinem scheingeprechen, daz 35
Line: 36
ist, daz er mitleidend ist der christenhait in irer krankhait,
Page: 64 Line: 1
dar umb spricht sant Paulus: wer siht und ich niht sihe?
Line: 2
diu aht ist, daz der hailig lêrer in dem winter scheint
Line: 3
und in dem sumer niht, daz ist: in den leiden durch gotes
Line: 4
willen scheint er mit der hitz des starken götleichen ge\lauben
Line: 5
und der selb schein ist oft verporgen gegen den 5
Line: 6
läuten, wenne die hailigen lêrer in gemach sint ân an\vehtung.
Line: 7
Copyright TITUS Project
Frankfurt a/M 1999-2000. No parts of this document may be republished in any form
without prior permission by the copyright holder.