TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 96

Chapter / Strophe: 9 
   9
Line: 25

Line: 26
   VON DEM VEUR.



Line: 27    Nu ist zeit, daz wir sagen von den vier elementen.
Line: 28    der element sint viereu: feur, luft, wazzer und erd. daz
Line: 29    feur ist haiz und trucken und ist sein sinwelliu huot gênd
Line: 30    umb und umb ze næhst nâch des mônen himel. aber daz   30
Line: 31    selb feur ist unsihtich reht als der luft unsihtich ist, dar
Line: 32    umb, daz ez an der selben stat verre behender ist wann

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Line: 1    der luft. ez verprennet auch niht diu dinch, diu hie
Line: 2    niden sint, dar umb, daz ez verr von in ist, und auch dar
Line: 3    umb, daz ez der luft mit seinr aigenchait sänftigt. des
Line: 4    feures aigenchait müg wir kürzleichen begreifen mit aht
Line: 5    dingen. daz êrst ist, daz ez zestœrt oder zepricht, als   5
Line: 6    wir sehen an den dingen, diu ez verprennet. daz ander
Line: 7    ist, daz ez waich macht, als wir sehen an dem plei und
Line: 8    an anderm gesmeid. daz dritt ist, daz ez zesamen zeucht,
Line: 9    als wir sehen an den fäuhten häuten oder an dem leder.
Line: 10    daz vierd ist, daz ez sterkt oder starch macht, als wir   10
Line: 11    sehen an den waichen vazzen, diu die hafner von tahen
Line: 12    oder laime machent. daz fünft ist, daz ez die vinster er\läuht,
Line: 13    als wir sehen an dem feur, daz flammen hât. daz
Line: 14    sehst ist, daz ez derschrekt, als wir sehen an dem plitzen.
Line: 15    daz sibend ist, daz ez anzündet, als wir sehen an mangen   15
Line: 16    dingen. daz aht ist, daz ez gefrewet oder frô macht, als
Line: 17    wir sehen in der kelten winters zeiten. Die acht aigen\chait
Line: 18    des fewers geleichent den werken des hailigen gaistes.
Line: 19    der hailig gaist haizt wol ain feur, dar umb spricht un\ser
Line: 20    herr Jêsus Christus: ich pin komen ain feur ze senden.   20
Line: 21    daz selb feur verzert des êrsten den rost der sünden. dar
Line: 22    umb spricht diu geschrift: unser herr ist ain verzerndez
Line: 23    feur. daz ander werch des hailigen gaistes ist, daz er
Line: 24    herteu dinch waich macht, als herteu staineineu herzen.
Line: 25    dar umb spricht Ezechiel auz gotes mund: ich wil ain   25
Line: 26    stainein herz von euch nemen. daz dritt werch ist, daz
Line: 27    der hailig gaist zesamen zeuht die flüzz der unkäusch, reht
Line: 28    als diu sunne, diu ain prunn ist der hitz. dar umb spri\chet
Line: 29    Salomôn in dem puoch der weishait: diu sunn ist
Line: 30    aufgangen und macht daz ertreich dürr. daz vierd werch   30
Line: 31    ist, daz der hailig gaist unsriu waichiu krankeu werch
Line: 32    und unsern kurzen fürsatz sterkt und lengt. dar umb
Line: 33    spricht diu geschrift: diu vaz des hafners bestætigt der
Line: 34    haiz oven. daz fünft werch ist, daz der hailig gaist die
Line: 35    vinster erläuht, daz sint diu dunkeln herzen. dar umb   35
Line: 36    spricht Moyses in dem puoch von der welt anvanch: got

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Line: 1    sach daz lieht, daz ez guot was, und tailt daz lieht und
Line: 2    die vinster. daz sehst werch ist, daz der hailig gaist er\schrecket
Line: 3    die sünder und si strâfet. dâ von spricht diu
Line: 4    geschrift in dem puoch von den zwelfpoten: dô diu
Line: 5    stimm des hailigen gaistes an dem pfingstag wart gehœrt,   5
Line: 6    dô derschrâken unsers herren junger alle; und spricht
Line: 7    auch daz êwangeli, daz der hailig gaist die werlt strâf
Line: 8    umb ir sünd. daz sibend werch ist, daz der hailig gaist
Line: 9    den menschen entzünt zuo gotes minne und zuo des næh\sten
Line: 10    lieb. daz aht werch ist, daz der hailig gaist die   10
Line: 11    traurigen herzen trœst, und gefrewet die armen waisen
Line: 12    in dirr werlt. dâ von spricht diu geschrift: der hailig
Line: 13    gaist ist paraclitus, daz ist ain trœster.
Line: 14    Noch sint siben aigenchait an dem feur. diu êrst ist,
Line: 15    daz ez snell wegleich ist. diu ander, daz ez trucken ist.   15
Line: 16    diu dritt ist, daz ez rain ist. diu vierd ist, daz man ez
Line: 17    behelt und beschirmt mit üeseln und mit luftigem aschen.
Line: 18    diu fünft ist, daz ez leihticleichen wehst. diu sehst ist,
Line: 19    daz ez von seinr nâtûr über sich auf gêt. diu sibend
Line: 20    ist, daz ez von ain klain wazzers geminnert wirt.   20
Line: 21    Die siben aigenchait des fewers mügen wir auch ge\leichen
Line: 22    den werken des hailigen gaistes. daz êrst werch
Line: 23    ist, daz der hailig gaist wegleich ist und snell in die
Line: 24    geschikten sêl kümpt und macht si gênd von tugent in
Line: 25    tugent. daz ander werch ist, daz er trucken ist in seinem   25
Line: 26    würken, wann er trückent unstætikait, diu dâ fliezend
Line: 27    ist von pôshait in erger und pringet käusch und auch
Line: 28    stætikait. daz dritt ist, daz er rain ist, wann er mag
Line: 29    niht verunraint werden. dâ von spricht Salomôn in dem
Line: 30    puoch der weishait: er rüert allen enden an von seinr   30
Line: 31    rainikait wegen. daz vierd werch des hailigen gaistes
Line: 32    ist, daz man in bedecket und behelt mit üeseln und mit
Line: 33    aschen, daz ist dêmüetichait. dâ von spricht Isaias: dû
Line: 34    gevangneu tohter Syôn, sitz in der aschen, daz ist in dê\müetichait.
Line: 35    daz fünft ist, daz der hailig gaist leihtic\leichen   35
Line: 36    wechst. dâ von spricht diu geschrift von im: der

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Line: 1    gaist ist snell varnd. daz sibend ist, daz der hailig
Line: 2    gaist geminnert wirt von ain klain wazzers, daz ist mit
Line: 3    ain klain wolgelustes und unkäusch, wann dâ wonet
Line: 4    Vehemoth der teufel, dâ des wazzers vil ist; sô fleuht der
Line: 5    hailig gaist von danne, wann er ist sô zart, daz er niht   5
Line: 6    unrainikait pei im leidt. dâ von spricht sant Bernhart:
Line: 7    der götleich trôst ist zart. Aristotiles sprichet auch von
Line: 8    dem feur: waz verr von dem feur ist, daz mag erläuht
Line: 9    werden, ez mag aber niht enzünt werden.
Line: 10    Ez ist dreierlai feur. daz êrst ist ain lieht, daz an\der   10
Line: 11    ist ain flamme, daz dritt ist ain kol. daz lieht ist
Line: 12    sam an den sternen nâch der alten maister sag, wann die
Line: 13    wânten, daz die stern feurein wærn. diu flamm ist ain
Line: 14    angezünter rauch, der dâ gêt von holz oder von andern
Line: 15    prinnenden dingen. ain kol ist ain prinnend dinch, daz   15
Line: 16    niht flammen gibt, als wir sehen an den glüenden koln.
Line: 17    Daz feur hât die art, daz ez sein materi, dar ein ez
Line: 18    aribaitet, ze aschen macht, si sei im dann gehôrsam.
Line: 19    daz feur mag niht ân materi gesein, dar ein ez würk,
Line: 20    denn allain in seiner aigenn nâtürleichen stat ze næhst   20
Line: 21    under dem mônen. daz feur verzert niht daz ez selber
Line: 22    ist, aber ez verzert daz, des ez niht enist. alsô sprechent
Line: 23    die weisen maister. reht sam tuot der hailig gaist: der
Line: 24    verzert die sünd, der er niht ist. sô daz feur ie in ainer
Line: 25    hertern materi ist, sô ez ie sterker und hitziger ist, wann   25
Line: 26    ez ist hitziger in eisen wann in aim hülzin koln und ist
Line: 27    in ainem koln hitziger wann in dem strô oder in den
Line: 28    stupfeln. alsô ist der hailig gaist sterker in den, die
Line: 29    dicke sint in tugenden, wann die dünne sint dar inne.
Line: 30    daz feur, enprant in grüenem holz, prennet vester wann   30
Line: 31    in dürrem, wan ez muoz sêrer arbaiten in grüenez wann
Line: 32    in dürrez. alsô tuot der hailig gaist, der arbait vester
Line: 33    in die sêl der jungen läut, die sich in der jugent üebent
Line: 34    mit tugent unz an ir end, danne in der alten sêle, die
Line: 35    den guoten wain verkauft habent und gebent die gerben   35
Line: 36    durch got. daz feur macht ainen verpranten stain zuo

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Line: 1    aschen. alsô tuot der hailig gaist, der macht den sünder,
Line: 2    der verprant ist mit der hitz der rewe, zuo aschen der
Line: 3    dêmüetichait. daz bezeugt uns wol Marîâ Magdalênâ und
Line: 4    Affrâ und vil ander grôz hailigen, die vor grôz sünder
Line: 5    wâren. daz feur macht mit seiner prunst etleich weiziu   5
Line: 6    dinch swarz. alsô tuot der hailig gaist, der macht die
Line: 7    schein und die glüst diser werlt swarz und unlustig der
Line: 8    götleichen sêl. dû solt auch wizzen, daz ain hailiger
Line: 9    mensch vol des hailigen gaistes geleicht ainer prinnenden
Line: 10    kerzen, wann diu kerz ist mit irm lieht nützpær andern   10
Line: 11    dingen und ir selber schad, wann si nimpt ab in der flam\men.
Line: 12    alsô tuot der hailig mensch: sô er ie mêr guoter
Line: 13    werch der werlt erzaigt, sô er ie mêr hazzes und leides
Line: 14    gewinnet gegen der werlt. dar umb sprach unser herre
Line: 15    zuo seinen jungern: ir werdet sælig, wenne euch diu werlt   15
Line: 16    hazzet. diu flamme an der kerzen wirt erleschet von dem
Line: 17    wind. alsô fleuht der hailig gaist oft von dem anplâsen
Line: 18    und von strâfen der werlt, dâ von manig mensch verkêrt
Line: 19    wirt. ez verlischet auch oft diu flamm von übriger ma\teri,
Line: 20    dar ein si würkt, als wir sehen in den ampeln, die   20
Line: 21    ze vil öls habent. alsô erlischt der hailig gaist oft in
Line: 22    dem menschen, der ze vil reichtums hât und sein herz
Line: 23    dâ von niht gewenden mag. daz feur erlischt oft von
Line: 24    übrigem plâsen und wirt wider enzunt von mæzigem plâ\sen.
Line: 25    alsô derlischet oft der gaist der hailigen hoffenung   25
Line: 26    von grôzer übriger puoz, dâ mit der peihtiger den sünder
Line: 27    erschreckt, und wirt wider enzunt von ringer sänfter an\weisung.
Line: 28    wenn des feurs lieht erlischt, sô stinket der
Line: 29    rauch, der dâ nâch gêt. alsô wenn der hailige gaist fleuht
Line: 30    von den menschen, sô äugent sich der rauch. daz feur   30
Line: 31    mag sein hitz und sein trucknen niht gelâzen: alsô mag
Line: 32    der hailig gaist niht unsauberkait geleiden. daz feur
Line: 33    wirt von verrens gesehen und macht, daz man ez selber
Line: 34    siht und andreu dinch. alsô tuot der hailig gaist: der
Line: 35    kümt von dem obristen got in des menschen sêl und   35
Line: 36    macht, daz der mensch in selber erkennet und andreu

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Line: 1    dinch. dâ von singt man von dem hailigen gaist, daz er
Line: 2    die kunst und die stimm hab aller ding. ain prinnent
Line: 3    kerz dunket ainen trunken zwuo: alsô geschicht dem
Line: 4    menschen, der trunken ist in dem hailigen gaist, alsô
Line: 5    daz er die üppichait diser werlt niht erkennen wil, der   5
Line: 6    hât zwivältig fräud von ainer gâb des hailigen gaistes.
Line: 7    der wint derweckt daz feur, alsô derweckt diu lêr der
Line: 8    hailigen lêrer den hailigen gaist in der menschensêl. daz
Line: 9    feur wirt enprant oder prinnet, wenn man die kerzen auf\riht,
Line: 10    und verlischt, wenne si ze tal kêrt. alsô wirt en\zunt   10
Line: 11    der hailig gaist, wenne sich der mensch aufriht zuo
Line: 12    got, und verlischt in des selben menschen sêl, wenn er
Line: 13    sich naigt under sich in die pôshait diser werlt. daz feur
Line: 14    wert sô lang als daz dinch wert, daz dâ prennet und dar
Line: 15    auf ez sitzt. als lang wert diu lieb gegen got und gegen   15
Line: 16    den menschen, als lang daz wert daz man lieb hât, ez sei
Line: 17    dann daz der liebhaber sein liep verlies oder im en\pfrömdet
Line: 18    werd. daz feur ist hitziger in grôzer materi,
Line: 19    wann ob der selbenlai materi klainer wær. alsô sint des
Line: 20    hailigen gaistes werch sterker in dem menschen, der grœ\zer   20
Line: 21    ist an tugenden, wann der niht sô vil tugent hât.
Line: 22    Alfragânus spricht, daz daz feur sänftig den smerzen,
Line: 23    der dâ kümpt von prunst. daz seh wir, wenne ainz seinen
Line: 24    vinger verprent und in wider zuo dem feur habt, sô smirtzet
Line: 25    er niht sô sêr sam ê. alsô sänftigt der hailig gaist den   25
Line: 26    smerzen der sêl, den diu prunst diser werlt hât prâht.






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