TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 112

Chapter / Strophe: 25 
   25.
Line: 12
   
Line: 13
   VON DEM DONR UND VON DEM PLITZEN.



Line: 14    Der donr kümt von erdischem vaiztem dunst, dâ von
Line: 15    diu feur in den lüften werdent, als vor gesait ist, und   15
Line: 16    kümpt in dér weis. seind der dunst an im selber warm
Line: 17    ist und der wolken stat kalt, sô er dann kümt an die
Line: 18    stat der wolken, sô wellt er über sich auf zuo dem feur
Line: 19    oder in daz obrist reich des luftes, dar umb, daz er leiht
Line: 20    ist und warm, sam daz feur leiht ist und haiz. wenn er   20
Line: 21    denne an diu kalten wolken stœzt, sô stôzent si in her
Line: 22    wider ab. von dem stôzen vert er snell hin wider, sô
Line: 23    stœzt den dunst diu kelten noch vester her wider. daz
Line: 24    geschiht sô lang, unz daz er sô gar snell und vesticlei\chen
Line: 25    wirt her nider geworfen, sam ain geschôz, daz man   25
Line: 26    auz pühsen scheuzet. dâ von wirt der vaizt dunst enprant
Line: 27    in seinem snellen flug, alsô daz er flammen geit, und die
Line: 28    flammen haiz wir plitzen. aber daz reizen, daz der dunst
Line: 29    tuot in den wolken und in den lüften, daz haizt der
Line: 30    tonr. dar umb koment diu zwai mit enander donr und   30
Line: 31    plitzen. iedoch siht man den plitzen, ê wir den tonr
Line: 32    hœrn, wann daz gesiht streckt sich verrer und sneller
Line: 33    dan daz gehœrd. alsô seh wir oft auf den püeheln ob
Line: 34    den pächen, dâ die weschen waschent, den slag mit den

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Line: 1    pleueln, ê wir den galm hœren. nu möhst dû sprechen:
Line: 2    wir sehen oft plitzen ân den donr und hœrn oft den donr
Line: 3    ân plitzen. daz ist dar umb, daz oft die wäzzrigen
Line: 4    wolken gar vinster und dicke sint und derleschent die
Line: 5    flammen ob der dicken, alsô daz wir ir niht sehen. wenne   5
Line: 6    daz geschiht, sô hœr wir donr ân plitzen. ez geschiht
Line: 7    auch, wenn ez gar haiz ist gewesen des tages in sumer\zeiten,
Line: 8    daz die vaizten dünst verr von uns entzünt wer\dent,
Line: 9    alsô daz sich der galm verstôzt, daz er niht zuo
Line: 10    uns kümt: sô seh wir den himelitzen oder den plitzen   10
Line: 11    ân donr. iedoch sint läut, die wænent, daz der donr ain
Line: 12    stain sei, dar umb, daz oft ain stain her ab vellt mit dem
Line: 13    donr in grôzem weter. daz ist niht wâr, wan wær der
Line: 14    donr ain stain, sô machte er wunden den läuten und den
Line: 15    tiern, die er dersleht, sam ander vallend stain tuont. des   15
Line: 16    geschiht doch niht, wan wir sehen, daz die läut, die der
Line: 17    donr sleht, kain wunden habent. si sint aber swarz an
Line: 18    dem slag, daz ist dar umb, daz der haiz dunst si ver\prent
Line: 19    und verprent in daz pluot in dem herzen, dar umb
Line: 20    erstickent si ân wunden. ez kêrt auch der mensch daz   20
Line: 21    antlütz gegen dem slag, dar umb, wenn ez der donr
Line: 22    sleht, sô wil ez warten, waz daz sei, und hêrt daz antlütz
Line: 23    umb, und in dem kêren stirbt ez. wizz auch, daz der
Line: 24    donr allermaist schat hertem ding sam stahel ist und vels
Line: 25    und stain. daz ist dar umb, daz diu selben dinch den   25
Line: 26    dunst niht durch varn lâzent, dar umb zerpricht er si
Line: 27    und zekleubt si oft ze stucken. aber lindem ding schadet
Line: 28    er niht sô sêr, dar umb zerpricht er oft daz swert in
Line: 29    der schaiden und die spæn, alsô daz daz leder ganz be\leibt
Line: 30    an der schaiden. der donr ist mangerlai, wann oft   30
Line: 31    gillt er sam der ainem ain plâtern voller luftes auf dem
Line: 32    haupt zerslüeg. daz ist dar umb, daz daz wolken sich
Line: 33    umb und umb hât gesament umb den donrigen dunst, sô
Line: 34    mag er nindert auz, unz er daz wolken zerpricht an
Line: 35    ainer seiten sam der luft die plâtern tuot. er hillt auch   35
Line: 36    oft sam der ain leinein tuoch nâch der leng rizze, daz

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Line: 1    ist, wenn er nâch der tiefen diu wolken und den luft reizt.
Line: 2    er prastelt auch oft sam dâ tännein holz prastelt in ainem
Line: 3    feur. daz ist dar umb, daz der dunst stückelot oder in
Line: 4    stuckes weise beslozzen ist und in mangen stücken nâch
Line: 5    ainander auz prichet, reht sam der haiz luft in dem feur   5
Line: 6    auz luftigem holz oder sam der luft tuot auz vil castanien
Line: 7    oder auz aicheln, die man ganz in ain feur richt. der
Line: 8    plitzen wirkt auch gar wunderleicheu werch und ist schäd\leich
Line: 9    gar an vil dingen. daz êrst ist, daz er dem men\schen
Line: 10    diu augen oft verplendet, daz in reht ansiht. daz   10
Line: 11    ist dâ von, daz er im die cristallischen fäuhten verprent
Line: 12    in dem augapfel, dar an des gesihtes kraft ligt. daz
Line: 13    ander ist, daz er die plüet verderbt auf den paumen und
Line: 14    aller maist die zarten plüet an dem weinreben; dar umb
Line: 15    verhüllet diu nâtûr diu fruhttragerlein, daz sint die   15
Line: 16    frühtigen knödel auf den paumen, mit pletern, sam dâ
Line: 17    ain amme ir kint verhüllet mit windeln, und macht dem
Line: 18    weinreben gar praiteu pleter, daz er sein weintrauben dâ
Line: 19    mit verhüll vor dem plitzen. daz dritt ist, daz er oft dem
Line: 20    menschen daz hâr verprent under den üehsen und an\derswâ   20
Line: 21    und doch seinem leib niht schadet. daz ist dar
Line: 22    umb, daz der dunst niht sô vast vert, daz er dem men\schen
Line: 23    schad; seind aber er prinnet und hin und her
Line: 24    lauft an dem menschen gar snell, sô verprennet er daz
Line: 25    dürr lind hâr an im ân des menschen versêrung. alsô   25
Line: 26    geschach, daz Marcia, der Rœmer fürstinne, von ainem
Line: 27    donr geslagen wart und starp daz kint in irm leib. aber
Line: 28    ir geschach niht. daz was dar umb, daz diu fruht in
Line: 29    dem leib dannoch kranch was und daz von der frawen
Line: 30    derschrecken diu pant sich rizzen, dâ mit daz kint ge\punden   30
Line: 31    was, und daz selb reizen raiz auch dem kind sein
Line: 32    âdern und sein herzlein ab. ez spricht unser puoch, daz
Line: 33    der donr oder der plitzen niemant schad, der in vor hœr
Line: 34    oder sehe, ê der slag zuo im kom. wærleich daz dünket
Line: 35    mich ain leihter spruch ân maisterschaft, wan unser vor\sehen   35
Line: 36    hilft niht dar zuo, sich möht dann der mensch sô

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Line: 1    snell vor dem slag verpergen. ez spricht auch daz puoch
Line: 2    mêr, daz der plitzen oder der donr niht alle zeit den
Line: 3    menschen ertœd, wenne er ez trift; aber er tœd ander
Line: 4    gesellteu dinch wenn er si trift, ez sei paum oder tier,
Line: 5    und under den tiern sêrt er allermaist den adlarn, aber   5
Line: 6    under den paumen allermaist den lorpaum, alsô spricht
Line: 7    Plinius. Seneca spricht, daz ze seinen zeiten der donr
Line: 8    ain vaz voller weins zeslüeg, alsô daz der wein ain kurzez
Line: 9    stündel stüend pei ainander âne vaz, sam er in dem vaz
Line: 10    gestanden was. daz was dar umb, daz der slag sô snell   10
Line: 11    was, daz der wein niht sô snell zervliezen moht. alsô
Line: 12    seh wir, daz ainr ain offen glas mit wein oder mit wazzer
Line: 13    sô snell umbslingt in ainer slingen oder in der hant, daz
Line: 14    nihts her auz fleuzt. auch ist der wein leiht zæh ge\wesen,
Line: 15    daz hât auch dar zuo geholfen.   15
Line: 16    Nu maht dû frâgen, seind der dunst, dar auz der
Line: 17    donr und der plitzen wirt, aufgêt winterszeiten und
Line: 18    sumerzeiten, war umb donrt ez niht in dem winter sam
Line: 19    in dem sumer? daz ist dar umb, daz in dem winter diu
Line: 20    hitz niht sô grôz ist, daz si starken vesten rauch aufge\heben   20
Line: 21    müg sam zuo dem donr gehœrt, und mag in auch
Line: 22    sô hôch niht geheben in die lüft, daz er mit sô grôzer
Line: 23    ungestüemikait her nider valle. dar umb hebt diu sunne
Line: 24    in dem winter neur dunst auf, der zuo regen gehœrt oder
Line: 25    zuo snê oder zuo winden und zuo feurn, diu niht plitzen   25
Line: 26    haizent. diu selb sach ist auch in dem herbst und in dem
Line: 27    lenzen, ez sei dann gar selten. ez sprechent auch etleich,
Line: 28    daz in den landen pei der sunnen aufganch sumerzeiten
Line: 29    niht donr werden, aber si werdent dâ selben winters\zeiten.
Line: 30    daz ist dar umb, daz in den landen sumerzeiten   30
Line: 31    diu hitz sô gar übrigs grôz ist, daz kain dunst in den
Line: 32    lüften zuo wolken getwungen wirt, wan diu grôz hitz diu
Line: 33    zesträut den dunst und lâzt in niht dick werden. aber
Line: 34    winterszeiten sô ist diu hitz in den landen sänft, reht
Line: 35    sam si ist in dem sumer mit uns. dar umb sô donrt ez;   35
Line: 36    in dem winter in den selben landen. ez ist auch in den

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Line: 1    landen gegen der sunnen underganch sam mit uns, wan
Line: 2    dâ ist ez niht übrigs haiz sumerzeiten. Plinius spricht,
Line: 3    daz dreierlai donr sein oder plitzen. die êrsten sint die
Line: 4    niht spaltent, aber si prennent und die sint trucken an
Line: 5    in selber. die andern dönr sint fäuht, die prennent niht,   5
Line: 6    aber si spaltent und swerzent diu dinch, dar auf si vallent.
Line: 7    die dritten haizt man clâr oder behend dönr, die sint
Line: 8    aller selzeinst und aller wunderleichst und gar haimlei\cheu
Line: 9    dinch der nâtûr: diu verstelnt und schöpfent den
Line: 10    wein haimleichen aus den vazzen, alsô daz si der vaz niht   10
Line: 11    rüernt mit ainem merkleichem schall, si lâzent aber ir
Line: 12    fuozstapfen an den vazzen.






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