TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 112
Chapter / Strophe: 25
25.
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VON DEM DONR UND VON DEM PLITZEN.
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Der donr kümt von erdischem vaiztem dunst, dâ von
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diu feur in den lüften werdent, als vor gesait ist, und 15
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kümpt in dér weis. seind der dunst an im selber warm
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ist und der wolken stat kalt, sô er dann kümt an die
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stat der wolken, sô wellt er über sich auf zuo dem feur
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oder in daz obrist reich des luftes, dar umb, daz er leiht
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ist und warm, sam daz feur leiht ist und haiz. wenn er 20
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denne an diu kalten wolken stœzt, sô stôzent si in her
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wider ab. von dem stôzen vert er snell hin wider, sô
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stœzt den dunst diu kelten noch vester her wider. daz
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geschiht sô lang, unz daz er sô gar snell und vesticlei\chen
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wirt her nider geworfen, sam ain geschôz, daz man 25
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auz pühsen scheuzet. dâ von wirt der vaizt dunst enprant
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in seinem snellen flug, alsô daz er flammen geit, und die
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flammen haiz wir plitzen. aber daz reizen, daz der dunst
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tuot in den wolken und in den lüften, daz haizt der
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tonr. dar umb koment diu zwai mit enander donr und 30
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plitzen. iedoch siht man den plitzen, ê wir den tonr
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hœrn, wann daz gesiht streckt sich verrer und sneller
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dan daz gehœrd. alsô seh wir oft auf den püeheln ob
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den pächen, dâ die weschen waschent, den slag mit den
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pleueln, ê wir den galm hœren. nu möhst dû sprechen:
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wir sehen oft plitzen ân den donr und hœrn oft den donr
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ân plitzen. daz ist dar umb, daz oft die wäzzrigen
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wolken gar vinster und dicke sint und derleschent die
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flammen ob der dicken, alsô daz wir ir niht sehen. wenne 5
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daz geschiht, sô hœr wir donr ân plitzen. ez geschiht
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auch, wenn ez gar haiz ist gewesen des tages in sumer\zeiten,
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daz die vaizten dünst verr von uns entzünt wer\dent,
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alsô daz sich der galm verstôzt, daz er niht zuo
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uns kümt: sô seh wir den himelitzen oder den plitzen 10
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ân donr. iedoch sint läut, die wænent, daz der donr ain
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stain sei, dar umb, daz oft ain stain her ab vellt mit dem
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donr in grôzem weter. daz ist niht wâr, wan wær der
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donr ain stain, sô machte er wunden den läuten und den
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tiern, die er dersleht, sam ander vallend stain tuont. des 15
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geschiht doch niht, wan wir sehen, daz die läut, die der
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donr sleht, kain wunden habent. si sint aber swarz an
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dem slag, daz ist dar umb, daz der haiz dunst si ver\prent
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und verprent in daz pluot in dem herzen, dar umb
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erstickent si ân wunden. ez kêrt auch der mensch daz 20
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antlütz gegen dem slag, dar umb, wenn ez der donr
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sleht, sô wil ez warten, waz daz sei, und hêrt daz antlütz
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umb, und in dem kêren stirbt ez. wizz auch, daz der
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donr allermaist schat hertem ding sam stahel ist und vels
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und stain. daz ist dar umb, daz diu selben dinch den 25
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dunst niht durch varn lâzent, dar umb zerpricht er si
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und zekleubt si oft ze stucken. aber lindem ding schadet
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er niht sô sêr, dar umb zerpricht er oft daz swert in
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der schaiden und die spæn, alsô daz daz leder ganz be\leibt
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an der schaiden. der donr ist mangerlai, wann oft 30
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gillt er sam der ainem ain plâtern voller luftes auf dem
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haupt zerslüeg. daz ist dar umb, daz daz wolken sich
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umb und umb hât gesament umb den donrigen dunst, sô
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mag er nindert auz, unz er daz wolken zerpricht an
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ainer seiten sam der luft die plâtern tuot. er hillt auch 35
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oft sam der ain leinein tuoch nâch der leng rizze, daz
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ist, wenn er nâch der tiefen diu wolken und den luft reizt.
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er prastelt auch oft sam dâ tännein holz prastelt in ainem
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feur. daz ist dar umb, daz der dunst stückelot oder in
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stuckes weise beslozzen ist und in mangen stücken nâch
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ainander auz prichet, reht sam der haiz luft in dem feur 5
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auz luftigem holz oder sam der luft tuot auz vil castanien
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oder auz aicheln, die man ganz in ain feur richt. der
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plitzen wirkt auch gar wunderleicheu werch und ist schäd\leich
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gar an vil dingen. daz êrst ist, daz er dem men\schen
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diu augen oft verplendet, daz in reht ansiht. daz 10
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ist dâ von, daz er im die cristallischen fäuhten verprent
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in dem augapfel, dar an des gesihtes kraft ligt. daz
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ander ist, daz er die plüet verderbt auf den paumen und
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aller maist die zarten plüet an dem weinreben; dar umb
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verhüllet diu nâtûr diu fruhttragerlein, daz sint die 15
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frühtigen knödel auf den paumen, mit pletern, sam dâ
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ain amme ir kint verhüllet mit windeln, und macht dem
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weinreben gar praiteu pleter, daz er sein weintrauben dâ
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mit verhüll vor dem plitzen. daz dritt ist, daz er oft dem
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menschen daz hâr verprent under den üehsen und an\derswâ 20
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und doch seinem leib niht schadet. daz ist dar
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umb, daz der dunst niht sô vast vert, daz er dem men\schen
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schad; seind aber er prinnet und hin und her
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lauft an dem menschen gar snell, sô verprennet er daz
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dürr lind hâr an im ân des menschen versêrung. alsô 25
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geschach, daz Marcia, der Rœmer fürstinne, von ainem
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donr geslagen wart und starp daz kint in irm leib. aber
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ir geschach niht. daz was dar umb, daz diu fruht in
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dem leib dannoch kranch was und daz von der frawen
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derschrecken diu pant sich rizzen, dâ mit daz kint ge\punden 30
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was, und daz selb reizen raiz auch dem kind sein
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âdern und sein herzlein ab. ez spricht unser puoch, daz
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der donr oder der plitzen niemant schad, der in vor hœr
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oder sehe, ê der slag zuo im kom. wærleich daz dünket
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mich ain leihter spruch ân maisterschaft, wan unser vor\sehen 35
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hilft niht dar zuo, sich möht dann der mensch sô
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snell vor dem slag verpergen. ez spricht auch daz puoch
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mêr, daz der plitzen oder der donr niht alle zeit den
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menschen ertœd, wenne er ez trift; aber er tœd ander
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gesellteu dinch wenn er si trift, ez sei paum oder tier,
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und under den tiern sêrt er allermaist den adlarn, aber 5
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under den paumen allermaist den lorpaum, alsô spricht
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Plinius. Seneca spricht, daz ze seinen zeiten der donr
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ain vaz voller weins zeslüeg, alsô daz der wein ain kurzez
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stündel stüend pei ainander âne vaz, sam er in dem vaz
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gestanden was. daz was dar umb, daz der slag sô snell 10
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was, daz der wein niht sô snell zervliezen moht. alsô
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seh wir, daz ainr ain offen glas mit wein oder mit wazzer
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sô snell umbslingt in ainer slingen oder in der hant, daz
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nihts her auz fleuzt. auch ist der wein leiht zæh ge\wesen,
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daz hât auch dar zuo geholfen. 15
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Nu maht dû frâgen, seind der dunst, dar auz der
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donr und der plitzen wirt, aufgêt winterszeiten und
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sumerzeiten, war umb donrt ez niht in dem winter sam
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in dem sumer? daz ist dar umb, daz in dem winter diu
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hitz niht sô grôz ist, daz si starken vesten rauch aufge\heben 20
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müg sam zuo dem donr gehœrt, und mag in auch
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sô hôch niht geheben in die lüft, daz er mit sô grôzer
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ungestüemikait her nider valle. dar umb hebt diu sunne
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in dem winter neur dunst auf, der zuo regen gehœrt oder
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zuo snê oder zuo winden und zuo feurn, diu niht plitzen 25
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haizent. diu selb sach ist auch in dem herbst und in dem
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lenzen, ez sei dann gar selten. ez sprechent auch etleich,
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daz in den landen pei der sunnen aufganch sumerzeiten
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niht donr werden, aber si werdent dâ selben winters\zeiten.
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daz ist dar umb, daz in den landen sumerzeiten 30
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diu hitz sô gar übrigs grôz ist, daz kain dunst in den
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lüften zuo wolken getwungen wirt, wan diu grôz hitz diu
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zesträut den dunst und lâzt in niht dick werden. aber
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winterszeiten sô ist diu hitz in den landen sänft, reht
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sam si ist in dem sumer mit uns. dar umb sô donrt ez; 35
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in dem winter in den selben landen. ez ist auch in den
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landen gegen der sunnen underganch sam mit uns, wan
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dâ ist ez niht übrigs haiz sumerzeiten. Plinius spricht,
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daz dreierlai donr sein oder plitzen. die êrsten sint die
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niht spaltent, aber si prennent und die sint trucken an
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in selber. die andern dönr sint fäuht, die prennent niht, 5
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aber si spaltent und swerzent diu dinch, dar auf si vallent.
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die dritten haizt man clâr oder behend dönr, die sint
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aller selzeinst und aller wunderleichst und gar haimlei\cheu
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dinch der nâtûr: diu verstelnt und schöpfent den
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wein haimleichen aus den vazzen, alsô daz si der vaz niht 10
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rüernt mit ainem merkleichem schall, si lâzent aber ir
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fuozstapfen an den vazzen.
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