TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 117

Chapter / Strophe: 30 
   30.
Line: 29
   
Line: 30
   VON DEM REGENPOGEN



Line: 31    Der regenpog kümt von wunderleichem widerprechen
Line: 32    des sunnenscheins in den wolken, dâ von schüll wir ain

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Line: 1    clain sagen sam die maister von der nâtûr dâ von sagent.
Line: 2    aber sam die maister dâ von schreibent, die perspectivi
Line: 3    haizent, die all ir kunst legent auf spiegelwerch und auf
Line: 4    scheinprechen, daz gehœrt niht hie her zuo unserm schimpf.
Line: 5    der regenpoge scheint alzeit sam ain halber kraiz oder   5
Line: 6    sam ain stuck ains kraizes und ist zwairlai. der ain ist
Line: 7    weiz, der ander ist manigverbig. den weizen siht man
Line: 8    selten. iedoch hân ich ir mein tag ainen gesehen in dem
Line: 9    Riez pei der stat ze Nördlingen in dem maien des mor\gens,
Line: 10    dô diu sunn auf was, der het ainen volkomenn   10
Line: 11    halben kraiz und het ain horn gegen mittem tag und
Line: 12    daz ander gegen norden oder gegen der himelspitz ge\kêrt.
Line: 13    der selb weiz regenpog kümt dâ von, daz der
Line: 14    wolken dunst an dem himel gleich gezaist ist und dünn
Line: 15    mit ainer gaistleichen fäuhten, alsô daz dar auz gar klain   15
Line: 16    riselndiu tröpflein würden, ob er sich in wazzer ent\slüzze.
Line: 17    iedoch entsleuzt er sich noch niht in wazzer. sô
Line: 18    denn diu sunn iren schein gleichs dâ gegen wirft, sô
Line: 19    widerpricht er sich in den wolken alsô geschikt und
Line: 20    sament sich alliu eklein des widerprechends in ain dicke   20
Line: 21    des scheins zuo ainem stuck ains kraizes, dâ von scheint
Line: 22    daz stuck clâr und weiz. niht mêr mag ich dâ von
Line: 23    gesagen, daz verstäntleich sei dann wolgelêrten läuten,
Line: 24    die etwaz von der werlt gestalt wizzent und von des
Line: 25    scheins nâtûr und von andern sachen. der mangverbig   25
Line: 26    regenpog hât dreirlai varb. ze voderst diu aller äuzerst
Line: 27    und diu obrist ist apfelrôt oder rœter, diu næhst dar
Line: 28    nâch ist grüen, diu dritt ist wahsvar und tailt sich oft
Line: 29    in zwai, alsô daz diu ain weiz scheint oder plaich und
Line: 30    diu ander gel. die varb sint sô wunderleich und aller\maist   30
Line: 31    die mitelsten, daz si kain mâler ganz gemâlen mag.
Line: 32    die drei varb köment von der schickung der wolken, dar
Line: 33    ein diu sunn scheint, wann diu wolken müezent alsô
Line: 34    gestalt sein, daz si klain und dicke riseln vil klainr
Line: 35    tröpflein in ainen dicken haufen und daz hinder dem   35
Line: 36    riseln swarzeu wolken sein und diu sunn gleichs gegen

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Line: 1    dem riseln schein. der spiegel ist nôt, dar umb, daz diu
Line: 2    sunn iren schein und ir ebenpild dar ein werf und auch
Line: 3    dar inn widerpreche, und muoz daz selb riseln der selben
Line: 4    spiegel gerüeik sein und die spiegel rain, daz si der sunnen
Line: 5    schein in sich genemen mügen. sô ist der vinstern wol\ken   5
Line: 6    hinder dem riseln nôt, dar umb, daz si wern, daz
Line: 7    der schein durch die spiegel iht prech und auf den
Line: 8    spiegeln iht bestê, als wir sehen, daz die spieglær die
Line: 9    spiegelglas hinten bedeckent mit plei und mit pech. ez
Line: 10    muoz auch diu sunne gerihtes stên gegen den spiegeln,   10
Line: 11    daz die spiegel ir ebenpild genemen mügen, und diu
Line: 12    swarzen wolken hinder den spiegeln werfent der sunnen
Line: 13    schein her wider, reht sam etleichen läuten geschiht, die
Line: 14    pœs augen habent: die sehent des nahtes, sô der môn
Line: 15    scheint, ir aigen pild vor in stên, daz hât daz antlütz   15
Line: 16    gegen in gekêrt, und wenn die läut gênt für sich, sô gêt
Line: 17    ir pild rüklingen hinder sich. daz geschicht dar umb, daz
Line: 18    ain fäuhten gesament ist vorn pei des menschen aug\apfeln,
Line: 19    dar an der luft rüert, und von den zwain gesellten
Line: 20    widerpricht sich des menschen pild gegen dem gesiht,   20
Line: 21    daz tiefer hin ain ligt in dem augen wan diu fäuhten
Line: 22    tuo. und dar umb geschicht oft ainem trunken sam. seind
Line: 23    nu diu sunn verr hœher ist wan diu wolken, sô wirft si
Line: 24    ir ebenpild neur oben in die spiegel nâch ains kraizes
Line: 25    form. dar umb scheint diu varb und der regenpog oben   25
Line: 26    in den spiegel und niht über al sam grôz und prait daz
Line: 27    riseln ist, anders ez schine diu varb an dem regenpogen
Line: 28    sam ain halbiu scheib an dem himel oder sam ain stuck
Line: 29    ainer scheiben. wizz auch, daz in den wolken daz leih\tist
Line: 30    ze obrist kümt, daz allermaist erdisch leihtes rauches   30
Line: 31    hât, dar umb scheint diu obrist varb an dem regenpogen
Line: 32    clâr und rôt. dar nâch ist wäzzriger dunst, der ain
Line: 33    wênig grœzereu tröpfel macht; dâ von ist diu ander varb
Line: 34    grüen, wan durch wäzrigen dunst scheint daz lieht grüen,
Line: 35    als wir oft sehen in ainer warmen stuben, dâ nazzeu   35
Line: 36    tüecher inne truckent, dâ ist der luft wäzzrig und fäuht:

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Line: 1    sô danne ain kerzenlieht dar inn prinnet, sô scheint ain
Line: 2    grüener kraiz umb die flammen. ist aber der luft niht
Line: 3    gar wäzrig, sô scheint der kraiz weiz oder plaich. dar
Line: 4    nâch sint aber swærer tropfen und grœzer, dâ von scheint
Line: 5    diu varb an der selben stat liehter, wan die grôzen spiegel   5
Line: 6    mügent der sunnen lieht paz genemen in seinr aigen
Line: 7    form wan die klainen, und dar umb der grüenen varb
Line: 8    spiegel sint klainer wan der gelben varb und grœzer wan
Line: 9    der rôten varb.
Line: 10    Der regenpog wirt in dem sumer niht, sô diu sunn   10
Line: 11    in mittem tag stêt, dar umb, daz daz widerprechen niht
Line: 12    mag geschehen in den zersträuten dünsten und hôch auf
Line: 13    gezogen über unser gesiht; wan daz uns der regenpog
Line: 14    schein, daz zuo gehœrnt diu dreu: diu sunn ain seit, daz
Line: 15    geschickt riseln ander seit und daz gesiht ze mitlist.   15
Line: 16    wenn aber diu sunn stêt sô hôch ob unserm haupt, sô
Line: 17    mag des niht geschehen in ebner weise. aber in dem
Line: 18    winter sô ist diu sunn in mittem tag gar genaigt und gar
Line: 19    nider: dar umb mag der regenpog in dem winter werden
Line: 20    ze aller stund. wenn der regenpog in mittem tag scheint,   20
Line: 21    sô bedäut er grôzen künftigen regen, wan er bedäut, daz
Line: 22    vil wäzriger wolken in den lüften sint ze mittelst in unserr
Line: 23    wonung. wenn aber er scheint gegen der sunnen under\ganch,
Line: 24    sô bedäut er sänften regen und sumerzeiten donr.
Line: 25    sô aber er scheint gegen der sunnen aufganch, sô bedäut   25
Line: 26    er schœn weter. alsô spricht unser puoch ze latein.
Line: 27    Nu hab wir gesait von dem andern element, von
Line: 28    dem luft, und von den wunderleichen dingen, diu dar
Line: 29    inn geschehent. für paz schüll wir sagen von dem dritten
Line: 30    element, daz ist daz wazzer.   30






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