TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 118
Chapter / Strophe: 31
31.
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VON DEM WAZZER.
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Daz wazzer ist kalt und fäuht und gêt umb und
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umb daz ertreich, ân als vil daz ertreich enplœzt ist von
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dem wazzer an den steten, dâ die läut wonent und andreu
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tier, die ân luft niht geleben mügent. daz grôz mer, daz
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daz ertreich umbfleuzet, haizt ze latein amphitrites, daz
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ist ze däutsch daz umbgênd mer. daz selb mer fleuzt
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von norden gegen suden. daz ist dar umb, daz daz ert\reich 5
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hœher ist ze norden dann ze suden. von dem mer
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fleuzt manig arm in manig stück des ertreiches. diu
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merwazzer sint gesalzen und ungeschmach ze trinken,
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dar umb, daz diu sunn und die andern stern sich die
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mêrern zeit dar über streckent und ziehent erdischen 10
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dunst auz dem grund und auz dem ertreich und mischent
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in zuo dem wazzer. dâ von wirt ez pitter und gesalzen.
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und daz daz wâr sei, daz vint man alsô. wenne die
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marner süez wazzer machen wellent, daz si trinken und
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dâ mit si ir ezzen kochen, sô nement si ainen grôzen kopf 15
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von wahs gemacht und ziehent den sô lang in dem mer,
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unz daz sich daz wazzer dâ durch seiht und diu zuoge\mischt
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erd hie auzen beleibet. sô trinkt man ez dann
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wol. auch prüeft man daz dar an, daz ain grôz geladen
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schif in gesalzem wazzer ob gêt, daz in süezem wazzer 20
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undergieng, daz ist dar umb, daz daz gesalzen wazzer
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von der zuogemischten erden dicker ist danne daz süez
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wazzer. auch prüeft man daz an dem tôten mer, daz so
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dick ist von den selben sachen, wer ain mensch mit ge\punden
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henden und füezen oder ain ander tier gepunden 25
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dar ein wirft, daz swimt ob. ez mag auch kain visch
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noch kain wazzertier lebendik dar inne beleiben; dar umb
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haizt ez daz tôt mer. etleicheu mer fliezent auz und ain
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in naht und in tag ains mâls oder zwir. daz ist von
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dem môn, der ain vater ist der wazzer: der derhebt daz 30
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dünstig wazzer, sam daz merwazzer ist und daz dem ge\leich
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ist, wann sô der môn aufgêt in etsleichem reich
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oder in etsleicher wonung, dâ ain mer ist, sô wirft er
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seinen schein schelchs auf daz mer, dâ von derhebt der
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schein den irdischen dunst und wirmt in, daz er daz 35
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wazzer mit im aufhebt gegen der praiten des mers, und
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sô der môn kümt an die miteln stat des himels, sô wirft
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er seinen schein gerichtes auf daz mer und zesträwet die
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erdischen dünst nâch der lengen des mers. dâ von fleuzt
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daz wazzer wider ein und fleuzt nâch der lengen des
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mers und stinkt ez dann vast von den erdischen gepran\ten 5
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dünsten, die ez in dem luft gelâzen hât. sô denne
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der môn komen ist unz an den punkt seins undergangs,
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sô wirft er seinen schein aber schelchs auf daz mer und
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sô fleuzt ez aber auz, dar umb, daz der schein denn
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krenker ist wan dô der môn ze mitelst an dem himel 10
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was. wenn er dann den dunst niht her auz geziehen mag,
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sô derhebt er in under dem wazzer und daz wazzer dâ
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mit. dar umb muoz daz merwazzer dann auz fliezen.
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alleu grôzeu wazzer fliezent ze letzt in daz mer, etleicheu
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gegen der sunnen aufganch, als diu Nab, der Regen, diu 15
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Iser und diu Tuonawe und andreu wazzer, etleicheu
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gegen der sunnen underganch, sam der Meun, der Rein,
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und der Roden und andreu wazzer. dâ von maht dû
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wundern, wâ von daz mer niht allzeit merkleichen wahs.
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daz ist dar umb, daz daz mer prait ist und sich der 20
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sunnen und der andern stern kraft gar in grôzer mengen
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dar auf streckt, und des merwazzers macht si vil ze dünst.
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auch vleuzt des merwazzers vil in des ertreichs hölr, dâ
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von dicke die grôzen sê koment und diu stilstenden mer.
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iedoch wizz, daz niht elleu schefreicheu wazzer von dem 25
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auzfluz des mers koment, wann etleicheu habent irn ur\sprinch
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in dem grôzen holn geperg, daz kalt und velsik
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ist, wann dâ entsleuzt sich der wäzzrig dunst in wazzers
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tropfen, der dem ertreich zuo gemischt ist von tägleichem
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weter und von den snêen, die durch daz jâr auf et\leichem 30
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geperg ligent, und samnent sich die tropfen ze
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samen von ainem hol zuo dem andern, unz daz ain päch\lein
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dar auz wirt und auz vil pächleinne wirt ain grôzer
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pach, der wehset sô lang, unz daz er suocht seinen auz\ganch
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auz dem geperg. wô er danne auzpricht, dâ wirt 35
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ain ursprinch ains vliezenden wazzers oder aines prunnens
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auf dem perg oder ains sêes auf dem perg. ez pricht
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auch oft der ursprinch auzher von dem perg ain meil
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oder zwuo oder mêr oder minner auf ainer eben. alsô
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entspringent die päch und die prunnen. iedoch well wir
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von den wunderleichen prunnen sagen in dem letzten 5
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stuck diss puochs.
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Dû scholt auch wizzen, daz daz wazzer seinen smack
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und sein art nimt von dem ertreich, dâ durch ez fleuzt.
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dar umb vint man manich wazzer gesalzen, daz durch ge\salzenz
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ertreich fleuzt, und anderz saur, daz dritt mosik, 10
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daz durch mos fleuzt, und nimt daz wazzer auch gar sêr
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seinen gesmack von dem gesmeid und von dem swebel,
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der in dem ertreich ist. dar umb stinkent diu haizen pat
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sam der swebel, diu man diu wilden pat haizt, dâ von,
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daz daz selb wazzer vleuzt durch prinnend swebligez 15
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ertreich, dâ von daz wazzer haiz wirt und stinkend. daz
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waiz man dâ von, daz dick swebelstück vliezent her auz
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mit dem wazzer, und dar umb zeuht daz wazzer die
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fäuhten auz, diu zwischen vel und flaisch ist. ez geschiht
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auch oft, daz gar nâhent pei enander entspringent zwai 20
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wazzer, der ainz haiz ist und daz ander kalt, dar umb,
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daz der paider wazzerâdern in dem perg verr von ain\ander
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sint und hie vorn zesamen koment. ez sint auch
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etsleich prunn, dâ von die läut kropfoht werdent, sam
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in Kärnden vil kropfoter läut ist; daz kümt dâ von, daz 25
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der zuogemischt erdisch dunst zæh ist an im selber und
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alsô gestalt, daz er sich zesamen zeuht in den halsâdern
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und zedeuzt si und macht den hals kropfot. dâ von ist
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ez gar tœrleich, wer über lant raist und iegleich wazzer
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versuocht. wizz auch, daz die tiefen prunnen sumerzeiten 30
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kalt sint und winterszeiten warm, daz ist dar umb, daz
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winterzeiten die warmen dünst hin ein in daz ertreich
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slahent und machent die erden warm inwendig; aber
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sumerzeiten slahent si her auz und beleibt daz ertreich
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kalt. daz wazzer ist daz pest ze trinken, daz durch velse 35
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fleuzt und durch sandigz ertreich, wan daz ist leiht und
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lauter und entsleuzt den leip und macht dem harmwazzer
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weg. aber daz wazzer, daz man in kupfer laitet, ist gar
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pœs und schad, und daz man in plei laitet, ist pezzer;
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daz in hülzeinn rœrn von vörhem holz gelaitet wirt, ist
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aller pest, wan daz holz ist gar luftig. under allen 5
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wazzern ist rainz regenwazzer daz gesündist dar umb,
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daz ez leiht ist und süez und daz ez leiht gekocht wirt
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in dem magen. ez wirt auch leiht kalt und leiht warm.
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ez widerzeuht des leibs stuolflüzz und wenn ez in ainer
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zistern gestêt und lauter wirt, sô sterket ez den magen 10
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und schadet im nihts. welchez wazzer entspringt gegen
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mittem tag oder gegen der sunnen aufganch oder die
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vallent von warmen pergen, diu gleichent den regen\wazzern
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und sint gesunt. welhiu aber entspringent gegen
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der sunnen underganch oder gegen dem himelwagen, diu 15
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sint die pœsten, wann diu machent stain in der plâsen
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und in den niern und machent die frawen unperhaft. si
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machent auch den menschen træg und unlustig und
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werent dem siechen seinen hailsamen swaiz und pringent
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des leibs flüzz und machent den menschen widergebend 20
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und undäwend. daz gemain wazzer hât vil aigenchait an
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im. ez wescht und tregt die unsauberkait hin, ez fleuzt
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ze tal, ez læzt sein muoter niht, wann ez fleuzt wider in
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daz mer, ez volgt dem grôzen fluz der grôzen samnung
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der wazzer, ez ist der erden zuogemischt, ez macht die 25
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strâz horwig, ez ist armer läut trank, ez ist lauter, ez
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ist ain spiegel, dar inne man sich dersiht, ez behelt der
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scheff fuostapfen niht, ez erlescht daz feur, ez vertreibt
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den durst, ez wirt niht vaizt wenn ez ainig ist und niht
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gemischt mit andern dingen. die aigenchait sint all an 30
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ainer rewigen bekêrten sêl, die geleich selber ain weiser
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mensch!
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Daz löbleich wazzer hât zwuo aigenchait an im. die
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êrsten von seinem selbwesen und von seiner aigen nâtûr;
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die andern von dem lauf seines urspringes. von senem 35
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selbwesen hât ez, daz ez lauter ist und fäuht und kalt
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und hât kain varb noch kainen smack noch kainen ge\ruch,
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wann hiet ez der ainz, sô wær ez niht lauter wazzer,
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ez wær gemischt mit andern elementen. von dem lautern
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wazzer spricht Galiênus, daz man ez derkenne mit drein
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sinnen. mit dem gesiht, dar umb, daz ez gar durchsihtig 5
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ist und gar lauter; mit dem versuochen, wan ez weder
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saur noch süez ist noch kains andern versuochens dan
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neur daz ez kalt und fäuht ist; mit der smeckenden
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kraft, diu in anderr sprâch haizt der geruch, derkennet
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man ez auch, wan ez hât kainen smack, den man mit 10
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der nasen prüef, noch kainen geruch. Isaac der maister
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lêrt, wie man schüll derkennen, welhez wazzer leihter
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sei und welhez swerer sei, und spricht: wer ain leinein
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tuoch enzwai tailt gleiches und dauht si in zwairlai wazzer
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und drucket si dar nâch zwischen den henden und hæht 15
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si denn paideu zuo enander unz si getruckent, welhez
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danne ê trucken wirt, des wazzer ist leihter. Ipocras
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spricht, welhez wazzer schier kalt wirt und schier warm,
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daz ist daz aller leihtist. Galiênus spricht, under allen
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dingen ist aller schedist süez wazzer wazzersühtigen läuten. 20
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welhez wazzer still stêt, daz ist ungesünder wan daz
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vliezend, wan ez nimt pœs dünst von der erden, dar auf
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ez stêt. Galiênus spricht auch, daz kaltez wazzer die
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geswern durchpeiz. wenn man von kaltem wazzer well
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machen gar kaltez, sô schol man ez wermen und dar 25
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nâch lâzen stên, sô wirt ez gar kalt. Isaac spricht,
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wazzer gekeltet auf dem snê ist verr pezzer ze niezen
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wan der snê und ist minner schad. der prunn hât die
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art, daz er andreu dinch vegt und bedarf doch oft, daz
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man in auch veg. alsô ist mangem gelêrten manne, der 30
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ander läut strâft, der bedarf oft, daz man in auch strâf.
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gewermtez wazzer gefreuset sneller zuo eis wan kaltez.
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daz ist dar umb, daz daz warm wazzer derhebt ist in
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seinen stucken und gezaist von der hitz, dar umb lâzet
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ez die kelten snell ein. dar umb wenne die vischer ir 35
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segen wellen beswærn an den enden mit eis winterszeiten,
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sô begiezent si ir segen oder die netz mit warm wazzer.
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Galiênus spricht, daz süez wazzer ziterndeu und waicheu
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glider mach, als wir sehen an den padknehten und an
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den padmaiden.
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