TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 120
Chapter / Strophe: 33
33.
Line: 13
Line: 14
VON DEM ERTPIDEM.
Line: 15
Ez kümt oft, daz daz ertreich pidemt in etsleichen 15
Line: 16
landen, alsô daz die pürg nider vallent und oft ain perg
Line: 17
auf den andern. nu wizzent gemain läut niht, wâ von
Line: 18
ez küm. dar umb tichtent alteu weip, die sich vil weis\hait
Line: 19
an nement, ez sei ain grôzer visch, der haiz cele\brant,
Line: 20
dar auf stê daz ertreich, und hab seinen sterz in dem 20
Line: 21
mund: wenn sich der weg oder umbkêr, sô pidem daz ert\reich.
Line: 22
daz ist ain türsenmær und ist niht wâr und ge\leicht
Line: 23
wol der juden mær von dem ohsen Vehemot. dar umb
Line: 24
schüll wir die wârhait sagen von dem ertpidem und von
Line: 25
den wunderleichen dingen, diu dâ von koment. der ert\pidem 25
Line: 26
kümt dâ von, daz in der erden hölrn und aller\maist
Line: 27
in holem gepirge vil erdischer dünst gesament
Line: 28
werdent, und daz der dünst alsô vil wirt, daz si niht
Line: 29
dar inne beleiben mügent; sô stôzent si umb und umb
Line: 30
an die wend und fliegent auz ainem kelr in den andern 30
Line: 31
und wahsent immer mêr zuo, unz daz si ain ganz gepirg
Line: 32
derfüllent, und daz wahsen pringt der stern kraft,
Line: 33
iedoch aller maist des streitgotes, der Mars haizt, und
Line: 34
des helfvaters, der Jupiter haizt, und des Satjârs. wenne
Page: 108 Line: 1
die in iren aigen häusern sint und wenn si gesament sint,
Line: 2
sô nu die dünst lang gevehtent in den hölrn, sô wirt ir
Line: 3
stôzen ze letst sô stark, daz si auz prechent mit gewalt
Line: 4
und werfent ainen perg auf den andero. mügent aber
Line: 5
si niht auz geprechen, zehant sô schütelnt si doch daz 5
Line: 6
ertreich vast. daz schüteln ist zwairlai. daz ain ist, daz
Line: 7
daz ertreich gêt wackelnd sam ain schef lanksam und
Line: 8
daz ertpidmen ist den vesten und den gepäwen minner
Line: 9
schad. daz kümt dâ von, daz der dunst für sich scheubt
Line: 10
die erden mit ainem gedrang und widerstœzt, sam dâ ain 10
Line: 11
mensch den andern dringt und wider hinder sich seigt,
Line: 12
sam ain schef, daz hin und her waget in dem wazzer.
Line: 13
daz ander pidem ist, daz diu erd schotelt snell, sam dâ
Line: 14
ainr den andern mit den henden schütelt. daz ist den
Line: 15
vesten gar schad, wann dâ von vellt daz gepäw nider. 15
Line: 16
daz ist dâ von, daz ain dunst den andern jagt und snell
Line: 17
stœzt von ainer seiten zuo der andern. alsô derschütelt
Line: 18
sich oft ain man nâch dem und er sich seins prunnen hât
Line: 19
benomen, wann der kalt luft sleicht in den leip und jagt
Line: 20
die haizen gaist in dem leib, alsô daz sich der mensch 20
Line: 21
schüteln muoz. daz aber der sach alsô sei, daz vind wir
Line: 22
mit starken zaichen. daz êrst ist, daz vor dem ertpidem
Line: 23
daz ertreich oft seust und wispelt, sam hundert tausent
Line: 24
slangen dâ wispelten, oder püllt und lüet sam gräuleich
Line: 25
ochsen. daz ist dar umb, daz der dunst in der erden 25
Line: 26
sich auf macht und twingt sich durch alle die lüeger,
Line: 27
diu er vinden mag, reht sam der wein seugt auz ainem
Line: 28
viehteinne väzlein und daz dâ verspunt ist, wann sô gêt
Line: 29
der luft datz den engen nüeten ein und seust in dem
Line: 30
getwang. wenne aber diu hölr lank und weit sint, sô 30
Line: 31
lüeget er sam diu grôzen herhorn. daz ander zaichen
Line: 32
ist, daz diu sunn tunkel wirt des tages oder rôt, daz ist
Line: 33
von dem erdischen dicken rauch, der auf gevarn ist in
Line: 34
die lüft zwischen der sunnen und unserm gesiht. daz
Line: 35
dritt zaichen ist, daz der luft vor und nâch sô gar ver\gift 35
Line: 36
wirt,daz vil läut dâ von sterbent. wann sô der
Page: 109 Line: 1
erdisch dunst lang gestêt in der erden beslozzen, sô fault
Line: 2
er an im selber und wirt gar vergiftig. daz prüefen wir
Line: 3
an den verworfenne tiefen prunnen, die lang verworfen
Line: 4
sint gewesen: wenn man die vegen wil und si wider auf
Line: 5
wirft, sô sterbent oft die êrsten veger, die dar ein 5
Line: 6
klimment. daz ist oft gesehen. wir prüefen auch daz
Line: 7
an den perchknappen, die in die gruob varnt, die werdent
Line: 8
etswie vil wirbig in irm haupt, alsô daz si gern vehtent
Line: 9
sam die trunken läut, und ist doch der selb dunst niht
Line: 10
lang stênd an ainr stat beslozzen in der erden, wan die 10
Line: 11
gruob sint offen. von wârhait geschâhen grôzeu dinch
Line: 12
von dem ertpidem in Kärnden ze der stat Villach, dô
Line: 13
man zalt von Christi gepürt dreuzehenhundert jâr, dar
Line: 14
nâch in dem aht und vierzigistem jâr an sant Pauls tag
Line: 15
als er bekêrt wart, wan gar vil läut verdurben in der 15
Line: 16
vorgenanten stat und vieln diu münster nider und diu
Line: 17
häuser und etswâ ain perg auf den andern, wan der
Line: 18
ertpidem was umb vesperzeit und was sô stark und sô
Line: 19
grôz, daz er sich raicht unz über die Tuonawe in Mär\hern
Line: 20
und auf gên Paiern unz über Regenspurch und 20
Line: 21
werte mê dann vierzig tag, alsô daz nâch dem êrsten ie
Line: 22
ain klainr kom dar nâch über etswie vil tag oder wochen.
Line: 23
ez kom auch in dem selben geperg ain mercleicher ert\pidem
Line: 24
dâ nâch in dem andern jâr an sant Stephans tag
Line: 25
als er funden wart. nu prüef: waz dunstes in dem 25
Line: 26
grôzen geperg beslozzen sei gewesen, der het sich ge\sament
Line: 27
manig jâr. dô der nu auz prach in die lüft, dô
Line: 28
was niht unpilleich, daz er vergifte den luft enseit des
Line: 29
gepergs mêr dann über vil hundert langer meil und
Line: 30
auch hie disseits gar verr. daz wart wol schein, wan der 30
Line: 31
grœst sterben kom in dem selben jâr und in dem næhsten
Line: 32
dar nâch, der nâch Christi zeiten ie geschach oder leicht
Line: 33
vor, wann ez sturben läut ân zal in den steten pei dem
Line: 34
mer, sam datz Venedi und datz Marsili und über al in
Line: 35
Püllen und ze Aviniôn. in dem êrsten jâr des grôzen 35
Line: 36
ertpidems was der jâmer sô grôz, daz der pâbst Clemens
Page: 110 Line: 1
der sehst ain new mess machte für den tôt, ob man got
Line: 2
gevlêhen möht, daz er sich über daz volk erparmt. diu
Line: 3
mess huob sich an: recordare domine testamenti tui. ez
Line: 4
sturben auch des selben jârs gar vil läut in dem geperg
Line: 5
und hie auzen in etsleichen steten, aber gar vil volkes 5
Line: 6
starb in dem næhsten jâr dâ nâch in der stat ze Wienne
Line: 7
in Oesterreich, alsô daz man zalt von sunwenden unz
Line: 8
auf unser frawen tag als si geporn wart mêr wan vierzig
Line: 9
tausent leich und sô vil hin über, daz daz ân zal was,
Line: 10
in der ainen stat ze Wienne, und strekt sich der sterb 10
Line: 11
auf gegen Paiern unz ze Pazzaw und vil verrer. der
Line: 12
gemain sterb kom zwâr von dem vergiften luft, des nim
Line: 13
ich ain urkünd an vil dingen. daz êrst ist, daz sich
Line: 14
der sterb erhuob des êrsten in dem gepirg und in den
Line: 15
mersteten, wan dâ was der dunst aller grœst und aller 15
Line: 16
vergiftigist, dar umb, daz daz mer den luft beslozzen het
Line: 17
in der erden âdern nâhent pei dem mer und in dik macht
Line: 18
und fäuht, daz er gar sêr fault, und dar umb wirt auch
Line: 19
daz wazzer vergift. daz ander ist, daz daz mêrer tail der
Line: 20
siechen läut, die dâ sturben, swern gewunnen under den 20
Line: 21
üehsen und in den geswern vant man dick maden, oder
Line: 22
sô si etleich tag werten, sô vant man nihts dar inne dann
Line: 23
ainen dunst oder ain pœse fäuhten dâ mit. daz was dar
Line: 24
umb, sô der mensch den pœsen luft in sich het gezogen
Line: 25
und der belaib in der prust umb daz herz, sô wolt diu 25
Line: 26
nâtûr dem herzen ze helf komen und traib die vergift
Line: 27
under die üehsen, sô wurden denn geswern dar auz, und
Line: 28
sô diu nâtûr den vergiftigen rauch niht wol auz getreiben
Line: 29
moht, sô versêrt er daz herz und erstekt den menschen,
Line: 30
und dar umb sturben jung menschen zarter nâtûr gar 30
Line: 31
vil und aller maist jung frawen. daz dritt zaichen ist, daz
Line: 32
der sterb niht vil schat in dem andern jâr nâch dem
Line: 33
grôzen ertpidem den, die dô verr hin dan wâren von dem
Line: 34
geperg auf hôhen vesten. daz was dar umb, daz sich der
Line: 35
swær luft her dan von dem geperg, dâ er sich erhuob, 35
Line: 36
naigt zuo der erden und daz der hôch luft rainer belaib
Page: 111 Line: 1
wan der nider. daz vierd zaichen was, daz vil grôzer
Line: 2
nebel wurden sêr prünseln und stinken in den herbsten
Line: 3
und in den wintern der zwair jâr, wann der erdisch dunst
Line: 4
in den lüften entslôz sich in die nebel und wart sô dick, daz
Line: 5
er sich zuo der erden sankt und was zemâl schad den, die 5
Line: 6
in des morgens nüehtern in sich zugen. dar umb besluzzen
Line: 7
sich witzig läut in irm gemach und machten daz wol\smeckend
Line: 8
mit edeln dingen und âzen und trunken fruo,
Line: 9
daz der pœs luft den leib iht eitel fünd. si behuoten
Line: 10
sich auch, daz si niht über die siechen giengen, daz der 10
Line: 11
vergift âtem und der tœtleich dunst iht in si gieng. daz
Line: 12
fünft was, daz die pirn in dem wazzer ob swummen, die
Line: 13
andereu jâr ze podem vielen. daz was dar umb, daz der
Line: 14
vergift dunst si durchpaiz und durchnuog, daz si vil luftes
Line: 15
in sich zugen, und dar umb swummen si ob. dar umb 15
Line: 16
wâren auch die früht schad, man süt si dann wol oder
Line: 17
priet si wol, und reht alsô durchpaiz auch der pœs luft
Line: 18
des menschen herz haimleich; unz si sein dann innen
Line: 19
wurden, sô was der schad ergangen. diu wârhait was
Line: 20
mangem menschen verporgen und sprâchen etleich, ez 20
Line: 21
wær von ainem sunderleichen gestirn: die weil daz wert,
Line: 22
sô müest auch der sterb wern. daz was ze verr von
Line: 23
dem zil gerant, wann wir wizzen wol, daz alliu diu dinch,
Line: 24
diu in den vier elementen geschehent, von der stern
Line: 25
kreft koment. idoch muoz man sagen, in welher weis si 25
Line: 26
ditz oder daz pringen, ob si ez mit hitz oder mit kelten
Line: 27
oder mit andern sachen pringen. ez was auch verr von
Line: 28
dem weg, daz si sprâchen, der sterb werte als lang, als
Line: 29
lang der stern anplik wert und ir samnung, wan etleicher
Line: 30
stern samnung die aller trægest sint wert neur ain jâr, 30
Line: 31
sam Saturni und Jovis in ainem zaichen, die andern sint
Line: 32
alle sneller. nu werte der sterb laider lenger wan ain
Line: 33
jâr. doch wolt ich den nie geschaden in irm weissagen
Line: 34
unz nu in disem neunundvierzigistem jâr nâch dreizehen\hundert
Line: 35
jârn von Christi gepürt, dar umb sprich ich, daz 35
Line: 36
er sô lang wert, unz der vergift dunst den luft raumt,
Page: 112 Line: 1
und daz geschiht von tag ze tag. wer waiz aber des ain
Line: 2
rehtez zil, der lebt niht auf erden. die andern sprâchen,
Line: 3
ez wær der gotes gewalt. sicherleichen, daz was wâr,
Line: 4
wann alliu dinch würkent in der kraft gotes, ân den
Line: 5
sünder allain: der würkt wider got und ist sein werch ân 5
Line: 6
got. ich sprich aber mit urlaub, daz got die welt möht
Line: 7
niderslahen in aim augenblick ân aller siechtagen hilf
Line: 8
wenne er wolt und wâ er wolt. des tet er niht in den
Line: 9
zeiten, wan die pei der zeit auz den landen fluhen die
Line: 10
genâsen, und waz ritterschaft in Püllen was mit küng 10
Line: 11
Ludweigen auz Ungern, dô er seins pruoder tôt rach, die
Line: 12
fruo âzen und trunken und in der füll lebten, den ge\schach
Line: 13
nihts. welhe aber sich hungerten, sam die Walhen
Line: 14
pflegent, die sturben, wan der pœs luft durchgieng si.
Line: 15
nu waiz ich wol, daz got den vollen vinden kan sam den 15
Line: 16
læren. die dritten sprâchen, daz die juden all prunnen
Line: 17
heten vergift und wolten die christenhait tœten, und vant
Line: 18
man säcklein in vil prunnen mit vergift, und tôt man
Line: 19
ir ân zâl vil an dem Rein, in Franken und über al in
Line: 20
däutschen landen. wærleich, ob etleich juden daz tæten, 20
Line: 21
des waiz ich niht: wær aber ez geschehen, daz hêt auch
Line: 22
geholfen zuo der êrsten sach. iedoch waiz ich daz wol,
Line: 23
daz ir ze Wienne als vil wâren sam in kainer stat, die
Line: 24
ich west in däutschen landen, und daz si dâ alsô sêr
Line: 25
sturben, daz si irn freithof vil weitern muosten und zwai 25
Line: 26
häuser dar zuo kaufen. hæten si in nu selber vergeben,
Line: 27
daz wær ain tôrhait gewesen. iedoch wil ich der juden
Line: 28
pôshait niht värben, wan si sint unser frawen veint und
Line: 29
allen christen. wizz auch, daz der ertpidem vil wunder\leicher
Line: 30
werch würkt. daz ain ist, daz dike von dem 30
Line: 31
dunst, der auf gêt von dem ertpidem, läut und andreu
Line: 32
tier ze stainen werdent und allermaist ze salzstainen und
Line: 33
allermaist auf dem gepirg und dâ pei, dâ man salzerz
Line: 34
grebt. daz ist dâ von, daz derlai dunst und kraft sô stark
Line: 35
ist und sô überswenkig, daz si diu tier alsô verkêrt. alsô 35
Line: 36
lêrent die maister von der nâtûr, Avicenna und Albertus.
Page: 113 Line: 1
alsô sait mir auch maister Pitrolf herzog Fridreichs canzlær
Line: 2
in Oesterreich, daz auf ainr hôhen alben in Kärnden wol
Line: 3
fünfzig haupt menschen und rinder hie vor ze stainen
Line: 4
worden wærn, und daz diu mait noch under dem rind
Line: 5
sæz mit ainem hantschuoch, reht als si saz, ê si paideu 5
Line: 6
ze stainen wurden. daz ander ist, daz oft mit dem ert\pidem
Line: 7
auz der erden varnt üeseln und flammen, die
Line: 8
etswâ ain stat oder dörfer und stet verprennent. daz
Line: 9
geschiht dâ von, daz daz ertreich inwendig prinnet. daz
Line: 10
dritt ist, daz dik in dem ertpidem auz der erden vert vil 10
Line: 11
sandes und staubes, alsô daz er ain ganz dorf versenkt.
Line: 12
daz ist dâ von, daz daz ertreich inwendich sandig ist und
Line: 13
molwik und daz ez oben ain vest stark rinden hât, diu
Line: 14
den dunst haltet und besleuzt, daz er niht auz geslahen
Line: 15
müg. daz vierd ist, daz der dunst oft sô kranch ist, daz 15
Line: 16
er daz ertreich niht geschüten mag und daz er ez neur
Line: 17
erhebt über sich und sitzt danne wider nider. alsô ge\schiht
Line: 18
oft under den wazzern, diu vest gründ habent, und
Line: 19
sô ir gründ erhebt werdent, sô vleuzt daz wazzer auz.
Line: 20
dâ von koment dike grôz güzz auz den pergen, ân regen\wazzer 20
Line: 21
und auch ân snêwazzer, von den winden und von
Line: 22
den dünsten, die sich erhebent under der wazzer ursprinch
Line: 23
in den pergen.
Line: 24
Hie hât daz ander stück des puochs ain end.
Copyright TITUS Project
Frankfurt a/M 1999-2000. No parts of this document may be republished in any form
without prior permission by the copyright holder.