TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 121
Book: III
III.
Line: 25
Line: 26
HIE HEBT SICH AN DAZ DRITT STÜCK DES
Line: 27
PUOCHS.
Chapter / Strophe: A
A.
Line: 28
Line: 29
VON DEN TIERN IN AINER GEMAIN
Line: 30
Daz dritt stuck des puochs schol sagen von allerlai
Line: 31
tiern, und des êrsten von den, die dâ gênt auf der erden,
Line: 32
dar nâch von allem gefügel und denn von den wazzer\tiern.
Line: 33
Aristotiles spricht, daz diu tier, diu zwên füez
Line: 34
oder vier füez haben, vil pluots haben; aber die mêr 10
Line: 35
wann vier füez haben, diu haben niht pluotes. daz ver\stêt
Line: 36
man von dem pluot, daz in den runstâdern läuft;
Line: 37
aber die würm habent niht sämleichs pluotes, sam die
Line: 38
kintpeizen sint, wan si habent niht runstâdern, sam
Line: 39
Plinius spricht. ain gemainer lêrspruch ist, daz elliu 15
Line: 40
mertier herteu augen habent, sam si von pain gemacht
Line: 41
sein, und habent hert häut dar ob, dâ von, daz daz ge\salzen
Line: 42
wazzer in dem mer ir waicheu augen iht verderb,
Line: 43
wan ir augen möhten niht beleiben, si hiet denn diu
Line: 44
nâtûr sterker gemacht dann ander augen. dâ pei verstên 20
Line: 45
wir diser welt kint, diu ir gedenk versenkent in dem
Line: 46
üppigen unstæten mer diser armen werlt: die mügent ir
Line: 47
hert vernunft niht erhœhen noch gewaichen zuo gaist\leichen
Line: 48
dingen, si mag auch daz salz der êwigen weis\hait
Line: 49
niht durchgên. Aristotiles spricht: ain iegleich tier 25
Line: 50
mag seineu ôrn gewegen, ân der mensch, und daz ist
Page: 115
Line: 1
pilleich, wann der mensch schol diu götleichen gepot, diu
Line: 2
daz ôr hœrt, haben unwendeleichen in seiner sêl und in
Line: 3
seinem herzen. ain iegleich tier mag seinen undern kin\packen
Line: 4
gewegen, ân den cocodrillen, daz ist ain mertier, und
Line: 5
cencili, die wegent irn obern kinpacken, als her nâch kunt 5
Line: 6
wirt. diu zung, diu niht ze prait noch ze smal ist (daz ist diu
Line: 7
mitelmæzik), diu ist löbleich, wan die mag ain mensch zim\leich
Line: 8
gefüeren. dâ pei verstê, daz der mensch mæzig schol
Line: 9
sein mit worten, wan vil reden ist niht ân mail. er schol
Line: 10
auch niht zemâl sweigen sam ain stumm und sam ain 10
Line: 11
hunt, der niht gepellen mag. des menschen augen næhernt
Line: 12
mêr zuo ainander denn anderr tier augen nâch des men\schen
Line: 13
grœz; alsô schol in uns gesellet sein vernunft und
Line: 14
begir und gotes bekantnüss und unser selbes. Aristotiles
Line: 15
spricht: ain iegleich tier, daz ainen rauhen zagel hât, 15
Line: 16
daz hât ain klain haupt und grôz kinpacken. alsô sint der
Line: 17
fürsten zägel lanch, wan in volgent vil diener nâch, und
Line: 18
ist daz haupt (daz ist der sin oder diu vernunft) klain;
Line: 19
aber der kinpack (daz ist diu vræzichait) ist grôz. ain
Line: 20
iegleich tier, daz zwai hörner hât, daz hât der obern zend 20
Line: 21
niht und hât zwên päuch: ainen vorn, dâ ez daz ezzen
Line: 22
des êrsten ein vazzt unz daz ez geidruckt, und den andern
Line: 23
hinder paz, dâ ez daz ezzen dar nâch ein vazzt. aber
Line: 24
ain tier, daz niht hörner hât, daz hât neur ainen pauch,
Line: 25
sam der mensch und der leo und andreu tier. von der 25
Line: 26
fäuhten überflüzzichait und dem dunst in des tiers leib
Line: 27
wechst daz hâr, und von des ezzens überflüzzichait kümt
Line: 28
der fäuhten übermæzichait in dem leib. ain iegleich tier,
Line: 29
daz vil ünslits hât, daz hât wênig sâmen; alsô die läut,
Line: 30
die vaizt sint mit reichtum, die würkent gar wênig guotes. 30
Line: 31
daz verstê, ob si irn muot in den grôzen reichtum sô gar
Line: 32
versenkent, daz si got niht erkennent noch sich selber.
Line: 33
Aristotiles spricht, daz ain iegleich tier, daz vil hârs hât,
Line: 34
und ain iegleich vogel, der vil vedern hât, der ist un\käusch
Line: 35
und hât vil sâmen, den er gesæen mag. sô sich 35
Line: 36
diu vaizten ie paz mêrt in dem tier, sô minnert sich
Page: 116
Line: 1
daz pluot ie vester in dem tier. welhez mensch vil
Line: 2
pluotes hât, daz altet schier, reht sam daz getraid tuot,
Line: 3
daz ze vil fäuhten hât. man vint rennen in der jungen
Line: 4
tier magen, diu noch saugent und dar zuo idruckent, und
Line: 5
sô diu renne ie elter wirt, sô si ie pezzer wirt, und ist 5
Line: 6
guot für des leibes fluz und aller maist hasen renn und
Line: 7
des hirzes. der tier fräulein sint krenker wan die man,
Line: 8
ân diu perinne und diu leupartinne. under den vier\füezigen
Line: 9
tiern ist daz fräwel vil gelerniger wann daz
Line: 10
mändel. Alfragânus spricht: des hundes milch ist dicker 10
Line: 11
dann kains andern tiers milch, ân des sweins und des
Line: 12
hasen milch. er spricht auch, daz ain iegleich vierfüezigz
Line: 13
tier begert der unkäusch in dem lenzen allermaist. daz
Line: 14
flaisch aller vierfüezigen tier ist pœs, wenn si ir narung
Line: 15
suochent an wäzrigen steten. ain iegleich tier, daz ainen 15
Line: 16
praiten kurzen zagel hât, leit mêr den winter, wan daz
Line: 17
ainen langen zagel hât. daz rint hât ain grœzer stimm
Line: 18
wan der ohs, und alliu weibel anderr tier habent klainer
Line: 19
stimme wann diu mändel. er spricht auch, daz pfert und
Line: 20
daz maul, der helfant und daz kämlein habent ir gallen 20
Line: 21
niht besunder in ainem plæslein sam andreu tier, aber
Line: 22
si habent âdern, dâ gallen inne ist. er spricht auch mêr,
Line: 23
der wolf, der fuchs und der hunt gepernt ireu kint alsô
Line: 24
plint. Aristotiles spricht, die götlær oder die weissagen
Line: 25
sprechent, wenne sich diu tier von enander tailnt, daz 25
Line: 26
bedäut streit zwischen den menschen, aber wenn sich diu
Line: 27
tier samnent und ainz dem andern volget, daz bedäut
Line: 28
vrid. er spricht auch, welhiu tier lang an ainr stat
Line: 29
wonent, diu streitent gern mit enander, ist daz si wênig
Line: 30
ezzens habent, sam daz männel kriegt wider daz wei\bel 30
Line: 31
und der vater wider den sun, und wenne des ezzens
Line: 32
vil ist, sô koment diu wilden tier wider und werdent
Line: 33
zam. der tier streit ist neur umb ir ezzen und umb ir
Line: 34
wonung. welhiu tier rôch flaisch ezzent, diu streitent
Line: 35
mit allen andern tiern, wan si nement ir ezzen von in 35
Line: 36
allen. welhez tier vil wäzriger nâtûr ist, daz ist vorhtig:
Page: 117
Line: 1
vorht macht des leibes nâtûr kalt. welhez tier haiz pluot
Line: 2
hât, daz hât ain lungel, diu den luft in sich ziech, dar
Line: 3
umb, daz diu hitz von dem luft gesänftigt werd. aber
Line: 4
daz niht haiz pluot hât, daz bedarf der lungel niht. ain
Line: 5
iegleich tier, daz vil hârs hât, daz hât zæhen sâmen; 5
Line: 6
alsô der alweg in wollusten seins leibes lebt, der mag
Line: 7
niht lautreu werch gehaben. welher man vil hârs hât an
Line: 8
dem part und an der prust, der macht schier kint, und
Line: 9
allermaist, ob er swarz ist. ain iegleich tier, daz aug\prâw
Line: 10
hât, daz tuot si in dem slâf zuo, ân den hasen 10
Line: 11
und den leben. ain iegleich ackertier, daz säglisch zend
Line: 12
hât, daz izzet flaisch. dâ pei verstên wir die fürsten, die
Line: 13
pœs diener habent, die frezzent armen läuten daz ir.
Line: 14
welhiu tier vil zend habent, diu lebent lang daz mêrer
Line: 15
tail; aber diu wênig zend habent, diu sint kurzes lebens. 15
Line: 16
ain iegleich tier, daz niht lungen hât, daz hât niht stimm;
Line: 17
iedoch mag ez ain lungen haben, daz ez niht stimm hât.
Line: 18
kain tier sæt seinen sâmen slâfend oder wachend auz\wendig
Line: 19
seins weibes schôz, ân allein der mensch. dâ pei
Line: 20
verstêt man des menschen pôshait. aller tier zuonemen 20
Line: 21
ist von dem, dâ ir nâtürleich glust an ligt. alsô nem wir
Line: 22
allermaist zuo an menschleicher sælichait von got, der
Line: 23
unser vernunft aller lustigst ist. alliu diu tier, diu
Line: 24
idruckent, diu bezzernt sich gar vil und behelfent sich
Line: 25
mit dem idrucken, wan si enpfindent dar an irs wolge\lustes 25
Line: 26
und werdent sneller vaizt von aim klainen ezzen
Line: 27
wan andreu tier, diu niht idruckent. daz geschiht von
Line: 28
dem wolgelust irs idruckens. alsô welheu sêl gotes lêr
Line: 29
oft her wider nimt und die wol betraht mit ganzer an\dâcht,
Line: 30
diu wirt vaizt in götleichen genâden und wirt 30
Line: 31
truncken in götleicher minne. ain iegleich tier, daz niht
Line: 32
gallen hât, lebt lang, sam der elephant, der hirz, daz
Line: 33
kämel und daz merswein. alsô die sänftigen läut er\werbent
Line: 34
daz lant und daz erb der lebentigen in dem êwi\gen
Line: 35
leben. ain iegleich tier vierfüezig hât ainen zagel. 35
Line: 36
aber der mensch hât kainen sterz. iedoch hât er afterpell
Page: 118
Line: 1
an des sterzes stat und fuort im daz die afterpell daz
Line: 2
andern tiern den sterz fuort. alsô ist auch dem pern und
Line: 3
dem affen. welheu tier grôzes leibs sint, diu gepernt
Line: 4
niht vil, wan ir kost und ir narung entsleuzt sich vil in
Line: 5
in und gêt in ireu glider; dar umb habent si wênig über\flüzzichait 5
Line: 6
und wênig sâmen. alsô sint laider die läut auf
Line: 7
ertreich, die grôz wirdikait habent, sam pistuom, pröbstei
Line: 8
und ander prêlâtûr, die wênig früht pringent mit predigen
Line: 9
und mit andern guoten werken. dar umb sô des men\schen
Line: 10
sin sich ie auf mêr naigt, sô er zuo iegleichem 10
Line: 11
ding ie klainr ist. ain iegleich tier, daz sein ezzen slindet
Line: 12
und niht kewt, daz ist mager, sam der wolf und der leb;
Line: 13
wan sô daz ezzen niht wol gemaln ist, sô fuort ez den
Line: 14
leip niht wol. etleich sprechent, daz uns mangeu tier
Line: 15
übertreffen an den fünf sinnen: der per oder der eber 15
Line: 16
an dem gehœrd, der luhs an dem gesiht, der aff mit dem
Line: 17
versuochen in dem mund, der geir mit dem smack (wan
Line: 18
der smeckt daz âs gar verr), diu spinnev́mit der gerüerde.
Line: 19
diu tier diu sint unsätleich, den ir ezzen zehant auz dem
Line: 20
magen gêt, sam der wolf und sämleicheu tier, und under 20
Line: 21
den vogeln der pellicân und daz taucherlein, daz ze latein
Line: 22
mergi haizt. alsô sint die menschen mager in guoten
Line: 23
werken, die gots wort zehant lâzent und sein vergezzent,
Line: 24
wan mangez spricht: ʼach, wie ain guot predig der herr
Line: 25
heut tet!ʼ sô frâg ich ʼwaz hât er gesait?ʼ ez antwürt: 25
Line: 26
ʼwærleich, ich enwaiz!ʼ der mensch hât aht ripp und
Line: 27
etleichz zeheneu. aber diu tier, diu hörner tragent, habent
Line: 28
dreizehen, die slangen dreizig. Plinius spricht, welheu
Line: 29
tier von nâtûr lengers lebens sint, diu sint lenger zeit in
Line: 30
irer muoter leib. man frâgt, war umb etsleicheu tier niht 30
Line: 31
idrucken? daz ist dar umb, daz etleich tier gar ainen
Line: 32
haizzen magen hât, dar umb kocht ez sein ezzen leiht,
Line: 33
daz ez der nâtûr eben ist, und daz selb idruckt niht, sam
Line: 34
daz swein, der hunt und sämleicheu tier. aber andreu
Line: 35
sint, die kalt magen habent, die müezent idrucken und 35
Line: 36
ir ezzen zwir maln, daz ez ir mag gekochen müg, sam
Page: 119
Line: 1
diu rinder, die hirz und den geleicheu tier. wizz auch,
Line: 2
daz diu selben tier trückner und herter vaizten habent,
Line: 3
und sterker ünslit dann die haize magen habent. diu
Line: 4
haizen tier bedäutent die sinnereichen schuoler, den haiz
Line: 5
und lieb ze lernen ist, die vestent gar leihticleichen die 5
Line: 6
kost der hailigen geschrift. aber diu kalten tier bedäutent
Line: 7
die trægen schuoler ze lernen, die die hailigen geschrift
Line: 8
swærleich enpfâhent, wan in die pœsen sêl, diu zuo loter\hait
Line: 9
ist genaigt, kümt diu weishait niht, sam Salomôn
Line: 10
spricht. die habent herter ünslit wan die andern, daz ist, 10
Line: 11
si habent ir süezen und ir wollust ân götleich andâcht,
Line: 12
die dienent der naht und niht dem tag, die vallent leiht
Line: 13
nider auf den aftern, wan si vergezzent der künftigen
Line: 14
sælichait und ergebent sich der erdischen üppichait.
Line: 15
iedoch wizz, daz daz schâf ainen haizen magen hât und 15
Line: 16
idrucket doch. daz ist dar umb, daz ez pœs zend hât
Line: 17
und daz ezzen niht wol gemaln mag. alsô tuont die
Line: 18
sinnereichen maister und schuoler, die lesent oft daz her
Line: 19
wider, daz si vor wol künnen, wan si habent der scharpfen
Line: 20
zend niht, dâ mit si die üppichait der werlt niezent. 20
Line: 21
Nu hab wir gesait von den tiern in ainr gemain;
Line: 22
für paz well wir sagen von ainem iegleichen tier aigenc\leichen,
Line: 23
und des êrsten von den, der nam sich ze latein
Line: 24
anhebt an ainem A, dar nâch an ainem B, reht als daz
Line: 25
ABC stêt. 25
Copyright
TITUS Project
Frankfurt a/M 1999-2000. No parts of this document may be republished in any form
without prior permission by the copyright holder.