TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 412
Chapter / Strophe: 34
34.
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VON DEM ÖLPAUM.
Line: 3Olea oder oliva haizt ain ölpaum, sam Isidorus
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spricht. des fruht haizt ze latein oliva und sein saf, der
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auz den fäuhten kümt, haizt oleum und haizt ze däutsch 5
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paumöl. der paum ist gar ain freuntleich paum. sein öl
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ist grüen, sänft und vaizt. daz macht diu augen lieht
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und die siechen gesunt. sein êrster zäher ist gar süez,
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der ander niht sô süez, der dritt pitter und ungesmach.
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daz verstên ich alsô, daz man die ölfrüht dreistunt twingt 10
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und druckt und presst und daz der êrst saf daz pest sei
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und daz edlist. des ölpaums plüet sint wunderleich ge\stalt,
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si habent niht vil pleter sam anderr paum plüet,
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wan si habent daz mêrer tail neur zwai plätel und sint
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weiz und gesprängt mit ainer gelben varb und die plüet 15
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sint den swangern frawen gar schad. Augustînus spricht
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zuo seinen münchen: daz öl ist unsern leiben gar ge\sunt,
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aber den vierfüezigen tiern ist ez gar schad. wenn
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man den ölpaum pelzet und ablist, sô schickent die Krie\chen
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raineu kint und maigd zuo den werken. der öl\paum 20
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mag niht gewachsen und zuo genemen mit andern
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paumen, er muoz besunder stet haben. er wirt auch un\fruhtpær,
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wenn daz vich und die läut vil umb in gênt
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und daz ertreich umb seinen stam nider tretent, und nimt
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ab, sô in die gaiz laidigent. er teuft sein wurzel niht 25
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verr in die erd und wechset mêr von dem regenwazzer
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wan von den pächen oder von prunnwazzer. wenn öl
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gekocht ist mit warmen dingen, sô ist ez ain warm erz\nei,
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und mit kalten dingen ain kalteu erznei. ez hât
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auch die art, daz ez die peizenden schenpf in den wunden 30
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und in den geswern vertreibt. waz dings in öl gekocht
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wirt, daz læzt im sein aigen fäuhten und verleust die.
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wizz, öl wol geläutert scherpft minner und peizt denn
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kain ander erznei, wan tuot man ez in ain aug, ez be\rüert
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niht vil und ist doch daz aug gar zart. ez hailt 35
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auch die nezzelpizz und anderr kräuter nagung. ez wermt
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den leip reht sam daz ezzen, dâ mit man ez izt, under
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den dingen, diu dâ hitzent und küelent. ez hilft auch
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den müeden und den swærn glidern, dar umb, daz ez
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diu obern tail durch gêt und verwaichet in die stuck des 5
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leibes, diu verstarrt oder verhertt sint, oder dar umb,
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wenn man diu glider dâ mit reibet, sô entlœzt ez und
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zeuht die fäuhten auz, die von der arbait zwischen daz
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vel komen sint. wenn die schefleut öl nement in ir münd
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und lâzent ez under dem wazzer under sich in daz mer, 10
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sô scheint ez. wer warm wazzer vast klopfet und trüf\telt
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mit öl, daz ist den müeden glidern gar guot, wan
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des warmen wazzers würken beleibt lang in den gelidern.
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Aristotiles spricht, wer öl vorn in der slangen hol geuze,
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der wer in irn herauzganch. er spricht auch, ez hab 15
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ain iegleich dinch in der werlt öl, aber daz ist niht ainr
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lai. daz öl und ain iegleich vaizt macht daz feur sêr
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prinnent und macht der flammen rôst haizer, und dar
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umb prinnent die pœsen christen vast in der hell, die
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daz hailig öl und die andern hailichait unwirdicleich en\pfangen 20
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habent. ez wær wol, daz der pœs gaist manig
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pôshait ân öl fræz. wenn man ain schermezzer mit öl
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sänftigt, dâ mit schirt man dester sänfter. wenn man
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im lâzen wil, der dann den arm mit gemainem paumöl
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salbet, dem gêt diu âder dester leihticleicher. wer sei\nen 25
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leip mit öl salbet, des leib wirt füegsam zuo künf\tiger
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arbait.
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Dem zarten edeln ölpaum geleicht sich diu schönist
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ob allen frawen in der geschrift und spricht von ir selber
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ʼich pin erhœcht sam ain gar schœner ölpaum auf dem 30
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veld.ʼ eyâ, dû gar schœneu genâden vol, hail mein
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scharpf wunden meiner durchsiechen sêl mit dem süezen
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sänften öl deiner überflüzzigen güet, mach mein müeden
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glider an guoten werken resch, wan ich stên auf disem
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ellenden veld und wart deiner genâden mit andern sün\dærn, 35
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die sich dein fräuwent.
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