TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 432

Chapter / Strophe: 54 
   54.
Line: 13
   
Line: 14
   VON DEM WEINREBEN.



Line: 15    Vitis haizt ain weinreb. der hieze paz ain staud wan   15
Line: 16    ain paum. wenn man die weinper in ainen warmen ofen
Line: 17    legt und derrt si dar inn, die haizent ze latein uva passa,
Line: 18    daz sint geröscht weinper. des weinreben plüet tœtent
Line: 19    die slangen und der weinreben zäher, der dar auz tropfet
Line: 20    wenn man si besneidet, vertreibt die räudichait und die   20
Line: 21    schebichait. sein wurzel vertreibt die unsauberkait und
Line: 22    daz aiter auz den ôrn, wenn man si stœzt. ir saft pricht
Line: 23    den stain in der plâtern. nim die grüen weineste wenn
Line: 24    man si absneidet und röscht si in ainem feur, unz si des
Line: 25    feurs enpfindent an ir prunst, und zeuch si dann her wider   25
Line: 26    auz und trück dar auz wazzer, daz ist den wäzrigen augen
Line: 27    guot und den kranken augen, wenn man daz wazzer dar
Line: 28    ein tuot. dû scholt nâch miltem weinlesen wênig trinken
Line: 29    und nâch klainem weinlesen trink paz und milticleicher.
Line: 30    daz verstên ich alsô. dû scholt niht den wein trinken   30
Line: 31    dar nâch und dû sein vil oder wênig hâst: dû scholt den
Line: 32    wein dir selber trinken ze nutz nâch rehter mâz. alsô
Line: 33    pis den milten reben arch und den argen milt. slehtez

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Line: 1    velt pringt mêr weins, aber gepirg pringt edlern wein.
Line: 2    der sudenwint, der auster haizt, edelt den wein in den
Line: 3    weinreben dar umb, daz er warm ist; aber der norden\wint,
Line: 4    der aquilo haizt, mêret den wein in den weinreben,
Line: 5    die gegen im stênt dar umb, daz er wäzrig ist. die wein\per   5
Line: 6    sint gesünter über drei tag ze ezzen dar nâch und
Line: 7    man si gelesen hât, dann an dem êrsten tag, wan si
Line: 8    plæent alsô frisch; wenn aber der plæend dunst auz ge\reucht,
Line: 9    sô sint si pezzer. wer die weinper behelt und si
Line: 10    auf hæht oder si paizt mit honig oder mit zukker in ainem   10
Line: 11    ofen gerœscht, die fuorent wol. der weinreb hât die art,
Line: 12    daz er ain seit an dem ast an ainem knoden daz weinplat
Line: 13    auzscheuzt und ander seit die weinper. wenn die wein\reb
Line: 14    geprant werdent von ainem kalten wind, sô mêrent
Line: 15    si diu pleter und niht die weintrauben. Jacobus spricht,   15
Line: 16    der weinreben zäher schad den vergiftigen tieren. mitel\mæzig
Line: 17    wein ist guot, den schol man nemen nâch der wal.
Line: 18    Galiênus spricht, sô der wein ie elter ist, sô er ie hitziger
Line: 19    ist. Aristotiles spricht, man versuocht an newem wein
Line: 20    oder an most, ob wazzer dar zuo gemischt ist oder niht;   20
Line: 21    wan wer ain ai dar ein legt, ist niht wazzers dâ pei, sô
Line: 22    swimt daz ai ob, ist aber wazzer dâ pei, sô vellet ez ze
Line: 23    podem. ganzer most hât zwair lai hitz: ain von seiner
Line: 24    aigen nâtûr, die andern von der stat seiner gepurt, dâ in
Line: 25    diu sunn gemacht hât, und diu zwivaltig hitz machet den   25
Line: 26    most wallend in dem vaz, dar umb swimt daz ai ob; aber
Line: 27    die hitz erlescht daz wazzer, dar umb velt dan daz ai
Line: 28    under. Galiênus spricht, süezer wein macht durst, wan
Line: 29    er mêret die hitz in dem menschen. Isidorus spricht,
Line: 30    welhe menschen geschickt sint zuo der wazzersucht, die   30
Line: 31    hüeten sich vor allem süezem wein. ez ist dreier lai wein.
Line: 32    der êrsten lai ist wäzrig und dünn, der ander erdisch und
Line: 33    dick, der drit hât ain mitel under den zwain. der lauter
Line: 34    wirt schier gekocht in dem magen und durchgêt die âdern
Line: 35    und pringet daz harmwazzer, und dar umb gibt man in   35
Line: 36    den sühtigen läuten, wan er hitzt niht vast und beraubt

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Line: 1    der sinn niht und schadet dem hirn niht und den âdern.
Line: 2    ist aber er gemischet, sô leschet er den durst dester paz.
Line: 3    Aristotiles spricht, wâ gar starker wein in ainem vaz ist,
Line: 4    der daz vaz zeprechen wil, dâ leg ain wênig kæss ein,
Line: 5    sô erlischt sein überwal, wan der kæs ist kalt und vol   5
Line: 6    löchel, dâ von zeuht er die hitzigen dünst in sich, der
Line: 7    den wal macht, und lescht in mit seiner kelten. Isidorus
Line: 8    spricht, die wein, die man auz korn und auz gersten
Line: 9    macht, sint niht zimleich und lâzent sich niht wol kochen
Line: 10    in dem magen und machent pœs dünst und pœs fäuhten   10
Line: 11    in dem leib; si verschoppent die leber und daz milz und
Line: 12    machent den stain in der plâtern und in den niern. er
Line: 13    spricht auch, guot wein fuoret den leib wol und pringt
Line: 14    und behelt gesunthait, ist daz man in zimleich trinkt von
Line: 15    der nâtûr nôtdurft, wan sô sterket er die kochenden kraft   15
Line: 16    in dem magen und in den gelidern. ez ist kain ezzen
Line: 17    oder kain trinken, daz die nâtürleichen hitz sô vast sterk,
Line: 18    sam der wein tuot: der benimt trauren und pringt vräud,
Line: 19    er wandelt der sêl laster in tugent, er kêret von unmilt
Line: 20    in milt, von unsänft in sänften muot, von hôchvart in   20
Line: 21    diemuot, von trâkhait in snellikait, von vorht in kuon\hait,
Line: 22    er ändert des muotes unwitz in ain hündichait oder
Line: 23    kluoghait und ungespræch in wolgespræch und ânsin in
Line: 24    sinnichait, und dar umb nâmen in die weisen läut, Perse
Line: 25    und Heleni, wenn si mit etswem weisleich reden wolten   25
Line: 26    oder etswaz newes vinden oder rât geben zuo gemainem
Line: 27    nutz der läut. der wein von dem land Neapolis hât die
Line: 28    art, daz er print reht sam ain öl, wenn man in in ain
Line: 29    feur geuzt, und der ist ain fuorung und ain kost. Isi\dorus
Line: 30    spricht, wer ain ai drei tag oder vier in ainen ez\zeich   30
Line: 31    leg, sô werd sein schal sô waich, daz man ez leiht
Line: 32    mit der hant drucken müg war ain man well und müg
Line: 33    ez sô lang geziehen, alsô daz man ez durch ain hant\vingerl
Line: 34    zieh. Galiênus spricht, daz der ezzeich gar
Line: 35    hilfleich sei den dingen, diu hitzig nâtûr habent, und gar   35
Line: 36    schedleich den, diu kalt nâtûr habent. Platearius spricht,

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Line: 1    vindet der ezzeich den magen vol, sô entsleuzt er in, vint
Line: 2    er in aber lær, sô besleuzt er in und zeucht in zesamen.
Line: 3    er spricht auch, wer ainen ezzeich bewæren well, ob er
Line: 4    guot sei, der giez in auf die erd oder auf eisen; wirt er
Line: 5    dann wallent, sô ist er guot, wallt aber er niht, sô ist er   5
Line: 6    niht guot. Galiênus spricht, lauter ezzeich mit wazzer ge\mischt
Line: 7    sumerzeiten küelt und lescht den durst; wazzer
Line: 8    mit wein oder mit ezzeich gemischt lescht den durst mêr
Line: 9    wan eitel wazzer, wan wein und ezzeich füerent daz waz\zer
Line: 10    in die tiefen des leibes und machent ez durchprechent,   10
Line: 11    wan der ezzeich hât die kraft, daz er ander ding kreft,
Line: 12    die im zuo gesellt sint, füert in die tiefen. daz westen
Line: 13    die unrainen juden wol, dô si unsern herren martrâten,
Line: 14    wan dô er in seinem pittern leiden hiench an dem cräuz,
Line: 15    dô schrai er mit lauter stimm ʼmich dürstet!ʼ und dô   15
Line: 16    gâben im die juden ezzeich mit gallen, dar umb, daz der
Line: 17    ezzeich seineu gelider durchgieng mit der gallen. ez
Line: 18    sprechent auch etleich, daz gemischter wein mêr trunken
Line: 19    mach wan ungemischter, wan der gemischt wein wirt
Line: 20    behend von dem wazzer und sleuft durch. er dünst auch   20
Line: 21    mêr von dem wazzer wan sunst, und der dunst oder der
Line: 22    rauch sleht in daz haupt und macht trunken, aber diu
Line: 23    trunkenhait wert niht sô lang sam von eitelm wein.






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