TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 440
Chapter / Strophe: 6
6.
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VON DEM BALSEMPAUM.
Line: 19Balsamus haizt ain balsempaum. daz ist ain paum
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oder ain staud; sam Jacobus und Solînus sprechent und 20
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ander maister in vil puochen, den man hie vor neur in
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dem land Judêa vant an der stat Jericho; aber in der
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zeit lauf fuorten in Egypcier auf daz velt ze Babiloni und
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dâ pawent in die christen, die gevangen sint in der hai\denschaft,
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wan sam Egypcier dick versuocht habent, wenn 25
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in die haiden pawent, sô beleibt er unfruhtpær, sam die
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historien sagent, daz sint die geschrift von den geschihten
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in den landen und in den zeiten. auf dem selben veld
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ze Babiloni sint sehs prunnen und in der ainem (sprechent
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etleich) hât unser fraw unsern herren Jêsum Christum 30
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gepadet und von dem prunnen und von den andern fünfen
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wirt des balsems velt durchfäuht. aber an andern steten
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gibt diu staud nümmer kainen balsemsaft. iedoch spricht
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Avicenna, daz diu erd durchfäuhtt werd, dâ der balsem
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wechst, von dem prünnel des veldes Engadi. Plinius
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spricht, daz des paums stam sei als ain weinreb und hab
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pleter als ain raut, aber si sein weizer und beleiben all\zeit.
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der paum hât die art, daz man in dick besneiden 5
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muoz und fräwet sich wazzers. wenn man den edeln
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balsemzaher ab dem paum nemen wil, sô muoz man in
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besneiden mit paineinn mezzern oder mit staineinn oder
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mit gleseinn mezzern und muoz gar seiht dar ein hacken,
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sô tropfet daz saf her ab in gleseineu vaz, diu man dar 10
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under setzet, wan besnit man die paum mit eisen, sô ver\dürben
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si. aber Avicenna und ander maister sprechent,
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man besneid si mit eisen. wenn man den balsem nu ge\samnet
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hât, sô behelt man in sehs môneid in ainem väz\zel
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under taubenmist, und nâch der zeit zeuht man in 15
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her auz, sô ist er lauter worden, und daz ist dar umb,
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daz der taubenmist hitzig ist, und der balsem behelt sein
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kraft, wenn er niht auzdünst. der zaher ist mêr werhaft
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denn kain ander zaher. der paum haizt balsamus, aber
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sein holz oder sein traub haizt xilobalsamum und sein 20
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sâm haizt carpobalsamum und sein saf haizt opobalsamum.
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Platearius spricht, daz opobalsamum die pesten und die
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geweltigisten kraft hab, wan ez ist haiz und trucken in
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dem vierden grâd mit seiner kraft, und dar umb, daz ez
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seltsam ist, velschet man ez dick und mit mangerlai 25
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dingen. wan etleich nement therebintenzäher, der there\bintina
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haizt, und mischent ain wênich balsems dar zuo,
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sô geleicht ez dem balsem; die andern nement nardenöl,
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daz von dem kraut nardo kümt, und mischent ez zuo
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therebintenzäher. 30
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Nu sprechent etleich, man schüll balsem alsô be\wæren.
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wer in vorn an ainen griffel tuo und in anzünd,
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sô prinn er, aber daz tuot ain therebintenzäher auch.
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Diascorides spricht, nem man des balsems ainen tropfen
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und tuo in in ain gaizein milch, sô gerinn si zehant und 35
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der balsemtropf vall ze podem. aber ez sint vil ding,
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diu die milch rennent. der balsem ist gelvar und gar
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lauter und man erkennt in alsô vor valschem balsem.
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ist daz man in mit aim griffel legt unden in ein wazzer,
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dâ beleibt er; legt man in ze mittelst, dâ beleibt er auch,
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und alsô tuot er, legt man in oben in daz wazzer. ez 5
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ist auch ain ander versuochen. tuo wazzer etswar ein
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und tuo in daz wazzer balsem und rüer daz wazzer mit
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aim holz; ist der balsem valsch oder ist ez therebinten\zäher,
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sô wirt daz wazzer trüeb, ist aber er gereht, sô
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wirt daz wazzer niht trüeb. Rabanus spricht, ist der bal\sem 10
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ganz und gereht, sô wirt ain wüllein tuoch niht un\sauber
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dâ von und gilt niht minner dann vor. mêr, wig
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balsem etswar inn und wig dar nâch therebintenzäher in
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der selben grœz in dem selben vaz: ist der balsem gereht,
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sô wigt er zwir oder dreistunt als swær sam der there\bintenzäher, 15
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wigt aber er neur ain klain mêr, sô ist er
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valsch. mêr, ist der balsem gereht, sô hât er sô grôz
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kraft, wenn man sein an der sunnen hitz ains tropfen grôz
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legt in die hant, daz mag diu hant niht verdoln, er dringt
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zehant durch die hant, wan kainerlai fäuht dringt sô vaste 20
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durch. Michahel der Schott spricht, der balsem hât die
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art, wenn man milch dar auf träuft, sô gerinnt si zehant;
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wenn man aber in auf wazzer geuzt, sô behelt er sein
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kraft. man läutert den balsem mit ezzeichwaschen, wenn
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man in dar inn welzet. er nimt kainer andern fäuht zuo\mischen. 25
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des gelaub ich Megenberær niht, wan sô möht
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man in niht sô wol gevelschen sam man tuot. der bal\sem
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hât die kraft, daz er entlœst und behelt die kreft
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und zeucht zuo im. under andern werken, diu er hât,
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treibt er daz tôt kint auz der muoter und zeuht daz päl\gel 30
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her für, dâ daz kindel inn ligt in der muoter, daz ze
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latein secundina haizt, und volgt dem kindel in der ge\purt,
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dar umb haizt ez secundina von dem wort sequor,
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daz haizt volgen. man schol balsem geben wider all
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veraltet siehtüem des hauptes mit ainer opiat, diu dem 35
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siechtuom zimleich sei. wer ain wahs fäuht macht mit
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ainem balsem und legt daz auf ain mâsen zehen tag
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(wan sô lang mag der balsem beleiben mit wahs und
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auch vierzig tag, geschiht sein nôt), sô vertreibt er die
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mâsen. er behelt der tôten leib ganz ân faulen gar vil
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jâr die man balsamt mit rehtem balsem. 5
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Dem balsem geleicht sich unser frawe in der ge\schrift
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und spricht ʼich hân ainen smack geben als ain
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wolsmeckender balsem.ʼ zwâr, daz spricht si mit lauterr
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wârhait, wan si aller tugenden vol sträwet ir grôz parm\herzichait
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auf uns arm sündær mit sô vil genâden, daz 10
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wir den himel mêr besitzen mit gewalt wan mit reht, und
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dar umb spricht diu geschrift ʼder gereht wirt kaum be\halten,ʼ
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wan man vindet kaum ainen menschen, der nie
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kain tôtsünd hab getân, ez sein zwelfpoten oder ander
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hailigen, ân unser frawen allain, und dar umb spricht 15
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auch diu geschrift ʼcelum vim patitur,ʼ daz spricht: der
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himel leidet gewalt. nu schaw, wie wir ze himel komen.
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parmherzichait muoz der wârhait begegen und gerehtic\hait
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muoz sänftig sein und fridsam. dar umb spricht der
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weissag in dem salter, diu parmherzichait und diu wâr\hait 20
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sint anenander begegent, diu gerehtikait und der
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frid habent anenander geküsset.ʼ des küssens fräw ich
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mich und gibt mir ain kraft, mêr dann aller balsem smack.
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