TITUS
Heinrich Seuse, Buch der Wahrheit
Part No. 8
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Chapter: VIII.    
Sentence: 386 
VIII. Wie adellichen sich haltet ein reht gelazsener mensch in allen dingen.


Sentence: 387    Darnah do kerte sich der Iunger aber mit ernste zuͦ der Ewigen Warheit und begerte o^vch etwas underscheides nah einem gemerke des ussern bildes eins menschen, der sich warlich gelazsen hetti, und fragte also: Ewigú Warheit, wie haltet sich ein solicher mensche in dien gegenwúrfen eins ieklichen dinges?
Sentence: 388    
Entwúrt: Er entsinket im selben und mit im ellú ding.
Sentence: 389    
Ein frage: Wie haltet er sich zuͦ dem zite?
Sentence: 390    
Entwúrt: Er stat in einem gegenwúrtigen nu ane behangnen fúrsaz und nimt sin nehstes in dem minsten als in dem meisten.
Sentence: 391    
Ein frage: Paulus sprichet, daz »dem gerehten enkein gesetzde gegeben ist«.
Sentence: 392    
Entwúrt: Ein gerehter mensche haltet sich nach siner gewordenheit underwúrflicher denne andrú menschen, wan er verstat in dem grunde von innen, waz von ussen eime ieklichen gezem ist, und nimet ellú ding uf also.
Sentence: 393    
Aber daz er nit bandes enhat, daz ist da von, wan er daz selb wúrket usser gelazsenheit, daz gemeinde wúrket usser bezwungenheit.
Sentence: 394    
Ein frage: Der in diser inniger gelazenheit úbersetzet ist, ist der nit entlediget von usseren uͤbungen?
Sentence: 395    
Entwúrt: Man sihet wenig menschen mit unverzerten kreften darzuͦ komen, da von du seist, wan daz abwúrken ersuͦchet ir innigostes gemarg, dien es wirt in der warheit.
Sentence: 396    
Und darumbe, wenne denne erkennent, waz ze tuͤnne und ze lazsenne ist, so blibent uf gemeinen uͤbungen, minr und me nach ire vermugentheit alder nach anderre gelegenheit.
Sentence: 397    
Ein frage: Wannen kumet etlicher guͦtschinender menschen groz gedrange und úbrigú engi, die hein an der gewizseni, und aber etlicher anderre menschen ungeordentú witi?
Sentence: 398    
Entwúrt: zilent noch beidú uf ir selbs bilde, aber misseliche, die ersten geistliche, die andern liplich.
Sentence: 399    
Ein frage: Gat ein solicher mensch alle zit muͤssig, alder waz ist sin tuͦn?
Sentence: 400    
Entwúrt: Eines wolgelazsenen menschen tuͦn ist sin lazsen und sin werk ist sin muͤssig bliben, wan sines tuͤnnes blibet er ruͤwig und sins werkes blibet er muͤzsige.
Sentence: 401    
Ein frage: Wie haltet er sich gegen sinem nehsten?
Sentence: 402    
Entwúrt: Er hat gemeinsame der lúten ane inbildunge und ain minlichi ane beheftunge und mitlidunge ane sorge in rehter friheit.
Sentence: 403    
Ein frage: Ist ein solicher mensche \ út schuldig ze bihtenne?
Sentence: 404    
Entwúrt: bihte, da geschihet von minnen, ist edeler, denne von schulden gat.
Sentence: 405    
Ein frage: Wie ist eins solichen menschen betten gestalt, ald hat er o^vch ze bettenne?
Sentence: 406    
Entwúrt: Sin gebet ist fruhtber, wan er nimet einen inbruch der sinnen, wan »got ist ein geist«, und nimet war, ob er sich iergent vermittelt habe ald ob er sich iergent fuͤre in keinem fuͤrgriffe dez sinsheit.
Sentence: 407    
Und da wirt ein lieht erze^oget in der obresten kraft mit eime erze^ogenne, daz got ist daz wesen und leben und daz wúrken in im und er dez selben alleine ist ein geze^owe.
Sentence: 408    
Ein frage: Wie ist gestalt eins solichen edelen menschen essen und trinken und schlaffen?
Sentence: 409    
Entwúrt: Nach usserkeite und nach sinnelicheit isset der usser mensche, aber nach einem iniehenne isset er nit, anders gebruchti er der spise und ruͦwe in vichlicheite.
Sentence: 410    
Und also ist es o^vch in andren sachen, die zuͦ dem menschen he^orent.
Sentence: 411    
Ein frage: Wie ist geschaffen sin ussere wandel?
Sentence: 412    
Entwúrt: Er hat nút vil wisen noch worten, und sint schleht und einveltig, und hat einen sittigen wandel, daz ding sunder in durch in flizsent, und ist ruͤwig in den sinnen.
Sentence: 413    
Ein frage: Sint ellú also?
Sentence: 414    
Entwúrt: Minr und me nach unglicheit dez zuͦvalles.
Sentence: 415    
Aber der weslich punct blibet gelich.
Sentence: 416    
Ein frage: Ist ein se^olicher mensche komen ze einem gantzen wissenne der warheite ald blibet im noch dunken und wenen?
Sentence: 417    
Entwúrt: Da der mensch im selber blibet, da blibet im o^vch daz dunken und wenen.
Sentence: 418    
Aber da er ime selber entgangen ist in daz, daz da ist, da ist ein wizsen aller warheit, wan es ist es selb, und er stat sin unangenomen.
Sentence: 419    
Und hie mitte si dir genuͦg geseit.
Sentence: 420    
Man kumet dar nút mit fragenne, mer mit rehter gelazsenheit kumet man zuͦ diser verborgnen warheit.
Sentence: 421    
Amen.


This text is part of the TITUS edition of Heinrich Seuse, Buch der Wahrheit.

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