TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 98
Chapter / Strophe: 11
11.
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VON DEM GESCHOPFTEN STERN.
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Der geschopft stern haizet ze latein cometa und ist
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niht ain rehter stern: er ist ain flamm und ain feur
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prinnend in dem obristen reich des luftes. dar umb 5
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scholt dû wizzen, daz daz hitzig gestirn an dem himel
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zeuht irdischen dunst auz der erden und wäzzerigen
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dunst auz dem wazzer und die dünst paide gênt auf in
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den luft, dar umb daz si leiht sint sam der luft. wenne
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nu daz ist, daz ain irdischer vaizter rauch aufgezogen 10
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wirt in den luft, sô enzündet er sich oben in dem luft
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pei dem feur ze næhst, und ist des dunstes vil, sô wert
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diu flamm lang, und gêt der materi ze stunden vil zuo
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auz dem ertreich, sô wert diu flamm lang und scheint
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uns des nahtes als ain stern, der an dem himel stêt, reht 15
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als ainer, der pei dunkelr naht reitt und verren siht ain
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lieht, den dunket daz lieht ain stern sein. diu flamm
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ist gehaizen von den maistern der geschopft stern, dar
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umb, daz funken von im vliegent und daz er zinzelt ge\gen
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dem tail der werlt, dâ im der dunst zuo gêt, der in 20
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nert und fuort. der stern bedäut hungerjâr in dem land,
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dâ er den schopf hin kêrt, dar umb, daz diu fäuhten auz
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dem ertreich ist gezogen und diu vaizten, dar auz süez
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wein und korn und ander früht schölten auz der erden
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gewachsen sein, und koment oft dâ mit vil kefern und 25
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häuschrecken. alsô sach ich ainen comêten ze Pareis, dô
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man zalt von gotes gepürt dreuzehenhundert jâr und siben
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und dreizig jâr, der werte mêr denne vier wochen und
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stuont gegen dem himelwagen und het den sterz gekêrt
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gegen däutschen landen und wegt sich mit ainr überwer\tigen 30
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wegung gegen mittem tag, unz er verschiet. dô was
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ich gar junk und prüeft doch allez, daz dâ nâch geschach,
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wann dâ nâch kürzleich kom ich her auz in däutscheu
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lant, dô kâmen sô vil häuschrecken geflogen von Ungern
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durch Oesterreich und durch Paiern auf über den Sant 35
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den Main ab gegen dem Rein, daz si sô vil getraides
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verderbten auf dem veld, daz manich gäuman verdarb.
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daz geschach dâ von, daz der stern kraft daz wüest lant
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in Preuzen und an etsleichen steten in Ungern, dâ ez
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hüelich was und mosich, beraubte seiner behenden fäuhten 5
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und liez die gerben dâ, auz den wart ain fäuhten und
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ain sâm, dar auz die häuschrecken wurden, wan ain ieg\leich
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tier hât sein aigen materi, dar auz ez wirt, dar umb
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ist ain wazzer vischreich, daz ander fröschreich.
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Der comêt bedäut auch streit und verræterei und un\trew 10
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und etleicher grôzen fürsten tôt und gemaincleich vil
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pluotvergiezens. alsô huoben sich dâ nâch in den næhsten
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jâren vil krieg und streit zwischen dem küng in Franken\reich
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und dem küng in Engellant, wan der von Engel\lant
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dertrankt dem von Frankenreich vierzigtausent man 15
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auf dem mer, und ains anders jârs dar nâch gesigt er
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im an aines grôzen veltstreites, dâ küng Johannes von
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Pehaim inne derslagen wart und vil êrbæriger ritterschaft.
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daz geschach allez pei kaiser Ludweiges zeiten, dem vier\den
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seines namens. nu maht dû frâgen, war umb der 20
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stern streit bedäut und pluotvergiezen? daz ist dar umb,
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daz ze den zeiten der stern kreft die lebleichen gaist auz
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dem menschen ziehent und machent daz behend pluot auz\dünstend
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auz dem menschen. sô nu der mensch trucken
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ist und hitzig, sô ist er zornig und vicht gern, als wir 25
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sehen an haizen läuten: wenne si vastent, sô sint si un\muotig
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und zornich; iedoch möht man daz wol understên
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mit guoten ræten. daz aber die maister sprechent, daz der
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stern bedäut der fürsten tôt mêr denn armer läut tôt, daz
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ist dar umb, daz die fürsten namhafter sint dann arm 30
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läut und ir tôt weiter erschillet denn armer läut tôt.
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