TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 158
Chapter / Strophe: 37
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VON DEM LEWEN.
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Leo ist ain künig aller andern tier, sam Jacobus und
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Solînus sprechent. daz tier hât niht untrew noch valscher
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list an im. des lewen manhait bedäut uns sein stirn und
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sein sterz. er ist sô haizer nâtûr, daz man wil, er sei
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stætes sühtig oder fiebrig. leêna daz ist des lewen weib.
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diu gepirt des aller êrsten fünf welfel, dar nâch viereu,
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des dritten dreu, dar nâch zwai, und ze dem fünften mâl 5
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neur ainz. dar nâch ist si unperhaft. si hât neur zwai
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milchwämpel ze mittelst an dem leibe under der prust
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und hât diu gar klain nâch irs leibes grœzen. daz ist dar
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umb, daz si gar wênig milch hât, wan ir ezzen verkêrt
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sich allez in iriu glider. Augustînus spricht, sô diu lewinn 10
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gepirt, sô slâfen die lewel drei tag unz der vater kümt,
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der schreit gar laut ob in, von dem geschrai erschrickent
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si und erwachent. der lewe fürht den spitzigen gart des
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schorpen und fleuht in als ainen tœtleichen veint. er
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fürht auch der reder schoteln und ir kerren an dem wa\gen, 15
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aber er fürht daz veur mêr. Solînus spricht, daz
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der leo niht leiht zürn, er sei dann gesêrt oder gelaidigt.
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wenn aber er erzürnt wirt, sô zerreizt er den zornmacher
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zemâl; den gestrachten tuot er niht. waz er gevangner
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vint, den vertregt er auch. er dertœtt den menschen 20
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nümmer mit willen, in hunger danne gar sêr. Adelius
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spricht, wenne der leo slæft, sô wachent seineu augen.
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wenne er gêt, sô vertiligt er sein fuozstapfen mit dem
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sterz, daz in die jäger iht vinden. alsô spricht Plinius.
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die lewen sint under enander fridsam und kriegent niht. 25
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Aristotiles spricht, der leo heb sein pain auf sam ain
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hunt wenn er harmt. wenn er sein maul auf tuot, sô gêt
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ain starker smach dar auz. wenn in hungert, sô zeuht
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er mit seinem sterz ainen grôzen kraiz auf der erden und
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schreit laut und erschreckt andreu tier und getar kain 30
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ander tier über den kraiz komen. er versmæht daz gest\rig
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ezzen und die urlaib seines vodern ezzens. etleich
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sprechent, daz der leo von seinem aigen zorn sterb, sô
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gar hitzig wirt er in im selber, wenne er übermæziclei\chen
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zürnet. der leo væht gern den waldesel und hazt in 35
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von nâtûr. Ambrosius spricht, wenn der leb siech ist,
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sô væht er ainen affen und frizzet den, dar umb, daz er
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gesunt werd. wenne der leo hundespluot getrinket, sô
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wirt er gesunt. Solînus und Plinius sprechent, wenne
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der leo seinen sterz still hab, sô sei er sänftig und frid\sam;
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aber daz ist selten. wenne er anhebt ze zür\nen, 5
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sô sleht er den sterz auf die erden, und sô
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der zorn wehset, sô gaiselt er sich selber auf dem
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ruck mit dem sterz. wenne er wunt wirt, sô behelt
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er den, der im den schaden tet, under allem volk
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und zerreizt in, ob er mag. aber der in geschozzen 10
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hât und in doch niht gewundet hât, den wirft er nider
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und strâft in, aber er wunt in niht. Plinius spricht, daz
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lewenflaisch und allermaist sein herz den läuten guot sei,
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die übrig kelten haben, wan sô si daz flaisch ezzent, sô
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werdent si haiz. der lewen pain sint sô hert, daz man 15
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feur dar auz sleht sam auz ainem kisling. des lewen
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vaizten ist der vergift widerwärtig. wenn sich ain mensch
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salbet mit wein und mit des lewen vaizten, sô verjagt ez
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alliu tier von im und auch die slangen. sein vaizten ist
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haizer wan kains andern tiers vaizten. der leo febriert 20
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nâhent alle zeit mit dem viertägleichen fieber und sô be\gert
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er danne allermaist affenflaisches, daz er gesunt
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werd. des lewen vaizten mit rosenöl gemischt behüett
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des menschen antlütz vor flecken und erläuht ez und
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hailt ez. des lewen hals ist ganz durch und durch, aber 25
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des halses flaisch ist kruspelot, reht als ob er sei von
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ainer âdern, dar umb mag er sein haupt niht gepiegen
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auf den ruck. Alexander spricht, daz der leo grôz kraft
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hab in der prust und in den vodern füezen und in dem
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sterz. leοn in kriechisch ist ain künig, dâ von haizt daz 30
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tier leo, wan ez ain künig ist aller anderr tier. der leo
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ist an dem vodern tail haizer nâtûr und an dem aftern
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tail kalter nâtûr; alsô ist diu sunne in dem himelzaichen,
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daz leo haizt. Aristotiles spricht, allain der leo hât niht
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markes in seinen painen ân in dem diechpain. dar umb 35
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sint seineu pain herter dan kains andern tiers pain, ân
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den delphîn. des lewen ingewaid geleichet aines hundes
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ingewaid. der leo fiebert in etleichem sumer, aber in
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dem winter ist er gesunt. er fiebert auch von des men\schen
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gesiht.
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