TITUS
Konrad von Megenburg, Buch der Natur: Part No. 226

Chapter / Strophe: 36 
   36.
Line: 1
   
Line: 2
   VON DER HENNEN.



Line: 3    Gallina haizt ain henn. Augustînus spricht, daz diu
Line: 4    henn die art hab, daz si gar vleizig und fürsihtig sei ge\gen
Line: 5    irn kindlein, wan si sament si under ir flügel und   5
Line: 6    füert si und beschirmt si vor dem weien oder vor dem
Line: 7    hüenrarn. iedoch geschiht daz oft, daz diu üppigen
Line: 8    hüendl vliehent auz den getrewen flügeln der muoter
Line: 9    alsô verr, daz si die grimmen vogel hin füerent. dâ pei
Line: 10    verstên ich die läut, die dâ vliehent auz der gemain der   10
Line: 11    hailigen christenhait und ahtent niht des pannes und ver\smæhent
Line: 12    die flügel und die genâd der christenhait; die
Line: 13    füerent die pœsen gaist in daz ellend irr unsælichait.
Line: 14    Jacobus der maister spricht, man beraubet die hennen alle
Line: 15    tag irr air. iedoch lâzent si niht ab ze airn, wie lang   15
Line: 16    man in neur ain ai an dem nest læzt, und daz haizent
Line: 17    die gepäurinne ain pilgai, wan ez ist den hennen ain pild
Line: 18    ze airn. wenn die hennen ze vil airnt, sô sterbent si
Line: 19    schier. alsô beschiht den läuten, die sich ze vil under\windent
Line: 20    leipleicher werk. Johannes der maister spricht,   20
Line: 21    wenn die hennen an verporgen steten airnt, sô stênt si
Line: 22    auf mit ainem geschrai und öffent iriu air unz man ins
Line: 23    nimpt. wer nu haimleich früht suoch, der schrei klain
Line: 24    dâ von, ê die rauber im den schatz versteln. Plinius
Line: 25    spricht, die henn tregt diu air in der rehten seiten irs   25
Line: 26    leibes, dâ diu händl auz werdent, und tregt diu air in
Line: 27    der lenken seiten, dâ diu hennel auz werden. diu air,
Line: 28    diu an der spitz sinbel sint, dâ werdent hennel auz, aber
Line: 29    diu lang sint und vast spitzig, dâ werdent händl auz. diu
Line: 30    langen air sint paz gesmach und pezzer ze ezzen wan die   30
Line: 31    sinweln. ez sprechent etleich vorscher, daz die jungen
Line: 32    vögel mit den füezen des êrsten in die werlt gên. iedoch
Line: 33    diu andern tierl koment des êrsten mit iren haupten. aber
Line: 34    ich wæn, daz si dick die airschaln mit irn snäbeln öffen
Line: 35    und her für krappeln mit dem haupt des êrsten. diu   35

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Line: 1    henn arbait vast in dem airsetzen und singet doch nâch
Line: 2    der gepurt. alsô nâch dem smerzen gêt diu frawe scher\zen.
Line: 3    diu pest pruot kümt von der hennen vor des lenzen
Line: 4    ebennähten, daz ist vor sant Gerdruden tag in der vasten.
Line: 5    aber nâch sunwenden, daz ist umb sant Veits tag, sô vol\pringt   5
Line: 6    diu pruot ir rehten grœzen niht, alsô vil minner
Line: 7    und mêr ernstes dar zuo geschiht. daz schreibt Johannes
Line: 8    der maister von der nâtûr und daz verstên ich in den
Line: 9    haizen landen. iedoch in den kalten landen wæn ich,
Line: 10    daz diu pruot allerpest sei nâch sant Gerdruden tag umb   10
Line: 11    ôstern vor und nâch. Plinius spricht, diu henn mag niht
Line: 12    versêrt werden von der slangen, diu aspis haizt, an dem
Line: 13    tag und si geairt hât. diu henn ist auch ain erznei den
Line: 14    läuten, die gehecket sint von der selben slangen. die
Line: 15    slangen sint gelber varb oder wahsvar, als her nâch kunt   15
Line: 16    wirt, sô wir von den slangen sagen. ach, mein herzen\lieber
Line: 17    freunt, alsô scholt wir auch alle tag etswaz guotes
Line: 18    tuon, wie klain daz wær, daz uns der pœs gaist iht ge\sêren
Line: 19    möht. wilt dû wizzen, welhiu air guot sint zuo der
Line: 20    pruot, sô leg si in ain wazzer; welhez dann ob swimmet,   20
Line: 21    daz ist pœs und niht gar vol innen; aber daz ze podem
Line: 22    vellt, daz ist vol und guot. sô diu schafferinn ain hen\nen
Line: 23    über well setzen ze prüeten, daz schol sein nâch dem
Line: 24    und der môn new ist worden, wan hebt man ez ê an, sô
Line: 25    betreugt ez oft. ez verderbent auch diu prüetair dicke   25
Line: 26    von ainem gæhen donr oder von des habichs stimme.
Line: 27    iedoch hât man ain kunst dâ wider, daz in der donr iht
Line: 28    schad: der ainen eisnenn nagel nimt und legt in twerhs
Line: 29    zwischen diu air, oder inwendig setzet den nagel aufge\rihts,
Line: 30    sô schadet in der donr niht. Plinius spricht, ist daz   30
Line: 31    man golt zelæzt und ainer hennen glider dar zuo mischet,
Line: 32    sô verzernt si daz golt in sich, alsô daz man gesprechen
Line: 33    mag, die hennen sint ain vergift des goldes. wer ainen
Line: 34    totern nimt ains ais, daz gelegt ist in dem vollen môn,
Line: 35    und ain gemailt wüllein tuoch dâ mit reibt und dar nâch   35
Line: 36    wescht, daz verleuset seineu mail dâ von. Aristotiles

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Line: 1    spricht, ez sint vil vogel krummer vinger, die wênig
Line: 2    airent. er spricht auch, die langen air, diu spitzig haupt
Line: 3    habent, die pringent erl; aber sinwelliu air, diu an der
Line: 4    spitz sinwel sint, diu pringent siel, und die vogel werdent
Line: 5    an dem spitzigen tail. er spricht auch mêr, diu air ha\bent   5
Line: 6    zwuo varb, weiz und gel. daz weiz in dem ai ist
Line: 7    ain anvanch der gepurt, aber daz gel ist ain speis und
Line: 8    ain narung des vogels in der schaln und auch ain speis
Line: 9    des menschen. er spricht auch, daz kain ai perhaft sei
Line: 10    denn der gevogelten sien air, dâ des ern sâm zuo gemi\schet   10
Line: 11    ist. er spricht auch, daz daz hüendl volprâht werd
Line: 12    in zehen tagen. wenne daz ai volprâht ist, sô kümt daz
Line: 13    grœzer tail ê ze land und daz klainer dar nâch.
Line: 14    Ez ist auch ze wizzen, als die maister von der nâtûr
Line: 15    schreibent: allez gefügel wirt zwir geporn. von êrsten   15
Line: 16    werdent diu air, dâ nâch die vogel auz den airn werdent
Line: 17    geporn und geformiert in der schaln mit der muoter hitz.
Line: 18    diu air habent die kraft, wenne si in der pruot sint, ob
Line: 19    man ain holz dâ mit begeuzet, daz print niht und sint sô
Line: 20    zæher fäuht, daz man der gleser stuck dâ mit zesamen   20
Line: 21    leimt. ez spricht auch Aristotiles, wer daz weiz in den
Line: 22    airn nimt und læzt ez in ain trüebz getrank oder in ainen
Line: 23    syropp, daz macht ez lauter und dünn. alsô mach wir
Line: 24    in däutschen landen die trüeben wein und allermaist die
Line: 25    Botzner und Traminner in sölher temperung, diu dar zuo   25
Line: 26    gehœrt. ez ist ain puoch, daz haizt historia Jeronimi
Line: 27    und haizt ze däutsch daz puoch von den geschehen
Line: 28    dingen, daz Jeronimus hât gemacht, daz spricht, daz in
Line: 29    Egypten land der hüenr air die art haben, sei daz man
Line: 30    si werm sänfticleich pei dem feur, sô werden hüendl dar   30
Line: 31    auz ân der muoter pruot. und dar umb wie vil air ain
Line: 32    mensch hât, sô vil hüendl mag er in ainem tag gewinnen
Line: 33    mit der kunst. Aristotiles spricht, daz ain vorscher, der
Line: 34    die haimlichait der nâtûr ervorschen wolt, legt hüenrair
Line: 35    under ain küssein und sprach, er möht si sô lang dar   35
Line: 36    under halten, unz hüendl dar auz würden. die maister

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Line: 1    in der nâtûr haizent sölich wundrær egperimentatores.
Line: 2    nu habent etleicheu püecher ze latein: potator posuit ova
Line: 3    sub pulvinari et dixit, quod continuaret potum quousque
Line: 4    eztraherentur pulli; daz spricht ze däutsch: ain trinker
Line: 5    legt air under ain küssein und sprach, er möht sô lang   5
Line: 6    trinken, unz hüendl auz den airn slüffen. zwâr diu ge\schrift
Line: 7    ist valsch, wan die trinker ahtent sölicher witz
Line: 8    niht, und wæn, ain trinker hieze im diu air lieber sieden
Line: 9    oder prâten und æze si zuo seim trinken. Aristotiles
Line: 10    spricht, diu henn airt allzeit ân in den zwain mônn der   10
Line: 11    zwair sunwenden, daz ist umb sant Veits tag und umb
Line: 12    sant Lucien tag. er spricht auch, welheu hüenr vil airnt,
Line: 13    die sterbent schier, und welheu hüenr ob irn airn niht
Line: 14    ruoent, die siechent und werdent krank. welheu hüenr
Line: 15    man ätzt mit halbgekochter gersten, diu legent vil air   15
Line: 16    und grœzer air denn andreu hüenr. wenn der môn wehst,
Line: 17    sa schol man den hüenren ir air underlegen.






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