TITUS
Heinrich Seuse, Buch der Wahrheit
Part No. 6
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Chapter: VI. 
Sentence: 143 
VI. Von den hohen und nútzen fragen, die ime warheit lies werden von der glichnússe eins gelassen menschen.

Sentence: 144    
Dar nah kam der Iunger in eine begirde, ob in keinen landen ein se^olich edeler gelazner mensch weri, der dur Christum warlich wer in genomen, daz im der von gotte bekant wurde und zuͦ siner heimlicher rede keme.
Sentence: 145    
Und do er in disem ernste waz, do wart er sinkende in sich selb, und in der vergangenheit siner sinnen duchte in, er wurde gefuͤret in ein vernúnftiges land.
Sentence: 146    
Und da sah er entzwúschent himel und erde sweben ein glichnúst, als ob es eins menschen glichnús were, bi einem krúze, in guͤtlicher gestalt, und daz zweierley menschen giengen darumbe und kamen nit hin zuͦ.
Sentence: 147    
Und die einerley sahen die glichnús an núwan von innan und nút von ussen, die andern von ussen und nit von innen, und waren beide gekeret mit schlage und hertikeit gegen der glichnús.
Sentence: 148    
Also duchte \ in, daz sich die glichnús herabe liezsi als ein weslicher mensch und sas zuͦ ime und meinde, daz er fragti, was er ze fragenne hetti, dez wurdi im geantwúrtet.
Sentence: 149    
Er huͦb uf und sprach mit inrlichen súfzen sins herzen: Ach Ewigú Warheit, waz ist dis ald waz betútet disú wunderlichú gesicht?
Sentence: 150    
Also wart im geantwúrtet und sprach daz Wort in im also: Disú glichnúst, die du hast gesehen, betútet den einbornen sun gottes nah der wise, als er menschlich nature hat an sich genomen.
Sentence: 151    
Und daz du núwan ein bild sehe und daz selb doch unzallich manigvaltig waz, daz betútet ellú menschen, die sinú gelider sint, die o^vch súne oder sun worden sint dur in und in ime, als zale vil liplicher gelider an eime libe.
Sentence: 152    
Aber daz daz ho^vpt úbertreffelich schein, daz meinde, daz er der erste und eingeborne sun ist nach der úbertreffenden annemunge in die selbsheit der ge^otlichen persone, und aber die andern in die innemunge úberfe^ormiger einikeit des selben bildes.
Sentence: 153    
Daz krúze betútet, daz ein warer gelassener mensche nach dem ussern und inren menschen alle zit sol stan in sin selbs ufergebenlichi in alles daz, daz got wil von im gelitten han, wannen daz kumt, daz er geneiget si in sterbender wise daz ze enphahenne dem himelschen vatter ze lobe.
Sentence: 154    
Und solichú menschen stant adellich von innen und gewerlich von ussen.
Sentence: 155    
Daz gestalt als guͤtlich waz bi dem krúze, daz bezeichent, wie vil lidennes hant, des hein ein verachten von ir selbs gelazsenheit.
Sentence: 156    
Wa sich daz ho^vpt hin kerte, da kerte sich och der lip hin.
Sentence: 157    
Daz betútet die einmuͤtikeit der getrúwen nachvolge sines reinen spiegellichen lebennes und guͦter lere, zuͦ der sich vermúgentlich kerent und sich dem glich haltent.
Sentence: 158    
Die einerley menschen, in von innen ansahen und nút von ussen, bezeichnent menschen, die Christi leben ansehent núwan in der vernunft nach sche^owlicher wise und nút in abwúrkender wise, da ir eigen nature se^oltin durbrechen in nachvolgklicher uͤbunge dez selben bildes.
Sentence: 159    
zúhent es alles nah diser angesiht der nature wollust und lediger friheit in selb ze hilfe, und dunkt \ menglich grob und unverstanden, inen des selben nit gehellent.
Sentence: 160    
Etlichú sahen es o^vch an allein nach der ussern wise und nit nach dem inren, und schein herte und strenge.
Sentence: 161    
Und us dem uͤbent sich strengklich und lebent behuͤtklich und \ tragent den lúten vor einen erberen heiligen wandel und úbersehent aber Christum von innen.
Sentence: 162    
Wan sin leben waz senfte und milte, aber disú menschen hant vil slahennes und urteilent ander lúte, und dunket alles daz unreht, daz ir wise nit fuͤret.
Sentence: 163    
Disú menschen haltent sich unglich dem, den doch meinent, und daz merket man da bi: Der suͦchet, stant nút in eime lazsenne ir selbz noch entsinkenne ir nature und nach verlust der dingen, da schirment den willen, als gern und ungem und des glich.
Sentence: 164    
Und hiemit wirt der wille behalten und beschirmet, daz der mensch nit kumet ze ge^otlichen tugenden als gehorsami, lidberi, unbehabenlichi und dero glich.
Sentence: 165    
Wan sogtan tugende tragent den menschen in daz bilde Christi.
Sentence: 166    
Der Iunger vieng an ze fragenne noch me und sprach also Sag mir, in weler benenten wise kumet ein mensch siner selikeit?
Sentence: 167    
Entwúrt: Man mag es nemmen ein geberlich wis, als da stet geschriben an sant Johans ewangelio, daz »er hat gegeben macht und múgen gottes sún werden allen den, die von nihti anders denne von gotte geborn sint«.
Sentence: 168    
Und daz geschihet in glicher wise, als man geberunge nach einer intragender gemeiner wise nemmet.
Sentence: 169    
Waz nu daz ander in solicher wise gebirt, daz bildet es nach im und in sich und git ime glichheit sins wesens und wúrkunge.
Sentence: 170    
Und darumbe in einem gelazsenen menschen, da got allein vatter ist, in dem sich nút zitliches gebirt nach eigenschaft, dem werdent sinú o^vgen ufgetan, daz er sich da verstat, und nimet da sin selig wesen und leben und ist eins mit im, wan ellú dinge sint hie eins in eime.
Sentence: 171    
Der Iunger sprach: Ich sich doch, daz berg und tal ist und wasser und luft und manigerley kreature.
Sentence: 172    
Waz seist du denne, daz núwan eins si?
Sentence: 173    
Daz luter Wort entwúrt und sprach also: Ich sagen dir noch me: Es si denn, daz der mensche zwei contraria, daz ist zwei widerwertigú ding, verstande in eime mit einander, fúrwar ane allen zwifel, so ist nút guͦt lihte mit ime ze redenne von se^olichen dingen.
Sentence: 174    
Wan so er dis verstat, so ist er allererst getretten dez halb uf den weg des lebennes, daz ich mein.
Sentence: 175    
Ein frage: Weles sint contraria?
Sentence: 176    
Entwúrt: Ein ewiges niht und \ sin zitlichú gewordenheit.
Sentence: 177    
Ein widerwerfunge: Zwei contraria in eime sinde nach aller wise widerwerfent alle kúnste.
Sentence: 178    
Entwúrt: Ich und du bekomen einander nit uf einem rise ald uf einem platze.
Sentence: 179    
Du gast einen weg und ich ein andern.
Sentence: 180    
Dine fragen gand us menschlichen sinnen, und ich antwúrt us den sinnen, die da sint úber aller menschen gemerke.
Sentence: 181    
Du muͦst sinnelos werden, wilt du hin zuͦ komen, wan mit unbekennen wirt warheit bekant.
Sentence: 182    
Es geschach in den selben ziten ein vil grozú endrunge in ime.
Sentence: 183    
Er kam underwilent darzuͦ, daz, er etwie dike zehen wochen ald minre ald me so kreftekliche entwúrket wart, daz im mit offenen sinnen in der lúten biwonunge und ane die lúte sin sinne also entgiengen nach eigener wúrklicher wise, daz im úberal in allen dingen núwan eins antwurte und ellú ding in eime ane alle manigvaltigkeit disses und ienes.
Sentence: 184    
Daz Wort huͦb an und sprach in im: Wie do, wie ist es nu gevarn, hab ich reht geseit?
Sentence: 185    
Er sprach: Ja, daz ich vor nit moht glo^vben, daz ist mir nu worden ein wissen.
Sentence: 186    
Aber mich wundert, warumb es vergange.
Sentence: 187    
Daz Wort sprach: Da ist es villiht noch nit gesunken uf sinen weslichen grunt.
Sentence: 188    
Der Iunger vieng aber an und fraget also: Wa lendet eins gelazsenen menschen verstandenheit?
Sentence: 189    
Entwúrt: Der mensch mag in zit darzuͦ komen, daz er sich verstat eins in dem, daz da niht ist aller der dingen, die man besinnen alder gewe^orten mag.
Sentence: 190    
Und daz niht nemmet man nach verhengter wise got, und ist an im selber ein aller weslichostes iht.
Sentence: 191    
Und hie erkennet sich der mensch eins mit disem nihte, und dis niht erkennet sich selb ane werk der erkantnisse.
Sentence: 192    
Aber es ist hie verborgen neiswaz noch inbaz.
Sentence: 193    
Ein frage: Seit schrift út von dem, daz du hast genemmet niht, nit von sime nútsinde, mer von siner úbertreffender unbegriffenheit?
Sentence: 194    
Entwúrt: Dyonisius schribet von eime, daz ist namelos, und daz mag sin daz niht, daz ich meine.
Sentence: 195    
Wan der im sprichet gotheit oder wesen, oder waz namen man im git, die sint im nit eigen nach dem, als die namen sich bildent in der kreature.
Sentence: 196    
Ein frage: Waz ist aber daz verborgen inbaz dis vorgenanten nihtes, daz da in siner betútung nach diner meinunge alle geworden ihtikeite usschliezende \ ist?
Sentence: 197    
Es ist doch lutrú einvaltikeit.
Sentence: 198    
Wie mag daz aller einvaltigest haben inbas ald usbas?
Sentence: 199    
Entwúrt: Alle die wile, so der mensche verstat ein einunge oder solich ding, daz man mit rede kan bewisen, so hat der mensch noch inbaz ze ga^enne.
Sentence: 200    
Daz niht mag inbaz in sich selber nite, mer nach dem so wir verstan mugen, daz ist, so wir ane ellú fe^ormlichú lieht und bilde, die sin mugent, werden versta^ende, daz doch \ enkein verstentnisse mit formen und bilden mag erlangen.
Sentence: 201    
Und hie von kan man nit gereden, wan ich ahten, daz sie geredet von eime dinge, daz man mit der rede kan bewisen.
Sentence: 202    
Waz man nu hie von redet, so wirt doch daz niht nihtesnit bewiset, waz es ist, daz noch als vil lerer und buͤcher werin.
Sentence: 203    
Aber daz diz niht sie selb vernunft oder wesen oder niessen, daz ist och wol war nach dem, als man úns dar us reden mag.
Sentence: 204    
Es ist aber nach warheit dez selben als verre und verrer, denn der einer finen berlen sprechi ein hakbank.
Sentence: 205    
Ein frage: Waz ist daz gesprochen: So daz geberlich niht, daz man got nemmet, in sich selber kumet, so weis der mensche sin und des keinen underscheid?
Sentence: 206    
Entwúrt: Denne ist dis niht nút in im selber unserhalb, die wile es solich ding in úns ist wúrkende.
Sentence: 207    
Wenne es aber in sich selber kumet únserhalb, so wissen wir und och es unserhalb von disen dingen nút.
Sentence: 208    
Ein frag: Des bewise mich baz.
Sentence: 209    
Entwúrt: Verstast du nút, daz der kreftiger entwordenliche inschlag in daz niht entschleht in dem grunde allen underscheid, nút nah wesunge, mer nach nemunge únserhalb, als geseit ist?
Sentence: 210    
Ein frage: Mich ruͤret noch ein wort, daz davor gesprochen ist, daz der mensch darzuͤ muge komen in zit, daz er sich verstande eins in dem, daz ie ist gewesen.
Sentence: 211    
Wie mag daz sin?
Sentence: 212    
Entwúrt: Es sprichet ein meister, daz »ewikeit ist ein leben, daz úber zit ist und alles zit in sich beschlúzset«, ane vor und ane nach.
Sentence: 213    
Und wer ingenomen wirt in daz ewig niht, der besitzet al \ in al und hat da nit vor noch nach.
Sentence: 214    
Ja der mensch, der hút wurdi ingenomen, der weri nit kúrzer da gesin nach ewikeit ze sprechenne, denn der vor tusent iaren in wart genomen.
Sentence: 215    
Ein widersprechenne: Dis innemennes ist der mensch allein wartende nach sime to^vde, als schrift seit.
Sentence: 216    
Entwúrt: Daz ist war nach einer wirigen und volkolmener besitzunge, aber nút nach einem vorversuͦchenne minr und me.
Sentence: 217    
Ein frage: Wie ist es aber umb daz mitwúrken dez menschen mit gotte?
Sentence: 218    
Entwúrt: Daz da von gesprochen ist, daz ist nit ze verstenne nach blozser hellunge, als wort hellent nach gemeiner rede, es ist ze nemenne nach der entgangunge, da der mensch im selber nút ist bliben und sich in daz eine hat vergangen und eins ist worden.
Sentence: 219    
Und da wúrket der mensch nút als mensch.
Sentence: 220    
Und us disem grunde ist ze verstenne, wie dirre mensch in ime hat alle kreaturen in einikeite und alle wolluste, ja dennoch die man hat in liplichen werken, ane liplichú und geistlichú werk, wan er ist es selber in der vorgesprochenner einikeit.
Sentence: 221    
Und merk hie einen underscheit: Die alten naturlichen meister giengen dien natúrlichen dingen nach allein in der wise, als sint in ir natúrlichen sachen, und also sprachen o^vch durvon und also smakten inen und nit anders.
Sentence: 222    
Ouch die ge^otlich kristan meister und gemeinliche die lerer und heilig lúte nement ding, alse von gotte sint us geflozsen und den menschen nach sime natúrlichen to^vde wider in bringent mit deme, daz hie in sinem willen lebent.
Sentence: 223    
Aber disú ingenomnú rnenschen nement von úberswenker inneblibender einikeite sich und ellú ding als ie und ewklich.
Sentence: 224    
Ein frage: Ist kein anderheit da?
Sentence: 225    
Entwúrt: Ja, der eht es reht hat, der weis daz und erkennet \ sich kreature, nit gebrestlich, mer vereintlich.
Sentence: 226    
Und do er nút waz, do waz er daz selbe unvereinet.
Sentence: 227    
Ein frage: Waz ist daz gesprochen: Do er nút waz, do waz er daz selb?
Sentence: 228    
Entwúrt: Es ist, daz sant Johans sprichet an sime ewangelio:wͦ »Daz geworden oder geschaffen ist, daz waz in im daz leben«.
Sentence: 229    
Ein frage: Wie mag nu dis bestan in der warheit, wan es hillet, als ob sele zwei iht si, geschaffen und ungeschaffen?
Sentence: 230    
Wie mag daz sin, wie mag der rnensch kreature sin und nút kreature?
Sentence: 231    
Entwúrt: Der rnensch mag nút kreatur und got sin nach únser rede.
Sentence: 232    
Mer got ist drivalt und eins.
Sentence: 233    
Also mag der mensch in etlicher wise, so er sich in got vergat, eins sin in dem verlierenne und nach usserlicher \ wise scho^vwende niessende sin und des glich.
Sentence: 234    
Und des gib ich ein glichnúst.
Sentence: 235    
Daz o^vge verlúret sich in sinem gegenwúrtigen sehenne, wan es wirt eins an dem werke der gesihte mit sinem gegenwurfe, und blibet doch ietweders, daz es ist.
Sentence: 236    
Ein frage: Wer ie die schrift bekande, der weis, daz sele in dem nihte eintweder muͦz úberfe^ormet werden ald aber ze nihte werden nach dem wesenne, und daz ist hie nút also.
Sentence: 237    
Entwúrt: sele blibet iemer kreature, aber in dem nihte, so si da ist verlorn, wie si denne kreature si oder daz niht si, oder ob si kreatur si oder nit, dez wirt da nútznút gedaht, oder ob si sie vereinet oder nit.
Sentence: 238    
Aber da man noch vernunft hat, da nimet man es wol, und dis blibet dem menschen mit einander.
Sentence: 239    
Ein frage: Hat dirre mensch noch daz beste?
Sentence: 240    
Entwúrt: Ja nah der wise, daz im daz, daz er hat, nút wirt benomen und ein anders, ein bessers gegeben.
Sentence: 241    
Er wirt daz selb me und luterlicher verstende, und blibet im daz.
Sentence: 242    
Aber er kam \ noch nút dar mit disem allem, da von gesprochen ist nach dem usschlage.
Sentence: 243    
Sol er dar komen, so muͦz er sin in dem grunde, der verborgen lit in dem vorgenemten nihte.
Sentence: 244    
Da weis man nút von núte, da ist nit, da ist o^vch kein da.
Sentence: 245    
Waz man da von redet, so verhe^onet man es.
Sentence: 246    
Noch denn so ist dirre mensche sin nút, in dem im blibet dis alles nach dem, als vor geredet ist.
Sentence: 247    
Ein frage: Des bewise mich bas.
Sentence: 248    
Entwúrt: Die lerer sprechent, daz der sele »selikeit lit« ze vorderlichest »dar an, so si scho^vwet got bloz, so nimet si alles ir wesen und leben und schepfet alles, daz si istals verre si selig ist, »von dem grunde« dis nihtes, »und weis«, nach disem anblike ze sprechenne »von wissenne nút noch von minne noch von núte alzemale.
Sentence: 249    
Si gestillet ganz und alleine in dem« nihte »und weis nit denne wesen, daz got« oder daz nit ist.
Sentence: 250    
»So si aber weis und bekennet, daz si« daz niht »weis, schowet und bekennet, daz ist ein usschlag und ein widerschlag us disem ersten« uf sich »nach naturlicher ordenunge«.
Sentence: 251    
Und wan disú innemunge us der selben adren getrungen ist, hierumb so macht du verstan, wie es sich gruntlich haltende ist.
Sentence: 252    
Ein frage: Ich verstuͤnde es gerne noch baz us der warheit der schrift.
Sentence: 253    
Entwúrt:»Es sprechent die lerer, swenne man bekennet die \ kreature \ in sich selber, daz heisset und ist ein abentbekentnisse, wan so siht man die kreature in bilden etlicher underscheide.
Sentence: 254    
So man aber bekennet die kreature in gotte, daz heisset und ist ein rne^orgenbekentnisse, und so scho^vwet man die kreature ane allerley underscheit, aller bilden entbildet und entglichet aller glicheit in dem einen, daz got selber in sich selber ist«.
Sentence: 255    
Ein frage: Mag sich der mensch dis niht verstan in disem zite?
Sentence: 256    
Entwúrt: Nach geistes wise verstan ich nit, daz es mug sin.
Sentence: 257    
Aber nach der vereinter wise so verstat er sich vereinet in dem, da sich dis niht nússet und geberlich ist.
Sentence: 258    
Dis ist wol, so der lip uf der erde ist nach gemeiner rede, aber der mensch ist úber zit.
Sentence: 259    
Ein frage: Weder geschiht vereinunge der sele mit dem wesen der sele ald mit ir kreften?
Sentence: 260    
Entwúrt: Daz wesen der sele wirt vereinet mit wesenne des nihtes, und die krefte der sele mit werken des nihtes, die werk daz niht hat in im selben.
Sentence: 261    
Ein frage: Ob o^vch dem menschen sin gebresten enphallen, ald ob er keinen gebresten múge dar nach erze^ogen, so er sich erkennet nochdenne kreature, nit in gebrestlicher wise, mer in vereinter wise?
Sentence: 262    
Entwúrt: Als verre der mensch im selber blibet, als verre mag er gebresten uͤben, als sant Johannes sprichet: »Nemen wir úns des an, daz wir nút súnde haben, so triegen wir úns selb und ist kein warheit in úns«.
Sentence: 263    
Aber als verre der mensch im selb nút blibet, als verre wúrket er nit gebresten, als och sant Johans sprichet an siner epistele, daz »der mensche, der us got geborn ist, \ entuͤt nit súnde, noch uͤbet nit gebresten, wan der ge^otlich same blibet in ime«.
Sentence: 264    
Und darumb dem menschen, dem hie reht beschiht, der wúrket niemer werk me denne ein werk.
Sentence: 265    
Wan es ist ein geburt und ein grunt, ja nach vereinunge.
Sentence: 266    
Ein widerwerfen: Wie mag daz bestan, daz der mensch nit me wúrke denn ein werk?
Sentence: 267    
Nu hatte doch Christus zwivalt werk.
Sentence: 268    
Entwúrt: Ich achte, daz der mensch nit me wúrke denn ein werk, der nit sehens hat zuͦ keinem werke, núwan als ewige geburt es wúrket.
Sentence: 269    
Gebere got sinen sun nit ane underlaz, Christus hette naturlich werk nie gewúrket.
Sentence: 270    
Da von ahte ich es nit wan ein werk, man welle es denne nemen nach menschlicher verstentnúst.
Sentence: 271    
Ein widerwerfen: Nu sprechent doch die heidenschen meister, daz »enkein ding \ entsetzet wirt siner eigener wúrkunge«.
Sentence: 272    
Entwúrt: Der mensch wirt nit entsetzet siner eigenen wúrkunge, mer si blibet da unangesehen nach der wise.
Sentence: 273    
Ein frage: Ob kreatúrlichú werk, die dem menschen blibent ze wúrkenne, weder er si wúrkennde ald wer?
Sentence: 274    
Entwúrt: Sol der mensch komen zuͦ dem vordern, so muͦz er tot sin der widergeburt, die in im ist, und selb widergeburt muͦz erstanden sin.
Sentence: 275    
Als wie, daz merke.
Sentence: 276    
Alles, daz in úns kumet, wannan daz ist, wirt es nút in úns anderwerb geborn, so ist es úns nút nútze.
Sentence: 277    
widergeburt ist so fre^omde und hat so wenig me ze tuͤne mit dem libe nah ir urstendi, daz nature wúrket in dem menschen als in eime vernúnftigen tiere solichú werk, die zuͦ dez menschen lebenne he^orent, und hat der mensch neiswie nút me ze tuͤnne ja in wúrkender wise, als er hatte vor siner urstendi, mer in besitzender wise so wúrket es disú werk.
Sentence: 278    
Und dez nim ein glichnisse \ an dem gebranten wine: Der hat nit minre materilicheit, ein kreftiger und stiller uswúrken denne der win, der in siner ersten geburte ist bliben.
Sentence: 279    
Ein frage: Gib einen underscheit zwúschent der ewigen geburt und der widergeburt, in dem menschen ist.
Sentence: 280    
Entwúrt: Die ewigen geburt heiss ich die einigen kraft, in der ellú ding und aller dingen sachen hein, daz sint und daz sachen sint.
Sentence: 281    
Aber die widergeburt, deme menschen allein zuͦgehe^oret, heis ich ein widerlenken eines ieklichen dinges, daz gevellet, wider in den ursprung, ze nemenne nach dez ursprunges wise, ane alles eigen anesehen.
Sentence: 282    
Ein widerwerfen: Waz wúrkent denne die weslichen natúrlichen sachen, von dien die natúrlichen meister schribent?
Sentence: 283    
Entwúrt: wúrkent natúrlich alles, daz ewig geburt in dem menschen wúrket in irem geberenne, aber in dem grunde ist hie von nút ze sagenne.
Sentence: 284    
Ein frage: So sele in der innemunge vergat nach bekentnússe und aller ir kreatúrlichen gebruchunge, waz ist daz, daz denne herus luͦget nach usrichtunge der usseren sachen?
Sentence: 285    
Entwúrt: Alle die krefte der sele sint ze krank, daz rnugin komen in diz niht nach solicher wise, als da vor geseit ist.
Sentence: 286    
Aber noch denne, so man in disem nihte sich also verlorn hat, so wúrkent die krefte daz, daz ir ursprung ist.
Sentence: 287    
Ein frage: \ Wie ist daz verlieren gestalt, in dem sich der mensche in gotte verlúret?
Sentence: 288    
Entwúrt: Hast du mich eben gemerket, so ist es dir vor gar eigenlich geze^oget, wan wenne der mensch im selben also wirt entnomen, daz er weder von sich noch umb nút niht waiz und zemale gestillet in dem grunde des ewigen nihtes, so ist er wol verlorn im selber.
Sentence: 289    
Ein frage: Ob der wille zergange in dem nihte?
Sentence: 290    
Entwúrt: Ja nach sinem wellende, wan wie fri der wille ist, so ist er alr erst fri worden, wan er bedarf nit me wellen.
Sentence: 291    
Ein widerwerfen: Wie mag dem menschen sin wille zergan?
Sentence: 292    
Christo beleip sin wille nach wellender wise.
Sentence: 293    
Entwúrt: Dem menschen vergat sin wille nach dem wellende, daz er wil usser eigenschaft wúrken, nu dis, nu daz.
Sentence: 294    
Und hie hat er nit werk soliches wellendes in gebrestlicher wise, als da vor ist geseit, mer sin wille ist fri worden, also daz er nit me denne ein werk wúrket, daz er selber ist nach vereinter wise, und ane zit wúrket.
Sentence: 295    
Mer der es nimet nach únser rede, so wil er nihteznit úbels wúrken und wil ellú guͦten ding.
Sentence: 296    
Aber eigenlich so ist alles sin leben und wellen und wúrken ein stillú unberuͤrtú friheit, die sicher ane allen zwifel sin enthalt ist.
Sentence: 297    
Und denne ist er sich haltende in geberlicher wise.
Sentence: 298    
Ein widerwerfen: Der usbruch dez willen ist nút in geberlicher wise.
Sentence: 299    
Entwúrt: Dirre wille ist vereint mit ge^otlichem willen und ist nút wellende, denne daz er selber ist, als vil daz wellen in gotte ist.
Sentence: 300    
Und daz vor gesprochen ist, daz ist nit ze verstenne nach einer insetzunge sin selbs in got, als es gemeinlich hillet, es ist ze nemenne nach entsetzunge sin selbs, wan der mensch wirt so gar vereinet, daz got sin grund ist.
Sentence: 301    
Ein frage: Ob dem menschen blibe sin perse^onlich underscheiden wesen in dem grunde dez nihtes?
Sentence: 302    
Entwúrt: Diz ist alles sament ze verstenne allein nach des menschen nemunge, in der nach dem inswebenden inblike in entwordenlicher wise diz und daz unangesehen ist, nút in der wesunge, in der ein ieklichs blibet, daz es ist, als sant Augustinus sprichet: »La vallen dis und daz guͦt in verahtunge, so blibet luͦter guͦti in sich swebende in siner blozsen witi, und daz ist got«.
Sentence: 303    
Ein frage: Der mensch, der sich verstat daz niht, von dem gesprochen ist, in gebruchlicher wise, blibet diz dem menschen alwegent?
Sentence: 304    
Entwúrt: Nein es in gebruchlicher wise, mer es blibet in einer \ behaltlicher, unverlorner wise.
Sentence: 305    
Ein frage: Oder irret daz usser daz inre út?
Sentence: 306    
Entwúrt: Weren wir usser zite nach dem libe, so were es minre hindrunge verre nach etlicher wise an hunger, erbeite und o^vch anders.
Sentence: 307    
Aber die usser geistliche scho^vwunge irret nút daz inre, da si in friheite ist.
Sentence: 308    
O^vch geschihet es underwilent, so nature ie na^eher getrungen wirt, so ge^otliche warheit ie richlicher stat.
Sentence: 309    
Ein frage: Wannen kumet swarmuͤtikeit?
Sentence: 310    
Entwúrt: So se^olich ding nit kumet wan von natúrlichen sachen und der mensch inwendig fri ist, so enahte sin nút, es zergat mit dem libe.
Sentence: 311    
Were aber daz inre da mit vermischet von grunde, dem were nit rehte.
Sentence: 312    
Ein widerwerfunge: schrift der alten e und der núwen us dem ewangelio lúhtet, wie man in zit darzuͦ nút mug komen, daz geseit ist.
Sentence: 313    
Entwúrt: Diz ist war nah besitzunge dez selben und voller bekennunge, wan daz er hie versuͦchet, daz ist alles de^ort volkomenlicher, wie es daz selb ist, und fúr versta^ende mag es sin uf erden.
Sentence: 314    
Ein frage: Ein mensch, der sin ewiges niht beginnet verstan nút von úbertreffender kraft, mer allein von he^oren sagenne alder ane daz von ingetragnen bilden, waz ist dem ze tuͤnne?
Sentence: 315    
Entwúrt: Der mensche, der noch nit so vil verstat, daz er weis úbernatúrlich, waz daz vor gesprochen niht ist, da ellú ding werdent inne vernihtet nah ir selbs eigenschaft, der laze ellú ding sin, als sint, waz im fúr kumet, und halte sich an die gemeinen lere der heiligen kristenheit, als man sihet vil guͦter einvaltiger \ menschen, die in loblicher heilikeit lendent, dien doch hierzuͦ nút ist geruͤffet.
Sentence: 316    
Aber ie na^eher, ie besser.
Sentence: 317    
Ist im aber worden der sicher punct, da halt er sich an, und ist uf deme rehten wege.
Sentence: 318    
Wan der punct haltet sich mit der heiligen schrift.
Sentence: 319    
Anders dunket mich sorgklich ze tuͤnne, wan der sich hierinne versummet, der verget sich eintweder in unledikeit ald geratet aber dik in ungeordent friheit.




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