TITUS
Heinrich von Meissen, Frauenlob
Part No. 8
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Text: 7 
VII. Grüner Ton


Strophe: 1_[a] 
Verse: 1    Got, sit din ewic immer
Verse: 2    
in spiegels spriezen hat geperlt
Verse: 3    
menschlicher formen zunder,
Verse: 4    
e daz geviert in habe die Werlt,
Verse: 5    
do schein liecht durch din sigenunft
Verse: 6    
mit voller macht uz ganzer süzicheit

Verse: 7    
Der megedliche zimmer.
Verse: 8    
in zuckersüzen smackes bradem
Verse: 9    
mit geisticheit gewidemet,
Verse: 10    
durchtrechtic wart der gotlich gadem
Verse: 11    
driglestic vunkenricher kunft.
Verse: 12    
entzündet wart ir brust, die got besneit.

Verse: 13    
Sin veterlich gehilwe
Verse: 14    
mit süzicheit die brucht betwanc
Verse: 15    
an der naturen gilwe.
Verse: 16    
er grub sin oblatisen:
Verse: 17    
sich selben lam, des vane ist rot;
Verse: 18    
sus wart ein brustlich osterbrot.
Verse: 19    
mit inricheit   hilf, meit,   daz brot uns spisen.

Strophe: 2_[b] 
Verse: 1    
Der heilige gotes tempel,
Verse: 2    
da in sin geist gewidemet was,
Verse: 3    
der was alsus gezieret:
Verse: 4    
da hete die ware minne ein blas
Verse: 5    
entzündet, daz gab solchen schin,
Verse: 6    
die sunne klar muz dabi dinster wesen.

Verse: 7    
Da mitten stunt ein stempel
Verse: 8    
an einem sarke schone erhaben, -
Verse: 9    
der sarc was rot ein marmel,
Verse: 10    
der stempel guldin, wol gegraben, -
Verse: 11    
vor mitten uf des sarkes schrin
Verse: 12    
ein corporal, als ich ez han gelesen,

Verse: 13    
Gefüget in dri valden.
Verse: 14    
da inne lac daz lebende brot,
Verse: 15    
manna ganz, ungespalden.
Verse: 16    
waz in dem stempel stunde?
Verse: 17    
ein tau mit lammes blute rot,
Verse: 18    
dem holze gelich, daran den tot
Verse: 19    
gotes sun erwarb.   er starb   vri aller sünde.

Strophe: 3_[c] 
Verse: 1    
Wer kante gotes krefte,
Verse: 2    
do er was in des vater geist?
Verse: 3    
niur ewicheit aleine
Verse: 4    
kante in und siner kraft volleist.
Verse: 5    
al da kein mensche vürbaz mac,
Verse: 6    
wer kan, wer tar, wer sol? wiste man ez wol,

Verse: 7    
Wa wont natur in hefte,
Verse: 8    
sit sie aller dinge walten hat!
Verse: 9    
mit gote, durch got, in gote
Verse: 10    
sie tirmet, swaz er tirmen lat,
Verse: 11    
uz sime bote quam sie nie tac.
Verse: 12    
sie was niur ein, des muste sie liden dol.

Verse: 13    
Wan got sie bestunt selbvierde,
Verse: 14    
er ein und ouch sin ewicheit
Verse: 15    
und sin majestas, wirde.
Verse: 16    
dar zu so half die reine,
Verse: 17    
Maria, vleisches bleiche vri:
Verse: 18    
sie spielt uz ein personen dri.
Verse: 19    
vier möchten me dan nature alterseine.

Strophe: 4_[a] 
Verse: 1    
Got - vater, sun mit geiste -
Verse: 2    
lob, erenpris! gebenedit
Verse: 3    
bistu. genade ich such
Verse: 4    
der la mich, herre, sin gezwit
Verse: 5    
von diner gotelichen art
Verse: 6    
[ ] durch den gedanc, der din geschefte zilt.

Verse: 7    
Sus trite ich an daz meiste:
Verse: 8    
von eime, uz eim der dritte entsproz
Verse: 9    
und was nicht deste junger.
Verse: 10    
ein wesen durch die drien vloz,
Verse: 11    
ein ewicheit was unde wart,
Verse: 12    
dri forme in einer substantie gotheit hilt.

Verse: 13    
Diz wunder daz hat krefte:
Verse: 14    
got vur zur helle, der lib was tot
Verse: 15    
und lac in grabes hefte,
Verse: 16    
und wurden doch nie gescheiden.
Verse: 17    
gevlochten uz, gestricket in,
Verse: 18    
ane ende und ane beginnes schin:
Verse: 19    
sus güte ich tjost gein juden und gein heiden.

Strophe: *5_[b] 
Verse: 1    
Wer saget mir daz geferte,
Verse: 2    
wie <got> nature naturlich ding?
Verse: 3    
die liebe mit dem lüste,
Verse: 4    
die zwei sint aller dinge urspring,
Verse: 5    
& die zwei <die> dienen & naturen hie
Verse: 6    
an dem, daz gat, & kriucht, swimmet oder fliugt &.

Verse: 7    
Nature ist also herte,
Verse: 8    
daz got mit ir sin wesen treit:
Verse: 9    
swaz himele tougen sliezen,
Verse: 10    
daz allez nature an ir sneit.
Verse: 11    
der helle ^tougen nature^ ie
Verse: 12    
in solcher & <wis ouch> nach ir willen biugt &.

Verse: 13    
Nature ist als ein frouwe,
Verse: 14    
und swaz ie wart und immer ist
Verse: 15    
und swaz zukunft beschouwe,
Verse: 16    
des waldet sie gemeine.
Verse: 17    
swaz unden ist und ouch darobe
Verse: 18    
und mitten durch naturen cloben,
Verse: 19    
sie trübet nicht, niur menschen lust unreine.

Strophe: 6_[c] 
Verse: 1    
Einz brachte ein [ ] zwei durch eine
Verse: 2    
und mit der drie dri in ein
Verse: 3    
und einez um die alle:
Verse: 4    
alda so lit ja unde nein.
Verse: 5    
daz was <ouch> aller wunder ursprinc.
Verse: 6    
der sechter eine wart alda zerzart.

Verse: 7    
Got brachte uns minne reine;
Verse: 8    
nature, wisheit sint durch den,
Verse: 9    
den nicht kunde ummevahen [ ]:
Verse: 10    
die drie in einem got wir spen.
Verse: 11    
^nein unde ja, die [ ] ummevienc
Verse: 12    
Maria klar:^   valsch war   geloube wart.

Verse: 13    
Nature wart zerbrochen,
Verse: 14    
do geist in geistes geschikeit
Verse: 15    
zoch an sich menschen knochen
Verse: 16    
in einer meide libe.
Verse: 17    
daz was wol aller wunder hort
Verse: 18    
- got viel, got bleib -: got, mensche, wort.
Verse: 19    
got, wunderer, gib uns zu himel bliben.

Strophe: *7_[d] 
Verse: 1    
Naturen kraft erschinet
Verse: 2    
wol an dem vogel vellica:
Verse: 3    
kein ser ^noch keine swere^,
Verse: 4    
kein pin noch kein leit komet da,
Verse: 5    
also daz er icht lide not,
Verse: 6    
wan er die krone ob allen fogeln treit.

Verse: 7    
Der tot in nicht enpinet,
Verse: 8    
als uns die schrift saget offenbar.
Verse: 9    
sin lip vor tode ist fremde,
Verse: 10    
sin vedern werden blutigvar.
Verse: 11    
also [ ] die gotheit nie wart tot,
Verse: 12    
die menscheit starb an Crist, durch uns er leit.

Verse: 13    
Sit gotheit menscheit furte,
Verse: 14    
die menscheit starb, so daz der tot
Verse: 15    
die gotheit nie berurte.
Verse: 16    
daz was ein michel wunder,
Verse: 17    
daz vater, sun, geist was ein stric,
Verse: 18    
und [ ] nicht wan einer leit jamers pic.
Verse: 19    
die tougen entsloz die valscheit nie dar under.

Strophe: 8 
Verse: 1    
Driu ding in ein sich sliezen:
Verse: 2    
daz ein ist tot, das ander leben,
Verse: 3    
daz dritte enzwischen in beiden.
Verse: 4    
man sicht ir nicht & in craft da sweben &,
Verse: 5    
man höret ir mit alle nicht,
Verse: 6    
nieman sie grifet, sie sliezen alle ding.

Verse: 7    
Die zit, die kan zerfliezen:
Verse: 8    
nieman sie sicht noch höret nicht,
Verse: 9    
nieman kan sie begrifen,
Verse: 10    
und hat an allen dingen pflicht.
Verse: 11    
in driu so teilet sich ir schicht:
Verse: 12    
daz ein ist tot, daz heizet ʽhingeling',

Verse: 13    
Daz ander, lebens früte,
Verse: 14    
so heizet ʽnu'. daz dritte teil
Verse: 15    
<ist> leben vor todes mute,
Verse: 16    
wan daz ist nach sim beizen.
Verse: 17    
ʽda hin' und ʽnach' besliuzet ʽnu':
Verse: 18    
ʽhin' loufet vor und ʽnach' darzu.
Verse: 19    
got gebe, daz wir & zieren nach sinem heizen.

Strophe: 9 
Verse: 1    
Sache einen knoten stricte
Verse: 2    
mit underscheidener dinge kraft,
Verse: 3    
dar uf sneit sie vünf ecke
Verse: 4    
mit ir vil bernder meisterschaft,
Verse: 5    
unde in den knoten sneit sie dri.
Verse: 6    
der knote was gelich aller creatiur.

Verse: 7    
Uz vier elementen ricte
Verse: 8    
got menschlich forme, als ich daz las.
Verse: 9    
vünf ecke sint vünf sinne,
Verse: 10    
der ecke gabe ie elich was.
Verse: 11    
dri ecke sint der sele bi,
Verse: 12    
snel und gelenke, behende, die sint tiur.

Verse: 13    
Diz gelichet sich allen dingen.
Verse: 14    
da kere sin selbes sinne zu,
Verse: 15    
swer wil den borten dringen.
Verse: 16    
der ist gelich den tieren:
Verse: 17    
er grunet, vulet sam ir ein.
Verse: 18    
wirf wesen gein holz, gein steine [ ] bein,
Verse: 19    
gein grase har, gein geiste geist [ ] parriere!

Strophe: 10 
Verse: 1    
Ein wesen in lufte schiffet,
Verse: 2    
dri wirte im locken nacht <und tac>.
Verse: 3    
der eine wirt hat gallen,
Verse: 4    
der ander einen vedersac,
Verse: 5    
der dritte süzer spise vil
Verse: 6    
und gut gemach, er ist ein richer wirt.

Verse: 7    
Daz wesen dich, mensche, triffet,
Verse: 8    
und & der des wesens hat gewalt
Verse: 9    
so jener mit der gallen &,
Verse: 10    
des triegen ist so manigfalt,
Verse: 11    
& ein trit ich für mich kiesen wil &.
Verse: 12    
so nenne ich in: den valant. heil verbirt,

Verse: 13    
Der mit dem sac uns winket.
Verse: 14    
so vederlestig wirt der lip
Verse: 15    
und in die erde sinket.
Verse: 16    
der dritte wirt so wise,
Verse: 17    
der kan wol riche spise geben,
Verse: 18    
Crist - vater, sun, dem geiste neben -
Verse: 19    
hilf uns zu dir, sterke uns mit diner spise.

Strophe: 11_[a] 
Verse: 1    
Ein vaz daz lie sich dringen
Verse: 2    
von adamant, gezirket so:
Verse: 3    
hol, sinewel als ein apfel
Verse: 4    
und mitten geliche erhaben ho.
Verse: 5    
des vazzes kraft ^an einer stat
Verse: 6    
nicht swacher was^ wan an dem andern zil.

Verse: 7    
Mit listen lie sich bringen
Verse: 8    
ein isen mitten in daz vaz.
Verse: 9    
ein ebenkreftic rucken,
Verse: 10    
daz ieslich want dem isen maz,
Verse: 11    
daz gab dem isen solchen rat,
Verse: 12    
daz ez weder hin noch her mac [ ] noch enwil.

Verse: 13    
Daz vaz daz ist geliche
Verse: 14    
dem firmament mit ebener kraft,
Verse: 15    
daz isen dem ertriche,
Verse: 16    
daz ist mitten dar in besundert.
Verse: 17    
wie mochtez fester sin behaft?
Verse: 18    
ez siget aller dinge kraft
Verse: 19    
uf mittelmaz. lobet in, der ez da wundert.

Strophe: *12_[b] 
Verse: 1    
Die werlt in fünf <sich> teilet:
Verse: 2    
in der vier elementen wesen
Verse: 3    
und daz & <bi> vier elementen &
Verse: 4    
ouch <menschen> sele kan genesen;
Verse: 5    
in fünf geteilet ist ir craft,
Verse: 6    
& sin, [ ] <mut>, vernunst, beheltnis, wille erkant &.

Verse: 7    
So sie mit tugent heilet,
Verse: 8    
entsliuzet, waz sie vor begreif,
Verse: 9    
waz sprichest du & zu deme &
Verse: 10    
von der materjen ummesweif ?
Verse: 11    
& sin unterscheit ist sigehaft &
Verse: 12    
ieslich ursprinc sin elementen vant.

Verse: 13    
Davon ez also heizet
Verse: 14    
& ein lang materjen uf den grunt
Verse: 15    
und uf ein ding erbeizet,
Verse: 16    
und von im wesen zucket
Verse: 17    
ein lang materjen alters vol
Verse: 18    
ein elemente heizet wol,
Verse: 19    
ez komt wider, swaz nature uz im rücket &.

Strophe: *13_[c] 
Verse: 1    
Luft, wazzer, fiur und erde,
Verse: 2    
vier elementen <man> nennen sol.
Verse: 3    
ir art ist unterscheiden,
Verse: 4    
doch komen sie zusamen wol.
Verse: 5    
der luft ^warm unde fiuchte^ si,
Verse: 6    
daz wazzer kalt und fiuchte, ich han gelesen.

Verse: 7    
Warm, trucken & also werden:
Verse: 8    
so ist daz fiur. so gicht man: craft &.
Verse: 9    
kalt, trucken blibet der erden.
Verse: 10    
& und wa sich & solche meisterschaft
Verse: 11    
den elementen wone bi,
Verse: 12    
luft unde wag, der sloz muz fiuchte wesen;

Verse: 13    
Erde unde wazzer küle,
Verse: 14    
luft, fiure wirme besliezen kan;
Verse: 15    
^also der trucken^ vüle
Verse: 16    
erde unde fiur besliuzet.
Verse: 17    
der luft und ouch der erden kür
Verse: 18    
& und <ouch> der craft muz komen für,
Verse: 19    
ir sloz naturen craft gar schon begiuzet &.

Strophe: 14 
Verse: 1    
Der eren wurzel, maze, -
Verse: 2    
ho ritterschaft, vil werder kranz,
Verse: 3    
dich kan nicht baz gesprenzen,
Verse: 4    
niur menlich herze in tugenden ganz.
Verse: 5    
spar nicht die weide vor der brust,
Verse: 6    
ein vremder stal uf not si dir ein bli!

Verse: 7    
Uf turnei, krieclich saze,
Verse: 8    
da la die milte volgen mite!
Verse: 9    
hilf vrevels kraft erklingen
Verse: 10    
mit schilten nach buhurtes site.
Verse: 11    
sus reizestu menlich gelust.
Verse: 12    
wis gernder diet in triuwen holt da bi.

Verse: 13    
La dich die minne leiten!
Verse: 14    
wirt dir die meizoginne ganz,
Verse: 15    
sie machet dich bereiten
Verse: 16    
uf hübischeit und zu prise.
Verse: 17    
ere alle vrouwen, werde jugent,
Verse: 18    
die swachen durch der biderben tugent.
Verse: 19    
tustu des nicht, so vluche ich diner wise.

Strophe: 15 
Verse: 1    
Ich saz uf einer grüne
Verse: 2    
und dachte maniger hande dinc,
Verse: 3    
wie ich die werlt behielde
Verse: 4    
und ouch gein gote nicht würde linc.
Verse: 5    
do kunde ich nie erdenken daz,
Verse: 6    
daz mir icht töchte zu solcher hande ger.

Verse: 7    
Ich wart blöde unde küne
Verse: 8    
von gedanken, der ich vil verschriet,
Verse: 9    
und nach der werlde tücke
Verse: 10    
min kintheit mir die witze riet,
Verse: 11    
daz nieman in der eren saz
Verse: 12    
komt ane schaz. des wart min leben swer.

Verse: 13    
Ich strafte vrouwen Eren
Verse: 14    
und sprach: ʽir sit ein swache meit,
Verse: 15    
lat ir iuch schaz verkeren.'
Verse: 16    
sie sufte und sprach: ʽdu tummer,
Verse: 17    
schaz hat mich leider überwegen,
Verse: 18    
man mac min wol mit schatze phlegen,
Verse: 19    
[ ] schaz ane tugent ist gein mir ein kummer'.

Strophe: 16 
Verse: 1    
Vrou Ere quam gegangen
Verse: 2    
zu einem gutes richen man.
Verse: 3    
er vragte, wer sie were.
Verse: 4    
ʽich binz, vrou Ere,' sprach sie san,
Verse: 5    
ʽund wolde gerne bi dir sin.'
Verse: 6    
ʽdes bin ich vro,' sus sprach des schatzes zogel.

Verse: 7    
Ein schrin, der was mit spangen
Verse: 8    
beslagen, da in er sie besloz.
Verse: 9    
dem Gelücke er gab den slüzzel
Verse: 10    
und sprach: ʽsich hin, phlic dins genoz.'
Verse: 11    
Gelücke quam eins zu dem schrin
Verse: 12    
und sloz in uf, do was ez ein gouchesvogel.

Verse: 13    
Do clagete Gelücke sere
Verse: 14    
und sprach: ʽer ist ein tummer gouch,
Verse: 15    
swer mir bevilht sin ere:
Verse: 16    
er solte ir selber walden.
Verse: 17    
wan were ich stete, son hiez ich nicht
Verse: 18    
Gelücke. von unsteter phlicht
Verse: 19    
heize ich also, die wort sint nicht gespalden.'

Strophe: 17_[a] 
Verse: 1    
Ein art die prüve ich tiure
Verse: 2    
nach sinnes richer witze spehen,
Verse: 3    
die normelosen vremdet.
Verse: 4    
von man zu man doch höre ich jehen,
Verse: 5    
zu heimeliche wirt vriundes vriunt,
Verse: 6    
gemeiner schade tut allerminnest we.

Verse: 7    
Kristallin is zu viure
Verse: 8    
kan krispen wol der sunnen wevel.
Verse: 9    
versichert phil treit salben
Verse: 10    
der sere, der vorcht und bringet frevel.
Verse: 11    
ein leit von leide wirt entzunt,
Verse: 12    
hantgrift der schiuwet niuwer wunden ve.

Verse: 13    
Verbiderbet knecht sich hönet,
Verse: 14    
verrittert man sich dörpert. an
Verse: 15    
swem sich die sünde krönet,
Verse: 16    
so vulet geistlich wirde.
Verse: 17    
verkindet kint, verschiuwet phert,
Verse: 18    
die zwei sint krankes prises wert.
Verse: 19    
ein zitlich zit sich tempert mit gezierde.

Strophe: 18_[b] 
Verse: 1    
Geweizet und gedinkelt
Verse: 2    
dünkt ieslich brust ir sinnes want:
Verse: 3    
der toren golt mac immer
Verse: 4    
der wisen kupfer sin genant.
Verse: 5    
sünde ane schame ist langez leit.
Verse: 6    
list list bedarf, ob sie sol sin betrogen.

Verse: 7    
Ez ist nicht wol verwinkelt,
Verse: 8    
swaz in den sne beschorren wirt;
Verse: 9    
die melde ez mac begrifen,
Verse: 10    
swenn sich der sne zu wazzer schirt.
Verse: 11    
ein tac daz jar vil dicke erschreit.
Verse: 12    
swa schöne gelac, dar was die ger gebogen.

Verse: 13    
Meilmut komt von begirden.
Verse: 14    
swer leit durch liebe dulden tar,
Verse: 15    
wie mac dem liebe entwerden?
Verse: 16    
swelch hunt die lemmer vliuwet,
Verse: 17    
von im der eber nicht wirt bestrouft,
Verse: 18    
wolveile hat wirde vil verkouft.
Verse: 19    
die zucht ist blint, die sich ir selben riuwet.

Strophe: 19_[c] 
Verse: 1    
Wie, waz man strafen möchte,
Verse: 2    
wa mite uz rechter sache schrin,
Verse: 3    
wil daz ein strafer merken,
Verse: 4    
der wechsel vromt im lere, lob fin.
Verse: 5    
uz zorne ein strafe net hazzes kleit.
Verse: 6    
spot phiet dich an, ob hönisch ist din tant.

Verse: 7    
Dem guten herzen töchte
Verse: 8    
durch zucht ein wort me dan ein slac.
Verse: 9    
& ez mac vil lichte des windes,
Verse: 10    
der vedern wet, ouch nahet im smac &.
Verse: 11    
nach dünke ein guft ie gunst versneit.
Verse: 12    
lob wart ie vul, da manz daheime vant.

Verse: 13    
Zu gach wil afterriuwe;
Verse: 14    
vervriundet vint wirt selten gut,
Verse: 15    
wan an im ist kein triuwe.
Verse: 16    
hochvart uz armer gülte,
Verse: 17    
uf wise tat tum ammetman,
Verse: 18    
vil rede muz dicke lüge uz lan:
Verse: 19    
swa man die spürt, durch recht man sie wol schülte.

Strophe: 20 
Verse: 1    
Mich fragte ein wiser leie,
Verse: 2    
welch ding uf lebendiger trucht
Verse: 3    
daz allerbeste gefalle.
Verse: 4    
do jach ich wider: ʽ<an> frouwen zucht
Verse: 5    
und an den mannen triuwe ganz,
Verse: 6    
swer maze kan an allen dingen geben'.

Verse: 7    
ʽDer keinez ich verschreie',
Verse: 8    
sprach er, 'doch hastu einer tugent
Verse: 9    
vergezzen: in dem herzen
Verse: 10    
billich er trage die sinen jugent,
Verse: 11    
wil ez sin nennen haben glanz
Verse: 12    
<...>

Verse: 13    
<...>
Verse: 14    
<...> hie gein der werlte mugent,
Verse: 15    
swie tum ich si, der rede mich nicht befilte.

Strophe: 21 
Verse: 1    
Ich hete in einem swerte
Verse: 2    
von aventiure einen geist,
Verse: 3    
daz er mir solte kunden,
Verse: 4    
waz fürsten, herren allermeist
Verse: 5    
möchte an ir höchsten eren schaden.
Verse: 6    
der geist was clug, er sprach: ʽich wil dirz sagen.'

Verse: 7    
Sin gunst mich es gewerte:
Verse: 8    
ʽden fürsten und den herren tut
Verse: 9    
den schaden und die schande
Verse: 10    
ein zegelich unmilter mut.
Verse: 11    
swelch <herre> mit dem ist überladen,
Verse: 12    
den müzen wir durch recht gein helle tragen.

Verse: 13    
Ouch muz ich schenden sere
Verse: 14    
ein falschen ungetriuwen rat,
Verse: 15    
wan der git in die lere,
Verse: 16    
daz sie den mut gewinnen.
Verse: 17    
ein fürste ist als ein ander man,
Verse: 18    
wan daz im got gewaldes gan.
Verse: 19    
er ist enwicht, ob sie nicht ere minnen.'

Strophe: 22_[a] 
Verse: 1    
In driu geteilet waren
Verse: 2    
von erst die liute, als ich las:
Verse: 3    
buman, ritter und pfaffen.
Verse: 4    
ieslich [ ] nach siner maze <was>
Verse: 5    
gelich an adel und an art
Verse: 6    
dem andern ie. <war> stet der pfaffen sin?

Verse: 7    
Sie leren wol gebaren,
Verse: 8    
kunst, wisheit, aller tugent craft,
Verse: 9    
fride, scham und darzu forchte
Verse: 10    
die ritterlichen ritterschaft.
Verse: 11    
der buman hat sich des bewart,
Verse: 12    
daz er den zwein nar schüfe mit gewinn.

Verse: 13    
Nu pfaffe, werder pfaffe,
Verse: 14    
laz ander orden under wegen.
Verse: 15    
du stolzer ritter, schaffe,
Verse: 16    
daz ritterschaft dir lache,
Verse: 17    
nicht nim an dich ein ander leben.
Verse: 18    
du buman solt <nicht> hoher streben,
Verse: 19    
daz lere ich dich, durch fremdes prises sache.

Strophe: 23_[b] 
Verse: 1    
Der pfaffe kan sin nennen
Verse: 2    
nicht baz getiuren, wan der nam
Verse: 3    
für alle wirde der pfaffen
Verse: 4    
wol uz der edeln pfafheit quam.
Verse: 5    
sprich: babes, bischof, [ ] kardinal,
Verse: 6    
ist alles nicht, pfaffe ist daz höchste wort.

Verse: 7    
Er mag sin wirde entrennen:
Verse: 8    
swenn er den hochgeherten namen,
Verse: 9    
sin rechtez leben, mit fuge
Verse: 10    
nicht ebene treit, er muz sich schamen.
Verse: 11    
waz mag der unreinen pfaffen schal,
Verse: 12    
waz valsch und übel trüge [ ] <gein> triuwen [ ] hort?

Verse: 13    
Die zwelif gotes knechte
Verse: 14    
den cristentum erstriten han
Verse: 15    
und gaben, daz zu rechte
Verse: 16    
die pfafheit sülle halten
Verse: 17    
den besten und den höchsten teil.
Verse: 18    
pfaffe immer müze haben heil
Verse: 19    
hie unde dort: din wirde ist ungespalten.

Strophe: 24 
Verse: 1    
Vil maniger also sprichet:
Verse: 2    
ʽwaz irret mich der valschen nit?'
Verse: 3    
der kan nicht baz gedenken,
Verse: 4    
waz bosheit an den valschen lit
Verse: 5    
an rede, an afterworte craft,
Verse: 6    
die manigem tun vil dicke grozen schaden.

Verse: 7    
Der valsche sich nicht richet,
Verse: 8    
swa craft gein creften ist gewegen.
Verse: 9    
niur swaz er valscher tücke
Verse: 10    
und valscher rede mag gepflegen,
Verse: 11    
die machet er so sigehaft,
Verse: 12    
daz manig lant der clage si überladen.

Verse: 13    
Ein valscher mit dir lachet, -
Verse: 14    
swenn er sich baz vermag wan du,
Verse: 15    
mit willen er dich swachet.
Verse: 16    
ouch höret man bi stunden
Verse: 17    
den valschen me dan einen man,
Verse: 18    
der wol mit triuwen werben kan.
Verse: 19    
so hat der wolf den lewen überwunden.

Strophe: 25 
Verse: 1    
Dri dienste muz ich bieten.
Verse: 2    
durch menschlich ere ist einer zwar,
Verse: 3    
darnach durch geistes selde.
Verse: 4    
die zwene biute ich mit willen dar,
Verse: 5    
der dritte <ist> durch Untriuwen hac,
Verse: 6    
die twinget & in in tiefer sünden bant:

Verse: 7    
ʽIch muz mich wandels nieten,
Verse: 8    
für golt gibe ich im gunterfeit,
Verse: 9    
in honig biute ich gallen
Verse: 10    
und ist mir unvernünstlich leit.
Verse: 11    
ich stürme bloz und tun doch slag,
Verse: 12    
ich male im wiz, da durch e swerze drant.'

Verse: 13    
Daz clage ich got zu mazen,
Verse: 14    
daz ich durch der Untriuwen flut
Verse: 15    
muz gen uf kummerstrazen.
Verse: 16    
durch wandelmeiles tücke
Verse: 17    
laze ich ir nicht, sie smeichet <mir>
Verse: 18    
mit [ ] slangen art in aftergir.
Verse: 19    
mit miner list ir list ich gar bezücke.

Strophe: 26 
Verse: 1    
Unheimlich gerne ich were
Verse: 2    
dem valsch. hat aber der gewalt,
Verse: 3    
so muz ich mich im lieben,
Verse: 4    
swie gar sin mut ist ungestalt.
Verse: 5    
daz lieben nicht von herzen gat.
Verse: 6    
merke ieder man, [ ] <ob> war si die geschicht.

Verse: 7    
Valsch bi gewalt ist swere.
Verse: 8    
wer tar in strafen? nieman zwar,
Verse: 9    
ouch wil ich daz bewisen,
Verse: 10    
ein ding ist offenlichen war:
Verse: 11    
swelch herze ein untriuwe in sich lat,
Verse: 12    
die wile ez lebet, so komt sie von im nicht.

Verse: 13    
Davon rate ich iu fürsten,
Verse: 14    
an swem ir die untriuwe erfart,
Verse: 15    
nach triuwe lat iuch dürsten,
Verse: 16    
und wizzet daz: untriuwe
Verse: 17    
die ist recht als ein böser made,
Verse: 18    
der in ein obez komt ungeladen.
Verse: 19    
er tut dem obez groz schaden <an> siner niuwe.

Strophe: 27 
Verse: 1    
Man saget von Parzifale,
Verse: 2    
von Titurel und Gachmurete,
Verse: 3    
von Ector und Achille,
Verse: 4    
von Gawein, der daz beste ie tete,
Verse: 5    
von Walwan und <von> Lanzelot,
Verse: 6    
<von> Iweins krieg und von Wilhalmes tat.

Verse: 7    
Die worchten heldes male,
Verse: 8    
daz schuf der fürsten milte hant,
Verse: 9    
ir tugent und ir güte.
Verse: 10    
ir steter mut was wol erkant,
Verse: 11    
daz er ^gein tusent wer erbot
Verse: 12    
mit^ mannes mut nach siner sinne rat.

Verse: 13    
Wie ho ir mut do swebete!
Verse: 14    
[ ] ^were Artus noch^ in solcher tugent,
Verse: 15    
als ^do er^ milte lebete
Verse: 16    
mit siner tafelrunde,
Verse: 17    
man vünde noch wol Parzifal
Verse: 18    
und alle herren von dem gral,
Verse: 19    
swen nach in durste und in der eren gunde.

Strophe: 28 
Verse: 1    
Die künige und die fürsten,
Verse: 2    
<die> machen manheit gar verzagen
Verse: 3    
an rittern und an knechten,
Verse: 4    
- nu merket, waz ich iu kan sagen, -
Verse: 5    
so sie den richen nu erheben,
Verse: 6    
[ ] <swie> duz sin mut nie menlich lust gewan,

Verse: 7    
Und leiden groze türste,
Verse: 8    
verderben mangen mannes mut,
Verse: 9    
daz er sich selwet, grimmet
Verse: 10    
von nötikeit: da mut, wa gut?
Verse: 11    
& ez git den fliehen uf der eben &
Verse: 12    
hase unde luchs, ir lugen stet hindan.

Verse: 13    
ʽIr sult die zagel smiegen,
Verse: 14    
man darf nicht iuwer stritgewer,
Verse: 15    
wir wellen nimmer kriegen.
Verse: 16    
wol her, ir mittelere,
Verse: 17    
ir strafet uns weder hie noch da.'
Verse: 18    
ʽja her, ja herre, ^ich sach, ja^:
Verse: 19    
die zit ist hie, ez werden ander mere.'

Strophe: 29 
Verse: 1    
Secht, wie ez tunkel blawet!
Verse: 2    
der werlte liecht ist worden blint,
Verse: 3    
daz e mit glaste luchte,
Verse: 4    
als vor <noch> lebten der eren kint.
Verse: 5    
die forchten sich vor missetat,
Verse: 6    
ir mut der stund uf hochgezierten pris.

Verse: 7    
Woltat der jungen grawet,
Verse: 8    
swa sicherheit sich hat ergeben
Verse: 9    
der ungeherten schande,
Verse: 10    
die müzen gar in [ ] sünden leben.
Verse: 11    
swer tugent in dem herzen hat,
Verse: 12    
des gicht min munt, er ist an sinnen wis.

Verse: 13    
Hie vor swer tugent gerte,
Verse: 14    
& dem hulfen tusent <od> me an tugent,
Verse: 15    
und sie sit prises werte
Verse: 16    
der fürsten gunst; [ ] <die> milte
Verse: 17    
volfarn enmochte nicht. sich, jugent:
Verse: 18    
nu eren tusent <kume> ein tugent,
Verse: 19    
des muz erligen zucht, <ere> an dinem schilte &.

Strophe: 30 
Verse: 1    
Daz leben ist uf der neige,
Verse: 2    
die werlt ist uf den herbest komen.
Verse: 3    
die glanzen blumen bleichen,
Verse: 4    
ir schöne, ir smac ist in benomen,
Verse: 5    
der boume loub daz riset nider,
Verse: 6    
die winde [ ] wen, <sie> varen mit gewalt.

Verse: 7    
Die sunne ist uf der seige.
Verse: 8    
ʽwol an, die sniter müzen abe.'
Verse: 9    
ʽwaz lones welt ir in reichen?'
Verse: 10    
ʽdarnach der man verdienet habe.
Verse: 11    
swaz von mir quam, <daz> nim ich wider.
Verse: 12    
sin lon, sin recht, sin art ist wolgestalt:

Verse: 13    
Sin lib, sin gut mir blibet.
Verse: 14    
mit we man zu mir wirt geborn,
Verse: 15    
mit we man von mir tribet.
Verse: 16    
doch muz ich mich erbarmen.
Verse: 17    
<...>

Strophe: 31 
Verse: 1    
Die richen edelen solten
Verse: 2    
tun nach ir art, daz zeme in wol:
Verse: 3    
tugent ringer <ist> zu merken
Verse: 4    
wan untugent, <als> ich sprechen sol.
Verse: 5    
sagt man inz unter ougen nicht,
Verse: 6    
so komt doch wit der herren missetat.

Verse: 7    
Hie vor die edeln wolten,
Verse: 8    
daz zucht, triuwe und bescheidenheit
Verse: 9    
des hofes pfleger weren.
Verse: 10    
nu sint sie niendert so bereit,
Verse: 11    
so torlich ist <al> ir geschicht.
Verse: 12    
ouwe, <her> Hof, wie lesterlich [ ] <ir> stat

Verse: 13    
Al hie zu disen ziten
Verse: 14    
und loset durch die hele schon:
Verse: 15    
die künen herren striten
Verse: 16    
und jagen also vaste,
Verse: 17    
daz ir den herren mite jecht,
Verse: 18    
swenn ir unfuge von in secht.
Verse: 19    
her Hof, lat ab, e daz ich naher taste.

Strophe: *32 
Verse: 1    
Tum unde böse erkennet
Verse: 2    
mit unterscheit einander nicht.
Verse: 3    
ein tummer kan nicht wizzen,
Verse: 4    
waz im beheit oder <leide> geschicht.
Verse: 5    
und swenn im ist die zit zu lanc,
Verse: 6    
<er sachet> ein bruch ane sinen willen.

Verse: 7    
Des valschen wise entrennet
Verse: 8    
den tugenden <gar> unwitziglich,
Verse: 9    
unere er sich flizet,
Verse: 10    
damit er wert in schanden sich.
Verse: 11    
wol hin, du fuler helle stanc,
Verse: 12    
du nezzelfluch! des wirt din laster grellen.

Verse: 13    
Ob [ ] <eins> ein junger tummet,
Verse: 14    
er komt mit wiser lere wider,
Verse: 15    
daz al sin arc erstummet.
Verse: 16    
die bosheit ist so heftig,
Verse: 17    
swa sie sich zwirent hin geleit,
Verse: 18    
kein junger man sie dannen jeit.
Verse: 19    
ein edele frucht, wis ie da wider kreftig.

Strophe: *33 
Verse: 1    
Den edelen süzen jungen
Verse: 2    
driu ding man stete solte sagen,
Verse: 3    
einz, daz sie williglichen
Verse: 4    
der wisen hort <solten> bi in tragen:
Verse: 5    
ez fromt in an den witzen vil,
Verse: 6    
der wisen rede ist niur von wiser tat.

Verse: 7    
Ouch spriche ich unbetwungen,
Verse: 8    
sie solten gutes siten pflegen.
Verse: 9    
der in daz stete sagete,
Verse: 10    
sie liezen bosheit unter wegen.
Verse: 11    
ez ist ein stat uf alle zil,
Verse: 12    
swa kinder sint an wisem, guten rat.

Verse: 13    
Daz dritte wil ich iu rügen,
Verse: 14    
daz solte in die & gemeinschaft
Verse: 15    
bi tun an ungefüge &.
Verse: 16    
ein spruch was bi den alten:
Verse: 17    
geselleschaft, die bosheit kan,
Verse: 18    
von der wirt houbetsiech ein man:
Verse: 19    
nim, edele vrucht, zu dir, die eren walten.

Strophe: *34 
Verse: 1    
<Nu> schamt iuch, minnerorden,
Verse: 2    
iur fuz der hat den hindergang,
Verse: 3    
iur orden hinken alle,
Verse: 4    
ir tretet in simonien schranc,
Verse: 5    
ir wirket fremde gotes recht,
Verse: 6    
ir leret gut und minnet valsche tat.

Verse: 7    
Ir sit verkoufer worden
Verse: 8    
der kristenheit, ouwe der not!
Verse: 9    
den wolf nemt ir zu gesellen,
Verse: 10    
ob er daz schaf iu bringe tot.
Verse: 11    
ir ^slichtet ruch und ruhet slecht^,
Verse: 12    
haz unde nit, der treit nu geistlich wat.

Verse: 13    
Iur bruderschaft sich hönet:
Verse: 14    
gelichsenheit, die got verbot,
Verse: 15    
die ist mit iu gekrönet,
Verse: 16    
die treit nu geistlich wete
Verse: 17    
und wülfet uz des herzen dunst.
Verse: 18    
lerte iuch Franciscus solche kunst,
Verse: 19    
so pflag sant Augustin ouch solcher rete.

Strophe: 35_[A] 
Verse: 1    
Wa lust, wa wunne spehe,
Verse: 2    
wa liep und aller freuden hort?
Verse: 3    
wa vindet man daz fiure,
Verse: 4    
da sich entzünden muz daz wort,
Verse: 5    
daz zweier herze, zweier mut
Verse: 6    
treit in ein wesen von fremdem anbegin?

Verse: 7    
Den wechsel ich versehe.
Verse: 8    
wa gruntfest aller selikeit,
Verse: 9    
wa muter aller eren,
Verse: 10    
wa swester der bescheidenheit,
Verse: 11    
der maze ein bruder wol behut,
Verse: 12    
ein vater wise an volbedachtem sin?

Verse: 13    
Wa ritterlichez ellen?
Verse: 14    
wa nimt die manheit al ir tugent,
Verse: 15    
daz sie sich muz gesellen
Verse: 16    
der hochgeherten milde?
Verse: 17    
wa scham, wa zucht, wa tugende craft?
Verse: 18    
wip, din vil süze meisterschaft
Verse: 19    
daz allez kan, des si gelobt din bilde.

Strophe: 36_[B] 
Verse: 1    
Wie tötet man die sorgen?
Verse: 2    
wie wirt verwunnen allez leit?
Verse: 3    
wie wirt gekrenket swere?
Verse: 4    
wie senftet man groz arebeit?
Verse: 5    
wie leschet man des zornes glut?
Verse: 6    
wie wirt verkart, daz triuwe muz jamer clagen?

Verse: 7    
Wie tröstet trost [ ] verborgen?
Verse: 8    
wie wirt verjaget haz unde nit?
Verse: 9    
wie salbet man den smerzen?
Verse: 10    
der senfte bernde herzen git,
Verse: 11    
nach liebe senden heilen tut,
Verse: 12    
swer flehet mich, dem <wil> ich ez allez sagen:

Verse: 13    
Secht, als die sunne erliuchtet
Verse: 14    
die luft und alle vinsterheit,
Verse: 15    
baz dürren mut erfiuchtet
Verse: 16    
ein reinez angesichte,
Verse: 17    
daz touwet, regent süzen lust
Verse: 18    
in mannes herze, in mannes brust:
Verse: 19    
ja, wibes nam, der wunsch ist dir gerichte.

Strophe: 37_[C] 
Verse: 1    
Wadurch ist, werlt, din wunne?
Verse: 2    
wadurch ist menschlich freude gar?
Verse: 3    
wadurch ist seiten süze?
Verse: 4    
wadurch ist schellen übervar,
Verse: 5    
tambur, zitol und orgel clanc?
Verse: 6    
wadurch die luft in ror gedrücket wirt?

Verse: 7    
Wadurch ist pfaffen künne?
Verse: 8    
wadurch ist menlich ritterschaft
Verse: 9    
mit turnei und mit stechen?
Verse: 10    
wadurch ist pris und meisterschaft?
Verse: 11    
wadurch ist pfifen und gesanc?
Verse: 12    
wadurch ist zucht in tugenden schon geziert?

Verse: 13    
Wadurch sint prises döne?
Verse: 14    
wadurch ist minniglicher gruz?
Verse: 15    
wadurch ist friuntschaft, schöne,
Verse: 16    
wadurch die jugent gezieret?
Verse: 17    
wadurch daz adel liebe ist vol?
Verse: 18    
wip, reine frucht, daz weist du wol:
Verse: 19    
durch dinen lip ist alle güte gefieret.

Strophe: 38_[A] 
Verse: 1    
Den jungen ich entstricke,
Verse: 2    
wie sie der minnen boten heln.
Verse: 3    
& und ouch & durch tougen liebe
Verse: 4    
dri lose blicke solt du steln.
Verse: 5    
zwar mit dem ersten solt du spehen,
Verse: 6    
ob an dir si, daz ir icht missehage,

Verse: 7    
Und mit dem andern blicke
Verse: 8    
warte, ob kein merker bi dir si,
Verse: 9    
der diner blicke vare.
Verse: 10    
so wis des dritten blickes fri.
Verse: 11    
ist aber, daz er si geschehen,
Verse: 12    
zuhant den blick uf ander fürbaz jage.

Verse: 13    
Erferest du nach bazze,
Verse: 14    
daz sie erfuren dinen strich,
Verse: 15    
kom nimmer uf daz lazze.
Verse: 16    
bistu der merker ane,
Verse: 17    
so blicke loser blicke dri
Verse: 18    
und wis nicht tougenworte fri:
Verse: 19    
so gilt sie dir den blic uf liebem plane.

Strophe: 39_[B] 
Verse: 1    
& Dun wellest & warten blicke:
Verse: 2    
ob dir ein widerblicken wirt,
Verse: 3    
so nig <ir> tougenliche
Verse: 4    
und warte, ob sie & der icht entbirt &.
Verse: 5    
so gilt ir lobelichen daz.
Verse: 6    
wol, immer wol, und wirt sin also vil.

Verse: 7    
Swa lieb gein lieb sich stricke,
Verse: 8    
da hat der minnen zunder e
Verse: 9    
den funken an dem steine
Verse: 10    
enpfangen liechte sunder we.
Verse: 11    
& und er hat gein der minnen haz,
Verse: 12    
swa lieb bi lust sich überzeigen wil.

Verse: 13    
Da blicke tragen die herzen,
Verse: 14    
zuhant ein fiure ist bereit
Verse: 15    
den herzen sunder smerzen.
Verse: 16    
sie teilen allen sinnen
Verse: 17    
der minnen zuckersüzen lust
Verse: 18    
& den ougen gar durch herzen & brust;
Verse: 19    
der minnen craft muz sich also beginnen.

Strophe: 40_[C] 
Verse: 1    
Nu wachet, senden herzen,
Verse: 2    
also gelich ist iuwer art,
Verse: 3    
noch heizer dan ein fiure.
Verse: 4    
ja, hiure [ ] bin ich bi der vart,
Verse: 5    
eia, vil liebe minne, alsa,
Verse: 6    
daz ich hinfür der minnen fiur verwar.

Verse: 7    
Mit kummertragenden smerzen
Verse: 8    
sie werden beidenthalben blint
Verse: 9    
mit tat und <mit> geberde.
Verse: 10    
& und swa die zwei gelieben sint,
Verse: 11    
fliuch, Scham, ich darf din anders. swa
Verse: 12    
lieb leschet lust, ez brinnet allez gar,

Verse: 13    
Swa aber lust <ist> gemischet,
Verse: 14    
so weiz ich, daz des fiures craft
Verse: 15    
ouch nimmer gar erlischet.
Verse: 16    
sin zeigen ist geringer,
Verse: 17    
davon sie wiser sint dan e.
Verse: 18    
ist ob ir art geliche ste,
Verse: 19    
herze, ougen sin daz zeichen mit dem vinger.

Strophe: 41  G(?)
Verse: 1    
La loufen daz gestirne,
Verse: 2    
so wil ich vliegen lan den wint.
Verse: 3    
wiltu den dunre binden,
Verse: 4    
so bin ich, der den bliczen bint.
Verse: 5    
kanstu die regens tropfen zeln,
Verse: 6    
so zel ich dir loub, gras und allen griez.

Verse: 7    
Nu wirt versuchet daz hirne,
Verse: 8    
und waz vünf sinne krefte han,
Verse: 9    
und waz zwei herze wisheit
Verse: 10    
begrifen mügen mit sinnes klan.
Verse: 11    
hie wirt geteilet, ir sult weln,
Verse: 12    
ob iu sin bach si lieber dan min vliez,

Verse: 13    
Sit von dem edelen brunnen
Verse: 14    
Pegases komt ir beider vluz.
Verse: 15    
die kunst wol merken kunnen,
Verse: 16    
die merken dise kose,
Verse: 17    
wa dise wage zwen nemen ir duz
Verse: 18    
und wie sich teile ir duzzes schuz
Verse: 19    
in maniges or.   kein tor   entbint die glose.

Strophe: 42  G(?)
Verse: 1    
Wa bistu gewest zu schule,
Verse: 2    
daz du so hohe bist gelart?
Verse: 3    
man sprichet dich also kindes,
Verse: 4    
daz in der niuwe si din bart.
Verse: 5    
drizehen jar der hastu noch nicht.
Verse: 6    
nu la dich got vierzehen mit eren leben.

Verse: 7    
Du macht uf meisters stule
Verse: 8    
gesitzen wol, des höre ich jehen,
Verse: 9    
unt daz von dinen jaren
Verse: 10    
nie din geliche würde gesehen.
Verse: 11    
wol dir der seldehaften schicht,
Verse: 12    
daz nu din pris so ho beginnet sweben.

Verse: 13    
Man gicht, in diutischem riche
Verse: 14    
si niender phaffe din genoz
Verse: 15    
noch singer din geliche.
Verse: 16    
und macht du daz bewisen,
Verse: 17    
daz dir da her von himele vloz
Verse: 18    
unde in din herze sich besloz
Verse: 19    
die wisheit gar,   vür war,   daz muz man prisen.

Strophe: *43 
Verse: 1    
Ich han din keine kunde,
Verse: 2    
ich hete gerne kunde din.
Verse: 3    
unkunde ist unminne,
Verse: 4    
daz wirt noch alle tage schin.
Verse: 5    
ich wolte din gerne kunde han:
Verse: 6    
waz ob ez uns vil lichte beiden vromt?

Verse: 7    
Komt uns vrome ane sünde,
Verse: 8    
so ist der vrome vromelich.
Verse: 9    
wie ob min rat mit dime
Verse: 10    
<mac> schaffen, daz wir vreudenrich
Verse: 11    
werden und daz wir sorge lan?
Verse: 12    
die sorge nicht gerne ane schaden komt.

Verse: 13    
Min kunft si dir gekündet,
Verse: 14    
ich wil dich kurzelichen sehen.
Verse: 15    
wirde ich zu dir gevriundet
Verse: 16    
und du zu mir mit triuwen,
Verse: 17    
so soltu daz an mir wol spehen
Verse: 18    
unde ich an dir. ez mac geschehen,
Verse: 19    
daz uns die geschicht   sol nicht   der kunde riuwen.



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This text is part of the TITUS edition of Heinrich von Meissen, Frauenlob.

Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 6.5.2019. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.