TITUS
Heinrich von Meissen, Frauenlob
Part No. 9
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Text: 8 
VIII. Zarter Ton


Strophe: 1 
Verse: 1    Ich höre des vater lere jehen:
Verse: 2    
<kint, wiltu sehen
Verse: 3    
lieb an dir selben, la dir daz geschehen:
Verse: 4    
ʽie minner sorge, ie grozer var'
Verse: 5    
trage in dem herzen din, daz sage ich dir vür war,
Verse: 6    
so machtu spehen,
Verse: 7    
der rat dir nützlich ist.>

Verse: 8    
Ir hohen vürsten, set iuch vür,
Verse: 9    
sit valsch die tür
Verse: 10    
erdrungen hat an rat, an ammetkür!
Verse: 11    
habet ouch den dumen in der hant!
Verse: 12    
set uf, wem ir bevelhet lib unde eren phant!
Verse: 13    
ich höre, ich spür
Verse: 14    
gallen in [ ] honeges list.

Verse: 15    
Ouch sicht man wol, wie schiere gelücke struchet;
Verse: 16    
die hoste vreude sich zu jamer bruchet;
Verse: 17    
lieb in leide tuchet.
Verse: 18    
ir vürsten, daz nemt in den mut.
Verse: 19    
ez wirt iu gut,
Verse: 20    
welt ir die vlut
Verse: 21    
des lebens tragen in vrist.

Strophe: 2 
Verse: 1    
Wer ist ein man got unt der diet?
Verse: 2    
an swem geschiet,
Verse: 3    
daz in die zit der vierzic jare besiet,
Verse: 4    
ob er im selben an gesiget,
Verse: 5    
so daz die tugent selb vierde in siner zellen liget,
Verse: 6    
und nie verschriet
Verse: 7    
die warheit mit ir sage:

Verse: 8    
Treit er der reinen vrouwen pris
Verse: 9    
mit manheit wis,
Verse: 10    
blüt im uz maze ganzer milte ein ris,
Verse: 11    
teilt im bescheidenheit ir macht, -
Verse: 12    
gedult, barmunge und elich leben, die sint geslacht.
Verse: 13    
zu snel, zu lis
Verse: 14    
nicht rechtes zorn voljage.

Verse: 15    
In zucht und [ ] triuwe sol sin herze welzen.
Verse: 16    
swen ich nu spür sin manheit also velzen,
Verse: 17    
set, dem wil ich smelzen
Verse: 18    
ein lob uz miner künste golt.
Verse: 19    
swer dienet den solt,
Verse: 20    
wib, dem sit holt.
Verse: 21    
mit liebe er iu behage.

Strophe: 3 
Verse: 1    
Swelch sat zu vru dem acker wirt,
Verse: 2    
wol die verbirt
Verse: 3    
ein billich sniden, als die zit begirt.
Verse: 4    
swelch mus zu vil let in ir hol,
Verse: 5    
daz sie dar uz entwichen muz, dern ist nicht wol,
Verse: 6    
swenne ir geswirt
Verse: 7    
der katzen slichen zu.

Verse: 8    
Swelch jugent sich zu vru verliget,
Verse: 9    
wie ob gesiget
Verse: 10    
gemach den eren an, unpris ir pfliget.
Verse: 11    
swer ouch zu gach gemach verslet,
Verse: 12    
daz ist ein ungewin, ob in uncraft bevet.
Verse: 13    
swer beide wiget,
Verse: 14    
in beiden maze er tu.

Verse: 15    
Zu vru gemach tut gerne afterriuwe,
Verse: 16    
zu lange unruwe dem leben ist untriuwe.
Verse: 17    
starken lip ich schiuwe,
Verse: 18    
der sich nicht vrischet mit der tat.
Verse: 19    
swes mut so stat,
Verse: 20    
der habe den rat,
Verse: 21    
daz er sich münche vru.

Strophe: 4 
Verse: 1    
Mit jungen junc, mit alten alt,
Verse: 2    
mit snellen balt,
Verse: 3    
mit vrevelen vrech, mit hübeschen wolgestalt,
Verse: 4    
ie nach der zit sol man daz wegen.
Verse: 5    
vil maniger hiure brücket, der zu jare muz stegen.
Verse: 6    
daz haben gezalt
Verse: 7    
die wisen uns vür gut.

Verse: 8    
Wis under dem, der obe dir si.
Verse: 9    
wis neben bi
Verse: 10    
dem ebenen din an art, an eren zwi.
Verse: 11    
wis obe diner undern diet.
Verse: 12    
volge im mit ganzes herzen craft, swer dir daz riet:
Verse: 13    
ich sage dich vri
Verse: 14    
vor schandenvarwer vlut.

Verse: 15    
La dich in senftem, stetem grüze vinden,
Verse: 16    
sprich lieplich zu den alden unt den kinden,
Verse: 17    
so muz sich gesinden
Verse: 18    
zu dir der menige prislich hort.
Verse: 19    
uz hohem ort
Verse: 20    
ein vriuntlich wort,
Verse: 21    
daz willet nidern mut.

Strophe: 5 
Verse: 1    
Wa prüve ich ritterliche phat
Verse: 2    
an prises wat?
Verse: 3    
nu Manheit, dir bevolhen si der rat.
Verse: 4    
lere uns die jungen ritter tugent,
Verse: 5    
bedenke, waz & ir wirde ^bringe prises^ & mugent.
Verse: 6    
ʽwer wandel hat,
Verse: 7    
der & vecht ein niuwen kür,

Verse: 8    
Swer & valsch [ ] <zu> ritter wirt gekleit &,
Verse: 9    
<we> im, der treit
Verse: 10    
der ritterschaft ein swachez kunterfeit.
Verse: 11    
nach afterriuwe prüve ein <man>
Verse: 12    
und merke, daz er müge bi ritterschaft bestan.
Verse: 13    
her-arm, daz meit
Verse: 14    
ie wiser liute tür.

Verse: 15    
Her-arm, daz treit ein schemic siden hemde,
Verse: 16    
her-arm, daz heizet wol vroun Eren lemde,
Verse: 17    
tugende sint im vremde.
Verse: 18    
si daz dir spiene dins herzen vlut
Verse: 19    
menlichen mut,
Verse: 20    
sich, ritter gut,
Verse: 21    
din pris sich nie [ ] <verlür>.'

Strophe: 6 
Verse: 1    
Swer nu zu blicke dienen wil
Verse: 2    
und smehet vil,
Verse: 3    
ir herren, merket [ ] siner dienste zil.
Verse: 4    
an swem ir eines valsch erjaget,
Verse: 5    
vor dem bewart iuch, als der wise man iu saget,
Verse: 6    
e daz sin spil
Verse: 7    
mit falscheit meine sich.

Verse: 8    
Die wile und sie nicht schaden mügen
Verse: 9    
& nach losen tügen &,
Verse: 10    
so honigen sie den dienst mit valschen trugen.
Verse: 11    
& swenn [ ] <sich> die hant gefalten & mag,
Verse: 12    
so wizzet, daz sie tun der triuwen einen slag
Verse: 13    
mit todes zügen.
Verse: 14    
da bi so lere ich mich,

Verse: 15    
Daz nieman sol & den vint zu nahen füren
Verse: 16    
und <haben>, ob er <in> selber wil nöten &, snüren.
Verse: 17    
[ ] möchte ein wolf berüren
Verse: 18    
die schaf vor hute, er stele ir nicht.
Verse: 19    
zu solcher schicht
Verse: 20    
habet, fürsten, pflicht.
Verse: 21    
sie git iu selden strich.

Strophe: 7 
Verse: 1    
Swer gut nicht kan für gut [ ] verdoln,
Verse: 2    
ob der muz holn
Verse: 3    
ein [ ] brennen und darnach verbrunnen koln,
Verse: 4    
dem widervert des frosches sunc,
Verse: 5    
den nach dem senften stocke fraz ein grüner unc,
Verse: 6    
als er verstoln
Verse: 7    
quam in den pful gefarn.

Verse: 8    
Ich meine, die dienest gernde schar
Verse: 9    
sol dienen; dar
Verse: 10    
durch [ ] man sie mit freude und mit craft bewar.
Verse: 11    
in triuwen und in reiner tugent
Verse: 12    
sie suln <ouch> von im liden allez, daz sie <sint> mugent.
Verse: 13    
ir valsch gefar
Verse: 14    
mag sich gein im wol sparn.

Verse: 15    
Den rechten vogt kan nieman übergelten.
Verse: 16    
verzeret wirt ein guter herre selten.
Verse: 17    
man mag [ ] hiure schelten,
Verse: 18    
daz man zu jare neme für heil.
Verse: 19    
wide unde seil,
Verse: 20    
daz si ir teil,
Verse: 21    
die fürsten sust verscharn.

Strophe: 8 
Verse: 1    
Ir herren, wizzet, waz ir tut:
Verse: 2    
tugent oder unfrut
Verse: 3    
man saget von iu künigen [ ], fürsten vrut.
Verse: 4    
ir graven, frien, dienestman,
Verse: 5    
ir ritter, fürbaz sult ich nennen noch enkan,
Verse: 6    
sit daz mich lut
Verse: 7    
kunst uf bescheidenheit.

Verse: 8    
Ja weiz ich vil, des ich nicht tar
Verse: 9    
gemelden gar.
Verse: 10    
ich sihe und wil nicht sehen noch hören, dar
Verse: 11    
ob mich min zucht da heizet dagen.
Verse: 12    
ez türren ander liute kunden unde sagen,
Verse: 13    
daz offenbar
Verse: 14    
wirt iu die kundikeit.

Verse: 15    
Nieman kan hoher herren tat bedecken,
Verse: 16    
sie sin gut oder swach, man tar sie [ ] wecken.
Verse: 17    
alle risen [ ], recken,
Verse: 18    
die kunden des nicht understan:
Verse: 19    
und tar ein man
Verse: 20    
untat began,
Verse: 21    
sie komt mit worten breit.

Strophe: *9 
Verse: 1    
Sechs ding in ein die schrift gebar;
Verse: 2    
zwei von der schar
Verse: 3    
der andern vier [ ] sich teilen abe gar,
Verse: 4    
so daz ir ieslichem so schon
Verse: 5    
geistlichen sint erwelt zwei houbet [ ] fron,
Verse: 6    
so ist ir nar
Verse: 7    
wol mit der selden stric.

Verse: 8    
Vier edelheit saget uns die schrift
Verse: 9    
uz voller gift:
Verse: 10    
schaz [ ] wol und ouch darzu des stammes stift
Verse: 11    
sint zwo werltliche edelheit,
Verse: 12    
zwei geistlich adel sint der kunst ein tugentcleit.
Verse: 13    
& wie wol ez trift
Verse: 14    
rilichen honiges ric &.

Verse: 15    
Schaz und geburt gein libes adel biegen,
Verse: 16    
so wil der geist kunst mit der tugent wigen,
Verse: 17    
& [ ] sust <in> ein muz fliegen &
Verse: 18    
frischeftig, wirdig, edel man.
Verse: 19    
wol im, swer kan
Verse: 20    
sins sinnes ban
Verse: 21    
tragen in adels blic.

Strophe: *10_[a] 
Verse: 1    
Wir dürfen got die schuld nicht geben,
Verse: 2    
ob wir sust leben,
Verse: 3    
daz wir mit [ ] willen hie nach sünden streben.
Verse: 4    
böse unde gut ist uns gezalt
Verse: 5    
uf erden hie gar sicherlichen manigvalt.
Verse: 6    
& nu merke gar eben:
Verse: 7    
vor <dem> gerichte dort

Verse: 8    
Sust han gesprochen alle die &.
Verse: 9    
nu merket hie,
Verse: 10    
swa man den sin hin keret, & [ ] geschehe [ ] <ez> ie
Verse: 11    
in maniger wis gar ordenlich
Verse: 12    
zu helfe <...> den höchsten, milten fürsten rich,
Verse: 13    
daz im sin wie &
Verse: 14    
<...> wirt gar zerstort.

Verse: 15    
Hie ist geteilet, swer da kiesen welle,
Verse: 16    
zu himelriche oder <hin> zu helle.
Verse: 17    
[ ] swer sin ungefelle
Verse: 18    
erkiesen wil, der hat die kür,
Verse: 19    
des himels tür
Verse: 20    
alsus verlür:
Verse: 21    
der töt sich, <we> den mort!

Strophe: *11_[b] 
Verse: 1    
Swaz man gesprechen, singen mag
Verse: 2    
nacht unde tag,
Verse: 3    
swaz guter lere [ ] in wisem hirne lag,
Verse: 4    
daz loufet al uf einen ort:
Verse: 5    
wie du der sele hütest vor des meiles port.
Verse: 6    
sich, den bejag
Verse: 7    
so eischet got von dir.

Verse: 8    
Sit daz din leben also stat,
Verse: 9    
daz ez vergat,
Verse: 10    
des laz dich vinden hie in [ ] guter tat.
Verse: 11    
ez weret sam ein ougenblic,
Verse: 12    
und wenn got wil, so leget der tod uns sinen stric.
Verse: 13    
daz ist min rat,
Verse: 14    
& und lebest & nicht als ein tier.

Verse: 15    
Du bist gehöcht ob aller creatiure,
Verse: 16    
dir dient luft, erde, wazzer und daz viure.
Verse: 17    
[ ] ^nicht wart^ so gehiure
Verse: 18    
als menschen geist und frier mut.
Verse: 19    
ergat in gut,
Verse: 20    
sin schepfer tut
Verse: 21    
im sine helfe schier.

Strophe: 12_[a] 
Verse: 1    
Wie pfaffenfürsten <sint> gestigen,
Verse: 2    
man hat verswigen.
Verse: 3    
der leien fürsten haben sich [ ] halb verzigen:
Verse: 4    
- da man e milte herren vant,
Verse: 5    
da hat der bischof beide liute unde ouch ir lant -
Verse: 6    
sie sint versigen,
Verse: 7    
als ich iu sagen wil.

Verse: 8    
Ez komt gar allez an den stift,
Verse: 9    
daz machet gift;
Verse: 10    
daz sie vergelten mügen [ ], daz machet die schrift.
Verse: 11    
ein bischof, der enerbet nicht.
Verse: 12    
swa sechse teilen suln, da ist ez unbericht:
Verse: 13    
<sus> haben geschift
Verse: 14    
der herren also vil.

Verse: 15    
Der pfaffen banier sicht man uf den felden,
Verse: 16    
sie wellen pris und ere nicht vergelten:
Verse: 17    
[ ] bi dem künige selden
Verse: 18    
sicht man sie dringen in den scham.
Verse: 19    
her Adelarn,
Verse: 20    
welt irz bewarn,
Verse: 21    
daz were dem riche ein spil.

Strophe: 13_[b] 
Verse: 1    
Her künig, ir habet zu lang gebeit,
Verse: 2    
ez wirt iu leit.
Verse: 3    
der [ ] pfaffen fuz ist worden also breit,
Verse: 4    
sie han der leien marke gar.
Verse: 5    
des werdet ir an iuwer volge wol gewar,
Verse: 6    
swenn ^ez sich^ treit,
Verse: 7    
daz ir sult liute han.

Verse: 8    
Sie achten lützel, wes ir gert,
Verse: 9    
hiure unde vert;
Verse: 10    
sie dünket nu daz riche [ ] nichtes wert.
Verse: 11    
man sach ie leienfürsten streben
Verse: 12    
in stürmen und in striten bi dem riche neben
Verse: 13    
und ouch ir swert
Verse: 14    
beschirmen sunder wan.

Verse: 15    
Her künig, ir sult die leienfürsten richen,
Verse: 16    
in rechter not die pfaffen von iu wichen.
Verse: 17    
waz mag [ ] heiden gelichen?
Verse: 18    
swa man <den> helm uf binden sol
Verse: 19    
durch eren zol,
Verse: 20    
da sicht man wol,
Verse: 21    
wer manheit wil bestan.

Strophe: 14_[c] 
Verse: 1    
Ez si gelart oder ungelart,
Verse: 2    
und swaz ie wart,
Verse: 3    
zu dem sich hat der bischof [ ] e gekart,
Verse: 4    
darzu die closter, clusen tür:
Verse: 5    
haben die müneche und nunnen gelt, daz muz herfür.
Verse: 6    
blate unde bart,
Verse: 7    
die sint nu gar enwicht.

Verse: 8    
Solt er davon nicht riche sin
Verse: 9    
- daz ist wol schin -
Verse: 10    
und lieben sich dem künige [ ] Constantin,
Verse: 11    
der da zu Rome ein houbet was,
Verse: 12    
der uns die pfafheit erste erhub, als ich ez las,
Verse: 13    
bi triuwen min,
Verse: 14    
daz were ein jamers schicht.

Verse: 15    
Der pfaffen richtum breitet sich uf erden,
Verse: 16    
die lant, <die> müzen in zu jungest werden
Verse: 17    
von ir ungeberden,
Verse: 18    
die sie nu triben um daz gut
Verse: 19    
in gires glut.
Verse: 20    
ich han des mut,
Verse: 21    
ez tete manch leie nicht.

Strophe: 15 
Verse: 1    
Swa blic an blicke vint sin art
Verse: 2    
schone unbewart,
Verse: 3    
zuhant der blic sich zu dem herzen schart;
Verse: 4    
dem blicke jaget die liebe nach.
Verse: 5    
die wile die dri sich vreuwen, so komt der minnen schach
Verse: 6    
in twalmes vart,
Verse: 7    
den drin wil sie an gesigen.

Verse: 8    
Eines reinen wibes wunniclich munt,
Verse: 9    
swem der tut kunt
Verse: 10    
ein lechelichez suchen, kusses vunt,
Verse: 11    
sich, wie zertlich daz gebert,
Verse: 12    
wol unde wol im, swem daz honic ist beschert.
Verse: 13    
herze ist enzunt,
Verse: 14    
gelust ist ingestigen.

Verse: 15    
Da klaget daz herze denne über sin selbes blicken,
Verse: 16    
und klaget daz blicken uf der liebe stricken.
Verse: 17    
lieb wil sich entzwicken
Verse: 18    
und klaget uf minne. Amor, der voget,
Verse: 19    
komt ingezoget.
Verse: 20    
swa hin er broget,
Verse: 21    
da muz ir kraft geligen.

Strophe: 16 
Verse: 1    
Wip, selden hort, der wunnen spil,
Verse: 2    
wip, vröuden zil,
Verse: 3    
ein spiegel zarter süze, ich sprechen wil.
Verse: 4    
wip, wurzel aller werdicheit,
Verse: 5    
wip, aller güte ein fiol, der nie kraft vermeit,
Verse: 6    
wip, tugende vil
Verse: 7    
durch dich got hat gegeben.

Verse: 8    
Wip, wereclicher ere ein dach,
Verse: 9    
wip, triuwe ein bach,
Verse: 10    
wip, senfticlicher höhe ein prisgemach,
Verse: 11    
wip, mannes lip geselleschaft,
Verse: 12    
wip, aller sune ein sigeriche magenkraft,
Verse: 13    
wip, milte ein vach,
Verse: 14    
nach dem die werden streben.

Verse: 15    
Wip, minniclicher wunne ein trutlich garte,
Verse: 16    
wip, aller edele ein überliuchtic warte,
Verse: 17    
wip, din lop kein scharte
Verse: 18    
hat nie verwunt, des wol dich, wip!
Verse: 19    
wip, leitvertrip,
Verse: 20    
hochgerter lip,
Verse: 21    
trac, wip, wiplich din leben.

Strophe: 17 
Verse: 1    
Man, vint in röte bleiche scham,
Verse: 2    
- nicht [ ] züchten gram, -
Verse: 3    
daz sie dir retet vrevel uf vrouwen stam.
Verse: 4    
bedenke, waz daz sprichet ʽwip'!
Verse: 5    
so hoffe ich, daz der vrevel mide dinen lip.
Verse: 6    
ʽwip', süzer nam:
Verse: 7    
wunne, irdisch paradis.

Verse: 8    
Bedenke ouch, waz daz ʽvrouwe' si!
Verse: 9    
ʽvro', 'we' [ ] da bi.
Verse: 10    
ʽvro' heizet sie durch diner vreuden zwi,
Verse: 11    
- al menschlich wünne von ir komt, -
Verse: 12    
ʽwe' da von, daz natur an ir mit früchten fromt.
Verse: 13    
swer ist nu vri
Verse: 14    
der tugent an vrouwen pris,

Verse: 15    
Der denke an blündez lachen roter munde,
Verse: 16    
wie ^blickes stral^ uz spilnder ougen grunde
Verse: 17    
stricken friunt zu friunde.
Verse: 18    
man, wilt du prises und eren zol
Verse: 19    
erfüllen vol,
Verse: 20    
sprich vrouwen wol,
Verse: 21    
lobe al ir formen ris.

Strophe: 18 
Verse: 1    
Lop si dir, formelicher tag,
Verse: 2    
lop dim bejag!
Verse: 3    
lop si <dir>, saffic saf, lop wandels slag!
Verse: 4    
lop si dir, elementen gurt,
Verse: 5    
lop si dir, art, lop si dir, wehe, lop der geburt,
Verse: 6    
lop, als ich mag
Verse: 7    
bejagen uz sinnes grunt.

Verse: 8    
Lop si dir, Adam, durch din bein,
Verse: 9    
von dem erschein
Verse: 10    
uns wibes bilde! lop la dir [ ] sin rein,
Verse: 11    
lop immer lop, lob hoher sedel!
Verse: 12    
ach, daz din lop nicht kan volloben menschlich schedel!
Verse: 13    
lop, lop ich mein.
Verse: 14    
ich lobe der eren vunt.

Verse: 15    
Lop si dir, süzer schepher! sie ist die <...>
Verse: 16    
<...>

Strophe: *19 
Verse: 1    
Wip, anevanc, ein morgensegen
Verse: 2    
vür golt gewegen,
Verse: 3    
wip, hübescher vunt, din nam muz immer stegen,
Verse: 4    
waz man an vrouwen ho gewiget,
Verse: 5    
ez si in schimpf, in ernst, da mit man hie gesiget.
Verse: 6    
wip, meienregen
Verse: 7    
zukünftic süzer vrucht.

Verse: 8    
Wip, schöne ein guldin leitestab,
Verse: 9    
der seite urhab,
Verse: 10    
sit daz got hohem namen nie gegab
Verse: 11    
uf erden hie wan wibes nam
Verse: 12    
und daz er ouch von einer reinen meide quam.
Verse: 13    
wip, hoheste grab
Verse: 14    
durchtrechtic aller zucht.

Verse: 15    
Wip, vündic vunt des hosten prises phorte,
Verse: 16    
wip, uf sat blünder tugent in allem orte,
Verse: 17    
wip, din nam in worte
Verse: 18    
behelt des hosten lobes kranz.
Verse: 19    
wip, wurzel ganz,
Verse: 20    
an allen schranz
Verse: 21    
got nam zu dir die vlucht.

Strophe: *20 
Verse: 1    
Wip, leitestern der hosten scham,
Verse: 2    
wip, süzer nam,
Verse: 3    
wip, von dir erst ouch alle wunne quam,
Verse: 4    
wip, vürgedachtic zarter vunt,
Verse: 5    
ein anbegin: die nie entsloz den ersten bunt,
Verse: 6    
- nie edeler stam
Verse: 7    
uz erden hie gesproz -

Verse: 8    
Ein rippe got mit siner hant
Verse: 9    
hat so gewant
Verse: 10    
zu dir, da von din nam ist hochbekant.
Verse: 11    
ei, waz din nam al süze treit,
Verse: 12    
da von die werden man mit dienest sin bereit,
Verse: 13    
wip, hochgemant
Verse: 14    
uz siner siten vloz!

Verse: 15    
Wip, fioliner wurzegart, ein stengel,
Verse: 16    
wip, ougen blick zu schouwen mannes engel.
Verse: 17    
wip, der ere ein sprengel,
Verse: 18    
alsam die meiste menige uns seit.
Verse: 19    
wip, eren kleit,
Verse: 20    
din wirde ist breit,
Verse: 21    
wip, engeles genoz.

Strophe: *21 
Verse: 1    
Wip, werenlicher wunne ein hort,
Verse: 2    
wip, süzez wort,
Verse: 3    
da mit man sich vür truren widerhort:
Verse: 4    
swelch man sich vlizet an reine wip,
Verse: 5    
dem ist getiuret herze, mut, sin unde lip,
Verse: 6    
sins lebens ort
Verse: 7    
nie vröude widersaz.

Verse: 8    
Ir stolzen, wolgemuten man,
Verse: 9    
halt eren ban
Verse: 10    
durch reine wip, sit sie iu bi gestan.
Verse: 11    
ir sin ane angel in bernder not
Verse: 12    
gedenket, swenn ir <...> sult küssen ir munt so rot.
Verse: 13    
der selden van
Verse: 14    
sint wip, ane allen haz

Verse: 15    
Lustlicher art vür truren hie zu schouwen:
Verse: 16    
ie süzic, senftec, lieblich blic in ouwen,
Verse: 17    
daz sint reine vrouwen,
Verse: 18    
der lob man immer singen muz
Verse: 19    
vür wandels buz,
Verse: 20    
ir süzen gruz
Verse: 21    
man ie zum hosten maz.

Strophe: *22 
Verse: 1    
Des menschen geistes edelkeit
Verse: 2    
vil adels heit
Verse: 3    
ob alle dem, daz got sin wirde ersneit
Verse: 4    
mit sines vürgedanken kraft,
Verse: 5    
da von des menschen gernde ger ist sigehaft.
Verse: 6    
die girde treit
Verse: 7    
in gotes wesen e wesen.

Verse: 8    
Die gir nicht e geruwen mac:
Verse: 9    
wie eben ez wac
Verse: 10    
ein ieglich dinc, mit voller rede ie lac,
Verse: 11    
daz wold in sinen ursprinc wider;
Verse: 12    
ob allez adel trat ie des menschen ursprinc sider.
Verse: 13    
vernunst sin tac
Verse: 14    
kan nicht die rede vollesen.

Verse: 15    
Sit got uns gap zu einem rechten erbe
Verse: 16    
ein vrie willekür, uns nicht verderbe,
Verse: 17    
so dr<.> nicht ersterbe
Verse: 18    
die schult. uns kiuset, der in ie kos,
Verse: 19    
do selde uns noz:
Verse: 20    
do würde wir los
Verse: 21    
von jamer und genesen.

Strophe: 23 
Verse: 1    
Ein höner gernder wirdikeit,
Verse: 2    
dir si geseit:
Verse: 3    
mut & in begirde [ ] uf alter & nie gereit,
Verse: 4    
den vogel jaget durch den luft
Verse: 5    
kein visch, nie in beger besaz des wages gruft
Verse: 6    
tierlach gemeit.
Verse: 7    
<sus> ieslich art begert.

Verse: 8    
<...>

Verse: 9    
Materje gert der formen mit der mische
Verse: 10    
und ouch darzu des höchsten zirkels frische.
Verse: 11    
[ ] falscher höner, wische
Verse: 12    
hin, dar zu & <den, die> ungernde sint &,
Verse: 13    
der helle kint,
Verse: 14    
an selden blint.
Verse: 15    
ir edeln, des entbert!

Strophe: 24 
Verse: 1    
Swa man zu hönen kunst hat wert,
Verse: 2    
und narre gert
Verse: 3    
für rechte kunst, ez si ein hunt oder [ ] pfert,
Verse: 4    
waz sol der sunnen glastes me;
Verse: 5    
waz sol dem himels zirkel snelles loufes e;
Verse: 6    
waz sol ein swert,
Verse: 7    
den fluchtig tut ein rouch;

Verse: 8    
Waz sol ein krone uf ein kaptil,
Verse: 9    
uf haz ein spil;
Verse: 10    
waz sol der erge jesen, [ ] der maze ein zil;
Verse: 11    
waz sol der armen werlt ein zemen;
Verse: 12    
waz sol dem wibel & <ein> lasurvaz, [ ] der schin & ein lemen,
Verse: 13    
der muggen swil;
Verse: 14    
waz sol dem balsem louch;

Verse: 15    
Waz sol dem blinden speher varbe diezen;
Verse: 16    
waz sol dem affen wiser künste fliezen;
Verse: 17    
waz sol Sathanus niezen;
Verse: 18    
waz sol dem esel tollentranc;
Verse: 19    
waz sol dem sanc
Verse: 20    
und seiten clanc,
Verse: 21    
der lieber hort den gouch?

Strophe: *25 
Verse: 1    
Nu merke, tunkel biderman,
Verse: 2    
wiltuz verstan:
Verse: 3    
din erenhenne kret, so krotzelt din han.
Verse: 4    
mou, katze! esel, ruhestu icht?
Verse: 5    
snürrinc, din snerren bi den granen ist enwicht.
Verse: 6    
man huge in an!
Verse: 7    
nu secht, swer oren hat.

Verse: 8    
Din schame in schanden vlinset sich.
Verse: 9    
sage unde sprich,
Verse: 10    
wer sneit din ödez kleit? du tummest dich.
Verse: 11    
din ochsenhorn, daz bückezet, vliuch!
Verse: 12    
du gienge e menschlich, als ein vihe <du> nu kriuch.
Verse: 13    
din gelf uf mich
Verse: 14    
trit in din selbes phat.

Verse: 15    
Varch unde swin, unswinlich ist din kerren.
Verse: 16    
din affensin kan rüdelichen zerren.
Verse: 17    
hut, la dich bescherren.
Verse: 18    
du hast getrunken narren win.
Verse: 19    
hochvart, nu grin!
Verse: 20    
gief, kaf si din:
Verse: 21    
sus drischet sich din sat.

Strophe: 26 
Verse: 1    
Gefiolierte blüte kunst,
Verse: 2    
dins brunnen dunst
Verse: 3    
und din geröset flammenriche brunst,
Verse: 4    
die hete wurzelhaftez obez
Verse: 5    
gewidemet: in dem boume künste riches lobes
Verse: 6    
hielt [ ] wipfels gunst
Verse: 7    
sin list, durchliljet kurc.

Verse: 8    
Durchsternet was sins sinnes himel,
Verse: 9    
glanz, als ein vimel
Verse: 10    
durchkernet. luter golt nach wunsches stimel
Verse: 11    
was al sin blut, geveimt uf lob,
Verse: 12    
gevult [ ] <mit> margariten nicht zu kleine und grob;
Verse: 13    
sins silbers schimel
Verse: 14    
gab gimmen velsen schurc.

Verse: 15    
Ach, kunst ist tot! nu klage [ ], armonie,
Verse: 16    
planeten tirmen klage, nicht verzie
Verse: 17    
polus jamers drie.
Verse: 18    
genade im, süze trinitat,
Verse: 19    
maget reine, entfat,
Verse: 20    
ich meine Conrat,
Verse: 21    
den helt von Wirzeburc.



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This text is part of the TITUS edition of Heinrich von Meissen, Frauenlob.

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