TITUS
Heinrich von Meissen, Frauenlob
Part No. 12
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Text: 11 
XI. Neuer Ton


Strophe: 1_[a] 
Verse: 1    Ich   wil des sinnes lie florieren
Verse: 2    
mit roselechten worten, schon probieren
Verse: 3    
mit redeblumen sunder frist.
Verse: 4    
hilf, violvar volzieren
Verse: 5    
ein lob, daz hat sich also wit gebreitet,

Verse: 6    
So hoch mit sinnen do genümen!
Verse: 7    
er tar sich eren richer werke rumen:
Verse: 8    
er darf durchgrunthaftiger list,
Verse: 9    
swer ez so spehe sol blumen,
Verse: 10    
wan ez in biunde ist gar schon geleitet.

Verse: 11    
Min   triuwer mut in triuwen ganz,
Verse: 12    
sin   rede ist als ein blünder kranz:
Verse: 13    
sin lob belibet sicher glanz,
Verse: 14    
sin menlich tugent sunder schranz
Verse: 15    
in küniglicher eren spranz,
Verse: 16    
in Tenemarken ^ie ich bin^
Verse: 17    
priser des küniges. al min kunst, volsprich!


Strophe: 2_[b] 
Verse: 1    
<Er>...
Verse: 2    
<...>

Verse: 3    
Ein lustlich herze mit vollen sinnen,
Verse: 4    
durchspehet mit der wunne uze und innen,
Verse: 5    
ein stolzer lip gar wunnesam
Verse: 6    
zu dienst der zarten minne,
Verse: 7    
der kan sin ritterlicher mut sich neigen.

Verse: 8    
Nein,   als ein rubin, luter, clar
Verse: 9    
schein   wunniglichen, liechtgefar
Verse: 10    
sin lob bi künigen, fürsten zwar
Verse: 11    
ho swebet als ein adelar:
Verse: 12    
wan frouwen zart gar offenbar
Verse: 13    
wisliche gert der fürste rein.
Verse: 14    
sin reine art & [ ] <ist>, der ich do & beger.

Strophe: 3_[A] 
Verse: 1    
Ein   wol bescheiden mut besinnet,
Verse: 2    
daz die bescheidenheit scham, zucht beginnet.
Verse: 3    
ein wiser sin bescheiden ist,
Verse: 4    
bescheidenheit die minnet
Verse: 5    
den vürgedanc so gut, er selber bringet

Verse: 6    
Die sicherheit an liebe, an leiden:
Verse: 7    
die sicherheit verwegenen mut kan cleiden.
Verse: 8    
& ^sich, swaz^ ein mut in kürze frist &,
Verse: 9    
daz ist wol halb gescheiden:
Verse: 10    
ez gibt sich hin und her, man hat gedinget.

Verse: 11    
Dich   also gar verwegenen man
Verse: 12    
ich   nicht bescheiden nennen kan.
Verse: 13    
verwegener mut sol hie bestan,
Verse: 14    
der eren werc in nicht verlan,
Verse: 15    
und wil er ^wegen sich^ hin dan,
Verse: 16    
der eren werc mit tugent, sprich,
Verse: 17    
du wiser, der den edelen frut erschein:

Strophe: 4_[B] 
Verse: 1    
Nu,   dar, verwegener mut, mutwille!
Verse: 2    
mutwille quam ie heim und sweig des stille.
Verse: 3    
din heim, daz ist bescheidenheit
Verse: 4    
so clar als ein berille.
Verse: 5    
nimst du ir rat, der tut dich wol mutwillen.

Verse: 6    
Wilt aber nu mutwillen eine,
Verse: 7    
so wizze, daz din mutwille ist unreine.
Verse: 8    
mutwille lat dich an unterscheit,
Verse: 9    
[ ] daz dir & nicht heil erscheine. &
Verse: 10    
dir wirt vil selden, macht du mutwillen stillen.

Verse: 11    
Wil   din mutwille herlich sin,
Verse: 12    
hil   dich und twing in wider in,
Verse: 13    
wis nicht sin, [ ] <la> in wesen din.
Verse: 14    
uz dir bescheidenheit tu schin,
Verse: 15    
im rat der wisen meister vin,
Verse: 16    
& so wirt der mutwille als in spil
Verse: 17    
durchliutert, daz <er> gewinnet lut &, sich zu!

Strophe: 5 
Verse: 1    
Sage   an, gelücke, [ ] waz sol werden
Verse: 2    
von dir? du bist <vil> seltsan mit geberden,
Verse: 3    
mit tat und mit bescheidenheit,
Verse: 4    
des muz zergan uf erden
Verse: 5    
din wesen, <ez> ist zu laz bi fürsten, herren.

Verse: 6    
Wol hin, ir edelen hantfesten,
Verse: 7    
welt ir iuch niuwen als des manen glesten?
Verse: 8    
<man> muz iu sin alzit bereit.
Verse: 9    
wil man die warheit mesten,
Verse: 10    
als uns wil liegen sich mit kundem werren?

Verse: 11    
Vil   edeler, nu besinne daz:
Verse: 12    
zil   aller selden warheit maz,
Verse: 13    
die nim und wis des nicht zu laz,
Verse: 14    
oder <du> verdienest gotes haz.
Verse: 15    
für ware wort so zimt nicht baz,
Verse: 16    
sit got sich warhaft nennen wil:
Verse: 17    
daz nieman ware wort im haz zertrage!

Strophe: 6 
Verse: 1    
Wer   <nu> dem adel sin art zertrennet?
Verse: 2    
der ungekorne bist du, fürste, genennet.
Verse: 3    
fürste ist von adel, nicht von kür,
Verse: 4    
ir wisen, daz erkennet.
Verse: 5    
swie krum ein stab, ein bart und griser stimme,

Verse: 6    
Man sol sie doch nicht fürsten heizen.
Verse: 7    
nach ir geburt <ie> uf den adel erbeizen -
Verse: 8    
ez si ein keiser, <ein> künig - da für
Verse: 9    
ein babes; la mich daz meizen:
Verse: 10    
für war sie sint noch fürsten me mit grimme.

Verse: 11    
Swie   ^sie sin^ zu dem amte erkorn,
Verse: 12    
[ ] <nie>   wurden sie darzu geborn,
Verse: 13    
swie ho die fürsten sin beschorn,
Verse: 14    
swie sere die werlt in habe gesworn,
Verse: 15    
- ir herren, daz si ane zorn:
Verse: 16    
sie sint nicht bürtig fürsten hie.
Verse: 17    
dem adel <die> kür machet zart ir ger.

Strophe: 7 
Verse: 1    
Ich   wil dem adel macht bewisen:
Verse: 2    
daz ein ist an geburt, die sol man prisen;
Verse: 3    
daz ander adel von der kür,
Verse: 4    
gewalt muz adel spisen;
Verse: 5    
die dritten wirde er fecht mit altem schatze.

Verse: 6    
Merke ieslich adel gar besunder,
Verse: 7    
ist tugent [ ] irn nicht obe unde under,
Verse: 8    
ez ist verhönet, als ich spür,
Verse: 9    
erloschen als ein zunder,
Verse: 10    
daz in ein wazzer vellet. uz dem satze

Verse: 11    
Kein   adel sine tugent gebar,
Verse: 12    
schein   liecht so vinsterlich gevar.
Verse: 13    
mich müt, swa ich sich grawez har,
Verse: 14    
daz ane tugent verzert <sich> gar.
Verse: 15    
zucht ist ein malerinne clar,
Verse: 16    
ir ritterschaft schöne unde rein
Verse: 17    
gepinselt und gemalt. nie slacht den strich.

Strophe: 8 
Verse: 1    
Ich   lobe die stetikeit nach rechte,
Verse: 2    
mit aller tugent so ist sie die slechte.
Verse: 3    
williger mut und stetikeit
Verse: 4    
nimt und gibet sich zu knechte.
Verse: 5    
dem gibe ich unterscheit, daz sol man merken:

Verse: 6    
An guten dingen habe er stete,
Verse: 7    
an bösen dingen neme er ander rete.
Verse: 8    
ich prisete ez nicht mit unterscheit,
Verse: 9    
ob mich ein frouwe bete:
Verse: 10    
sich sol der mut ie mit der tugent sterken.

Verse: 11    
Swer   stete an bösen dingen ist,
Verse: 12    
er   minnet unstete zu aller frist.
Verse: 13    
frou Ere hat nicht argen list,
Verse: 14    
in aller tugent ir genist
Verse: 15    
an allem dem, daz gat uz Crist.
Verse: 16    
ein ieslich ding in steter ger
Verse: 17    
begert, swaz sin geburt im sneit erlich.

Strophe: 9 
Verse: 1    
Ein   grozen wandel wil ich wizzen.
Verse: 2    
swenn der sich steter tugent hat geflizzen
Verse: 3    
[ ] <nu> vellet uz der stetikeit
Verse: 4    
in laster gar zerrizzen,
Verse: 5    
dem swin ein ebenspil er tut mit willen.

Verse: 6    
Die kürn <ein> hol wol mit unflate
Verse: 7    
für blünde grüne hübeschlich mit hübeschem rate.
Verse: 8    
hin, arger mut; hin, swachez cleit,
Verse: 9    
du list in schanden quate;
Verse: 10    
sich muz din nennen bi den edelen stillen,

Verse: 11    
Vin   als ein golt so ist ir nam.
Verse: 12    
din   werc, din wort, man, ist dir gram;
Verse: 13    
du würde in steter tugent zam,
Verse: 14    
nu bist du in den schanden lam.
Verse: 15    
sich, wilder valant, sich din scham:
Verse: 16    
din arger mut lat als daz swin,
Verse: 17    
vernüllet al din nennen vil unrein.

Strophe: 10 
Verse: 1    
Ein   tumme diet han ich besunnen,
Verse: 2    
der wenen hat so hohen pris gewunnen,
Verse: 3    
daz nu die scham und reine zucht
Verse: 4    
in sint so gar entrunnen,
Verse: 5    
daz ich ir geberde nicht <me> kan erkennen.

Verse: 6    
Swaz ander liute tugent zeigen,
Verse: 7    
die kunnen sie mit spehem hönen veigen,
Verse: 8    
und ir verschamte ungenucht
Verse: 9    
sol sich so ho ersteigen,
Verse: 10    
[ ] daz [ ] nieman tar ir sprache <liegen> nennen.

Verse: 11    
In   wane ein künig, nach dünke ein man,
Verse: 12    
sin,   <daz> bescheide mir, sage an!
Verse: 13    
ʽswenn hat gekret der abenthan,
Verse: 14    
& <der> marner daz krut wol triuten & kan.
Verse: 15    
derselben tat ouch me zerran.'
Verse: 16    
wol hin, gar offenbar ich bin,
Verse: 17    
& der sweren wil, den tugent nie nicht & erschein.

Strophe: 11 
Verse: 1    
Ir   edelen, sit warhafter worte,
Verse: 2    
und minnet triuwe in herzen, durch die pforte
Verse: 3    
so mag got in die sele komen.
Verse: 4    
lat iuch an keinem orte
Verse: 5    
meinlichen vinden, <sin> craft muz daz besuchen.

Verse: 6    
Ir sult nicht die gelübede verbieten,
Verse: 7    
daz ir nu secht, daz ir iuchs müget genieten
Verse: 8    
mit ganzer macht, han ich vernomen, -
Verse: 9    
als ie die wisen rieten,
Verse: 10    
lat iuch nicht ungewissen mut beruchen.

Verse: 11    
Schicht   reiner werke, swa die si
Verse: 12    
pflicht,   der unzüchte weset fri
Verse: 13    
und eret frouwen ouch dabi.
Verse: 14    
kunst ist der zucht ein blündez zwi,
Verse: 15    
si git iu guldin lob für bli,
Verse: 16    
daz dise lere an iu <ir> icht
Verse: 17    
in triuwen haltet, ritterschaft, von mir.

Strophe: 12 
Verse: 1    
We,   daz <die> edelen nicht gedenken,
Verse: 2    
wie ir geberde ir adel müge krenken:
Verse: 3    
lüge unde trüge und falscher mut,
Verse: 4    
die dri niur unart schenken.
Verse: 5    
ein ieslich adel sicht man <an> edelen dingen.

Verse: 6    
Sin wort, sin werc sin warhaft, stete.
Verse: 7    
an allez gunterfeit so habe er rete,
Verse: 8    
mag er nicht selber. ob erz tut,
Verse: 9    
& so vare der edelen tete,
Verse: 10    
und tut er daz &, so mag im wol gelingen.

Verse: 11    
Der   edelen art ist edele tat,
Verse: 12    
wer   wil von unart edelen rat?
Verse: 13    
von fulem holze ein glimmen gat,
Verse: 14    
swenn ez die vinsterheit bestat,
Verse: 15    
daz glimmen ez <an> im selben hat.
Verse: 16    
sust wizzet, daz unedeler ger
Verse: 17    
im rat & ir selber nimmer pflicht & tut me.

Strophe: 13 
Verse: 1    
Scham   ist ein tugent vor der schichte,
Verse: 2    
vil anvechtunge liden muz ir pflichte.
Verse: 3    
die scham ist nicht nach der genucht:
Verse: 4    
als ich iuch wol berichte,
Verse: 5    
sie heizet leit, ein spor der rechten riuwe.

Verse: 6    
Man sol sich schamen, e man miste
Verse: 7    
mit swacher tat der eren hoch geniste.
Verse: 8    
die scham gebirt die reinen zucht:
Verse: 9    
sie edeln und gevristen,
Verse: 10    
für war sie sint ein spiegel clar der triuwe,

Verse: 11    
Die   uz froun Eren komt so frut.
Verse: 12    
sie   fliuzet als des lebens flut,
Verse: 13    
ir triuwe vor wandel ist behut,
Verse: 14    
in eren als ein jungfrouwe tut.
Verse: 15    
der eren werc, die sint so gut:
Verse: 16    
daz ist die triuwe, [ ] die sich nie
Verse: 17    
verrücket, da der Eren kür wol zam.

Strophe: 14_[A] 
Verse: 1    
Ich   gibe den edelen rat vil guten,
Verse: 2    
daz sie mit williglichen sinnen biuten
Verse: 3    
ob ritterschaft und minnen spil,
Verse: 4    
so daz die wolgemuten
Verse: 5    
wip freischen reine tat <in> ir handelunge.

Verse: 6    
Sie mügen selten höne sich mazen,
Verse: 7    
so sie uz rechtem grunt in herzen grazen.
Verse: 8    
der valscheit <der> ist also vil,
Verse: 9    
die nie uf eren strazen
Verse: 10    
& hie quam, [ ] <daz> & hat gezalt der wisen zunge.

Verse: 11    
Die   minne und ritterschaft davorn
Verse: 12    
ie   han gelobt und ouch gesworn,
Verse: 13    
sie sullen herte sin als ein horn,
Verse: 14    
daz <sie> nicht enmüe der schanden dorn.
Verse: 15    
frou Ere hat sie uz erkorn,
Verse: 16    
des sult ir edelen minnen sie.
Verse: 17    
vor schanden so wert Eren wat werlich.

Strophe: 15_[B] 
Verse: 1    
Swen   Ere cleiden wil, für wete
Verse: 2    
dem git sie ellenthaften mut, mit stete
Verse: 3    
zu minnen alle gute ding
Verse: 4    
für valsch und arge tete.
Verse: 5    
secht, lustig spil er hat alhie uf erden.

Verse: 6    
Sin menlich zucht, sin menlich ellen,
Verse: 7    
sin ritterlichez leben kan im zellen
Verse: 8    
pris unde lob [ ] <und> wolgelinc.
Verse: 9    
ouch kunnen sie bestellen,
Verse: 10    
daz er gar williglichen muz verherden.

Verse: 11    
Swar   Eren straze leitet in,
Verse: 12    
dar   keret williglichen hin
Verse: 13    
[ ] <sin> lib und mut und herzen sin.
Verse: 14    
vil wol ich des berichtet bin,
Verse: 15    
wie gut, wie zart si der gewin:
Verse: 16    
die Ere ist rich und schanden bar,
Verse: 17    
iu mag hie lobes also vil geschen.



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Copyright TITUS Project, Frankfurt a/M, 6.5.2019. No parts of this document may be republished in any form without prior permission by the copyright holder.